Die Energiewende machbar machen. Eine Antwort an Michael Merkel.

Tja, Herr Merkel,

da wollen wir einiges klarstellen:

Zum Einen: Das mit dem Interessensverdacht oder der -unterstellung klappt nicht. Ich denke und schreibe auch ohne Auftrag. Und umgekehrt: Auch mit Auftrag denke ich, was ich sage. Im Übrigen ist das eine Argumentationsstruktur, die zu einem waschechten Linken passt, nicht zu einem Libertäten. Soviel der Polemik und Verwunderung.

Zum Zweiten: An Dich habe ich gar nicht gedacht. Die Frage, die mich interessiert, ist, was ist nötig für eine Energiewende, die schnelle Ergebnisse bringt. Und zwar unter den Bedingungen, die wir vorfinden.

Also nochmal ein paar grundsätzliche Überlegungen.

Was ist die Ausgangslage? Was finden wir vor?

Ein reformbedürftiges EEG und eine vierfache Unsicherheit.

Ein EEG, das, inzwischen allgemein anerkannt, unter dem Vorrang der Einspeisung Strom zu festen und steigenden Renditen produzieren lässt und die Infrastrukturkosten entthematisiert (in der öffentlichen Wahrnehmung, die Fachdiskussion ist da erfreulicherweise anders). „Strompreisbremse jetzt“ ist keine Lösung, das kann man beim Öko-Institut nachrechnen, zudem es die Investoren verunsichert.

So werden jetzt alle möglichen Modelle diskutiert, wie man das EEG reformiert und die Energiewende zum Erfolg macht.

Was dabei zu bedenken ist

Die Energiewende findet unter dem Vorzeichen vierfacher Unsicherheit statt.

a) Die technologische, welche Technologie steht zur Verfügung, also zentral Offshore, dezentral onshore, Solarenergie, Biomasse. Und dann die ganzen Speicher und Regelungstechnologien: Wasserspeicher, die Batterien im Keller jedes Privathauses, die im Elektroauto als Speicher, Smart Grids, verschiedene Technologien in den Langstreckennetzen, Gleichstom, unterirdisch, überirdisch, Aufwändigkeit von Umspannungen, etc. Und: jedes Jahr kann man das neu bewerten, weil Forschung und Industrie extrem innovativ sind. Ach ja, auch bei den fossilen Energien tut sich viel, Fracking wurde schon erwähnt, für Deutschland zeigt sich übrigens auf einmal, dass langfristige Lieferverträge mit Russland Energiestabilität, aber zu hohen Kosten führen. Auch andere fossile Energien können zu anderen Kosten und CO2-Daten antreten. Ist derzeit nicht der Fall, lässt sich aber nicht ausschließen.

b) Die ökonomische, weil es dann schwierig wird, das Ganze zu rechnen. Was sich rechnet, hängt von der politischen Rahmensetzung ab (ich vermeide den Begriff Marktdesign, weil viele dieser Märkte „Scheinmärkte“ sind, der Kapazitätsmarkt zum Beispiel, weil er den Auftrag zum Bau von Ersatzkapazitäten an ein Unternehmen gibt, die das zum besten Preis macht. Das ist im Grunde ein Vergabeverfahren für die Bereitstellung von Ersatzkapazitäten. Kann man machen, hat aber mit Markt nichts zu tun (und als Anbieter wüsste ich, wie ich die Komplexität der bereit zu stellenden Leistung so verklausuliere, dass die Politik sich nicht mehr auskennt und dann nachschießen muss. Tollcollect, z.B. oder auch die Elbphilharmonie könnten wir dafür als Beispiel anführen.)? Also, die ökonomische Unsicherheit erfordert, wenn möglich, dass Märkte sich von selbst regeln, Pleiten möglich sind, Fusionen, etc, etc, damit der Vorteil von Märkten auch zur Geltung kommt. Echte Märkte müssen Strukturveränderungen freisetzen, was wir bisher im Markt gesehen haben, ist, dass viele Profits in Teilmärkten realisieren, die aus politischen Incentives kommen. Davon sollte aber der ideale Markt unabhängig sein (ist schwierig bei Infrastrukturmärkten, muss man nochmal drüber nachdenken). Die Selbstversorgerproblematik will ich hier auch noch nennen. Wer keine Infrastruktur benötigt, zahlt auch nicht. Das treibt die Kosten für die anderen weiter in die Höhe.

c) Die gesellschaftliche Unsicherheit (Das Akzeptanzproblem). Wer schon jetzt wahrnimmt, an welchen Ecken Nimbys, neutral, berechtigte Nachbarschaftsinteressen, artikuliert werden, Die Nationalparkdiskussion im Schwarzwald ist hier ein Beispiel, die Hochspannungsleitungsblockaden ein anderes und die zahlreichen Windparkgegnerinitiativen sind ein drittes, wer das unvoreingenommen wahrnimmt, weiß, dass daraus erhebliche Probleme für das Funktionieren einer regenerativen Energiewirtschaft entstehen können.

d) Die Dynamik der Unsicherheit. Schon in jedem der Bereiche (Technologie, Ökonomie und Akzeptanz) gibt es erhebliche Veränderungen von Jahr zu Jahr. Aber dies würde es erfordern, sozusagen jährlich ein Update zu machen. Mit all den damit verbundenen Prozessen der Abstimmung ein Unding.

