Die Politik und das Netz

EIN PAAR ANREGUNGEN, DIE POLITIK UND IHRE KOMMUNIKATION NEU ZU ARRANGIEREN.

“Durch diese hohle Gasse wird er kommen” (Friedrich Schiller: Wilhelm Tell).
Die Bewegungsspielräume der Politik werden immer enger. Der Lärm und Zorn derer, die an der Seite stehen und ihnen dabei zusehen, wird immer lauter. Und trotzdem findet das alles in einem Nebental statt. Die meisten Bürgerinnen und Bürger interessiert es nicht.

DIE HOHLE GASSE: DER ENGER WERDENDE SPIELRAUM DER POLITIK.

Nach dreißig Jahren grundsätzlicher Weichenstellung ist klar: Energiewende muss sein, Ehen halten nicht auf ewig. Auch Frauen können denken. Und Basta ist nicht mehr.

Die Richtung ist klar. Aber wird das Richtige auch richtig gemacht?

Nationale Politik verfügt über Deutungshoheit. Aber der Veränderungsdruck kommt von außen: Clash of Cultures, Wettstreit der politischen Systeme, Wettstreit der Regionen, Kampf um den Platz an der Sonne. Und der Wasserspiegel steigt.

Die Selbstgewissheit des Westens:

Die Werte des Westens sind mit NSA dahin. Technologisch ist mehr machbar als wir uns je zu albträumen trauten. Und die Politiker Europas: Verstecken sich hinter den USA. Snowden zeigt: Haltung ist Mangelware. Die Werte des Westens verlieren an Glaubwürdigkeit. Vor aller Welt.

Politik wird alternativloser, die finanziellen Mittel der Politik werden begrenzter. Die Ebenen der Politik werden zahlreicher.

Und global lässt sich nichts erzwingen. Geduld ist gefragt. Es bedarf des Einverständnisses, von Gesprächen und Verhandlungen. Chairos, der richtige Augenblick.

DIE AN DER BÖSCHUNG STEHEN: POLITIKBEOBACHTER, BÜRGER, BLOGGER, PARTIZIPIENTEN.

Nie war es, das haben die Piraten gezeigt, einfacher, eine Meinung zu äußern als heute. Aber wie aus Meinung Politik wird, das ist die andere Piratenbotschaft, bleibt weitgehend unklar.

Das Web als Unmutmaschine.

Die Frage ist, ob aus dem Unmut Widerstand wird oder ob er erfolglos gegen die Institutionen der Politik anbrandet. Das Web ist somit eine Art Lackmusstest für die Haltbarkeit des gesellschaftlichen Ganzen und der politischen Willensbildung geworden.

Das Web als Garten Eden der Ideen.
Die andere Perspektive: Das Web als Peripherie. Der Hort des Neuen. Die Provinz der Träume, Ideale, Alternativen, der neuen Ideen. Der noch nicht realisierten Ideen, des Sandkastens der Möglichkeiten. Was heute irreal ist, kann morgen schon höchst relevant sein. Was heute“spinnert“ klingt, kann morgen Welt 2.0 sein. Wenn es, was niemals leichter war als heute, Verbreitung findet, Unterstützung. Lokal, National, global. Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Aber zuvor liegen lange Jahre, in der genau diese Idee als völlig absurd weggeschoben wird.

Mehr Partizipation ist mehr Klassenherrschaft.
Die herrschende soziale Klasse, das linksalternative, sozialwissenschaftliche Bürgertum organisiert, Stand heute, Stand Deutschland, den Widerstand gegen sich selbst. Partizipation ist Klassenherrschaft, weil es für die Teilnahme eines elaborierten Codes, sprachlicher Artikulationsfähigkeit, der Auseinandersetzungsfähigkeit mit sozial- und politikwissenschaftlichen Konzepten bedarf. Und des Sitzfleisches und der Motivation, dieses auch zu nutzen.