Vor diesem Hintergrund ist ein gute Lösung eine, die drei Bedingungen erfüllen muss:

Wie entsteht Berechenbarkeit der politischen Rahmenbedingungen
Wie findet das Innovationspotential und die schnellen Marktveränderungen Berücksichtigung finden
Wie gelingt es, den notwendigen Kapitalbedarf zu akquirieren,, ohne ständig öffentliche Haushalte oder Privathaushalte weiter zu belasten.

Als eine Art Mantra wird ja dabei inzwischen die Repolitisierung der Energieversorgung gefeiert. Energie in Bürgerhand und Rückkauf der Netze gilt vielen Aktiven als „die Lösung“ aller Probleme.

1) Ja, man gewinnt dadurch Unterstützer in der Bürgerschaft, wenn Windparks von Bürgergenossenschaften betrieben werden. Aber im Grunde ist das ein Geschäft zugunsten der Allgemeinheit. Die Einspeisevergütung zahlen die Verbraucher, den Reibach machen die Investoren, auch wenn es brave ökologische Bürger sind. Das kann man netter formulieren, anders wird es dadurch auch nicht. Zudem ist es unsichtbare Umverteilung von unten nach oben. Kann man wollen, sollte man aber auch sagen, dass man das akzeptiert, sonst ist es gelogen.

2) Das viel schwierigere Argument, weil es auch für die ganzen Netzrückkäufe gilt: Wer nur darauf setzt, dass dezentral gut ist, verkennt, dass er, wenn er den Rahmen ändern will, zum Beispiel bei Einspeisevergütungen oder bei Netzregulierungen, auf einmal die Bürger und Genossenschaften gegen sich hat. Da der Erfolg der Energiewende auch von der Geschwindigkeit abhängt, birgt die „klein ist immer smart“ Lösung auch Gefahren. Manchmal kann „smart“ auch zu ganz unsmarten Blockaden führen.

Und aus Sicht der handelnden Kommunen wird am besten anhand des konkreten Falls entschieden, was die bessere Lösung ist. Unternehmerische Kompetenz und Freiheit sind unabdingbare Voraussetzungen. Also: Handlungsfähigkeit ist auch ein positives Merkmal von Strukturen.

Was also sind Grundvoraussetzungen für ein resistentes und effektives Energiewendemanagement?

Ein klarer und berechenbarer Ordnungsrahmen: Je weniger Prinzipien den Rahmen definieren, desto besser. Wer einmal die sehr kompetenten Überlegungen von Matthes, Öko-Institut zur Revision des EEG gehört hat, erhält eine Ahnung von der Komplexität des Prozesses. Aber es könnte auch sein, dass die Komplexität des Modells zu groß ist.

Ein belastbarer politischer Konsens: Wenn sich Politik weiter streitet wie die Kesselflicker, wenn sich kein Backbone des Vertrauens zwischen den Entscheidern aufbaut, kann das Ganze, und das wird dann teuer und ökologisch verheerend, den Bach runter gehen.

Rückblick: Ausstieg aus der Atomenergie, die Jahrtausendwende. Warum hat das damals geklappt? Weil es einen Konsens zwischen vier großen Energiekonzernchefs und Schröder gab, erst geübt in Niedersachsen, später in Berlin. Und weil dieser Bundeskanzler und seine rotgrüne Regierung über Energieagenturen, Aktivisten, kritische Wissenschaftler halbwegs ähnliche Vorstellungen hatte. Das war ein historisches Fenster, das genutzt wurde. Die schwarzgelbe Bundesregierung hat das wieder rückgängig gemacht, ein ähnliches Hüh und Hott sollte sich nciht wiederholen.

Was die Energiewende noch benötigt, ist eine Rollenbeschreibung für die einzelnen Akteure. Große EVUs sind ja inzwischen die Punching Balls der politischen Diskussion. Das haben sie sich zum Großteil selbst zuzuschreiben, weil sie über oftmals überhebliches Auftreten, fragwürdige Geschäftsmodelle, Expansionen ins Ausland, die der deutsche Steuerzahler berappt hat, zum Teil geringe Investitionen ins Netz, Unfähigkeit zur Entscheidung sich blindsehend in diese Rolle begeben haben.