So werden Netz, Partizipation zu dauernden Begleiterscheinungen der Politik. Sie branden auf und klingen ab, nach eigenen Regeln. Sie verzögern, aber über den Preis spricht niemand. „Mehr Politik wagen!“ ist vielfach „Mehr Widerstand oder Mehr Egoismus wagen“ geworden.

Oder?

WIE DAS NEUE KOMMT, WISSEN WIR NICHT. ABER WIR SOLLTEN DARAUF VORBEREITET SEIN, DASS ES KOMMT.

Das Neue: Neue Technologien. Neue Möglichkeiten. Neue Welten.

Zum Beispiel Gesundheit: Im Fluß neu entstehenden Wissens sind Laien oft die neuen Experten. Weil sie betroffen sind. Wie reagieren die Profis auf Augenhöhe?

Zum Beispiel Verführungswelten. Wir, die „Politischen“, warnen vor dem Auseinanderfallen des Sozialen, des Zusammenhalts, kritisieren die Individualisierung (werblicher und kommunikativer) Wirklichkeiten. Aber auch unsere Wirklichkeiten sind hochspezifisch. Nur: Wir sind es gewohnt. Und haben es vergessen. Denken wir tatsächlich mit den richtigen Begriffen, angemessen?

Zum Beispiel Sichtbarkeit: Wenn Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken, sind wir via Fernsehen mittendrin. Die Überlebenden sind Anklagen vor unseren Augen. Mediale Sichtbarkeit bildet neue Landkarten der Empathie. Wir leiden mit dem afrikanischen Flüchtling, wärend wir den Bettler vor unserer Haustüre übersehen.

Zum Beispiel Internet der Dinge: Was Marx über die Organisierbarkeit der Arbeiterklasse gedacht hat, ist in Zeiten globaler Produktionszusammenhänge hinfällig. Solange in Bangladesh keine Textilfabrik in sich zusammenfällt. Wenn sie das tut, ist Betroffenheit die Folge. In der nachfolgenden Welle inszenierten Aktionismus werden Scheinaktivitäten gestartet und echte. Was wie weit trägt, wird sich herausstellen.

Und trotzdem entsteht anderes: Neue Manufakturen, auch bei uns, weil Menschen das tun wollen, was sie tun. Weil Menschen das nicht dort tun wollen, wo wir, wo Politik, wo Gesellschaft sie sieht. Verändert Euren Fokus! Replace your Ideas, Pictures & Terms.

NEUER WEIN IN ALTEN SCHLÄUCHEN. ALTE BEGRIFFE UND NEUE WIRKLICHKEITEN.

Wie ändert sich Welt? Indem sie sich ändert. Lautlos, langsam, manchmal sprunghaft, nicht zwangsläufig wahrgenommen.

Solange sie in alten Begriffen rezipiert, in alten Welten gedacht wird.

Datenschutz und informationelle Datensicherheit zum Beispiel. Während Europa, oder sagen wir Deutschland, in alten Begriffen weint, entstehen in den USA neue Wirklichkeiten. Informationelle Selbstbestimmung, begriffen als Idee, die Autonomie über sich selbst zu haben, wirken wie Don Quiquote und Sancho Pansa, die sich zum Kampf gegen die Windmühlen rüsten.

Never mind!

Oder das Proskudesbett juristischer Scheinwirklichkeiten. Wie verändern sich scheinbar überzeitliche Ordnungen juristischer Begriffsbildung? Werden nationale Geflechte normative Ordnungen zu einer Art neuer Dschungel? Hauptsache, man kommt durch! Ergeben sich neue Bahnen? Wer hilft uns, einen Weg zu bahnen? Müssen normative Setzungen immer das Bremserhäuschen besetzen? Oder helfen sie bei der Orientierung , weil sie Weg weisen, zu Lösungen beitragen.

Wenn alles fließt, geht es darum, für die nächsten Schritte im Strom Halt zu finden. Alles andere wird sich zeigen müssen.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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