Aber wenn es nicht gelingt, den Großunternehmen, seien es Vattenfall, RWE mit starken kommunalen Bezügen in die Kommunalpolitik und EnBW als Quasi-Staatsunternehmen eine Rollenbeschreibung mitzugeben (oder alternativ zu entscheiden, lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende) und den Unternehmen dann den Raum zu geben, diese Rolle auch auszufüllen, wird es noch Hauen und Stecken geben. Mag sein, dass die Großunternehmen der Energiewirtschaft schwerfällig sind, aber schwerfällig heißt auch, viele Arbeitsplätze. Und die Arbeitsplatzinhaber und ihre Organisationen werden sich entsprechend zur Wehr setzen.

Das vielzitierte Quotenmodell scheint vor diesem Hintergrund ein Modell, das vorrangig den EVUs wieder eine Rolle zuweist.

Die immer wieder angeführte „Rettungsstrategie“, Unternehmen in öffentlicher Verantwortung oder Genossenschaften, sind übrigens Scheinlösungen. Sie funktionieren nur dann, wenn sich Politik tatsächlich heraushalten würde. Aber es besteht die Gefahr, dass Kommunen ihre Versorger nicht als Melkkuh für öffentlichen Kassen, als Entsorgungsstation für ausgediente Politiker und als Garant für niedrige Preise betrachten. Schwer vorstellbar, dass die Netze das neben den notwendigen Investionen abwerfen werden. Dasselbe gilt auch für Genossenschaften, die heute die Gemeinnützigkeit und das Versprechen auf niedrige Preise einpreisen, mit den Geldgebern aber nicht ganz nüchtern die Renditeerwartungen diskutieren und so in die Gefahr laufen, ebenso unterzuinvestieren. ……

Und das sind die Schlußfolgerungen

Und also sollte man sich auf ein Framework für eine Energiewendestrategie verständigen, in der jeder der Beteiligten ein Stück weit von der Vorstellung Abstand nimmt, er hätte den Stein der Weisen gefunden. Das gilt auch, jetzt komme ich, lieber Michael, zur von Dir hitzig geführten On- und Offshore-Debatte. Resilienz ist gefragt, Robustheit, deshalb hat Offshore seinen Stellenwert.

Die Verzögerungen, darauf wollte ich hinaus, sind Verzögerungen, die sich auch aufgrund der Tiefseeproblematik, der Anschlußproblematik und weiterer Auflagen ergeben. Und dass es schlicht komplexer ist, so ein Ding ins Laufen zu bringen. In dieser Situation würde ich, wie Agora Energiewende übrigens auch, dafür plädieren, die Zeitpläne zu entzerren, also Druck rauszunehmen. Das Risiko, gleich alles zu stoppen, halte ich für zu groß. Schließlich weiß man nicht, welche dezentralen Ideen, Smartgrids, Onshore, etc. bis wann und gegen welche Widerstände und unter welchen Bedingungen zum Tragen kommen. Wenn, und das hat dieser Beitrag schön beleuchtet, bei den Offshore-Betreibern (das ist übrigens auch bei den Biomasse-Unternehmern so), das Gefühl aufkommt, sie, die noch vor kurzem gefeierten Helden, wären die bösen Buben, tut man sich damit keinen Gefallen. Es geht darum, eine gesellschaftliche Strategie für eine der wesentlichen Infrastrukturfragen Deutschlands zu etablieren. Es ist eine Strategie, in der es keine zentrale Institution gibt, Bundesregierung hat zu kurze Laufzeit, das Bund-Länder-Thema neigt zu Blockaden, die Bevölkerung auch. Die Industrie weiß noch nicht, wo sie investieren kann.

Und noch eine Nebenbemerkung: Es gibt eine Menge Geld, das investiert werden kann, die Versicherungskonzerne sind beispielsweise darauf angewiesen, neue, langfristig sichere Anlageformen zu finden, wenn durch die staatliche Niedrigzinspolitik der Kapitalstock aufgefressen wird. Aber dazu braucht es Vertrauen in die Verlässlichkeit der Politik, die momentan knappste Ressource.

Also: Für diese Strategie braucht es eine verlässliche Roadmap. Und verantwortlich handelnde Akteure. Das ist nicht ganz einfach. Und jede Art von Polemik ist da fehl am Platz. Und man sollte sich Optionen offen halten, auch wenn man sich manche Dinge anders wünscht, dezentral zum Beispiel.

Mit besten Sonntagsgrüßen

Nikolaus

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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