Silvia Löhrmann hat Recht, wenn sie ein Primat der Inhalte fordert. Und sie hat Unrecht, wenn sie grüne Inhalte in Reinform will, die künftig die Grundlage grüner Koalitionsverhandlungen bilden sollen.
Das kommt so: Wer bei den Grünen ein Primat der Inhalte fordert, erhält 100 Prozent Zustimmung. Das ist zwar per se nicht schlecht, aber im einer Situation, in der Grüne ihre Rolle in der aktuellen Gesellschaft neu bestimmen müssen, zu wenig. Weil grüne Grundsätze im Reinform für viele nicht Prioritätensetzung für vier Jahre, sondern, wie bisher, ein immer wieder neues grünes Grundsatzprogramm bedeuten.
Es bedeutet Friedensschluss nach innen und Verlust der Anschlussfähigkeit nach aussen. Und damit Zurückfallen in die Bedeutungslosigkeit.
Die Alternative: Zu bilanzieren, was wir erreicht haben. Und zu erkennen, was jetzt zu tun ist.
Als Agendasetter haben die Grünen haben in den vergangenen dreißig Jahren ganze Arbeit geleistet. Gleichberechtigung der Geschlechter, Gleichstellung der Lebensformen, Demokratie von unten, Verantwortung für das Klima, die Ressourcen der Welt waren vor dreißig Jahren grüne Alleinstellungsmerkmale.
Und heute Allgemeinplätze. Die anderen Parteien haben weitgehend nachgezogen.
Wenn alle in dieselbe Richtung wollen, kommt es darauf an, wer es am besten macht. Also nicht nur, das Richtige zu tun. Sondern es richtig zu tun.
Und richtig, das heisst nicht, möglichst schnell oder möglichst radikal (das ist etwas für 3-8 Prozent Parteien), sondern möglichst gut, also mit intelligentem Blick auf die finanziellen und ideellen Ressourcen dieser Gesellschaft. Mit Blick darauf, immer mehr Menschen dafür zu gewinnen, an einem besseren Morgen mitzuarbeiten. Und auch mit einem Blick darauf, die schöpferische Zerstörung des Kapitalismus zuu nutzen, den Rahmen politisch intelligent zu setzen. Um nicht durch ein Gestrüpp von Förderrichtlinien die bessere Idee durch die besser geförderte Idee zu verdrängen.
Und richtig, das heisst nicht, der Politik und der öffentlichen Hand immer mehr Aufgaben zu übereignen, sondern darüber zu reden, wie, auch in sozial schwierigen Städten und Regionen, ein funktionierendes und lebendiges Gemeinwesen gesichert und wiederhergestellt werden kann.
Es heisst dann auch, Xairos, den richtigen Augenblick zu nutzen. Zum Beispiel, indem wir, statt weiter an Gesamtschulen festzuhalten, die Gemeinschaftsschulen dort einführt, wo sie die Unterstützung der Bevölkerung hat, weil es eben auch um Wohnortnähe geht. Da hat Sylvia Löhrmann Recht. Weil sie auch auch eine gute Politik macht.
Weil es die Tat ist es, die zählt.
In Hamburg hatten wir Lehrgeld bezahlt, NRW und Baden-Württemberg machen es schulpolitisch besser. Wa nicht heisst, dass sie es zur allgemeinen Zufriedenheit machen. Auch wir lernen erst, wie es richtig zu tun ist. Wenn wir hinsehen.
Es ist, auch bei einer Programmpartei, nicht das Papier, das zählt. Sondern die Dinge, die wir aus unseren Ideen innerhalb vier Jahren zur Zufriedenheit aller umsetzen können.
An den Gedanken muss sich die Programm- und Konzeptionspartei GRÜNE erst noch gewöhnen.
Und vor diesem Hintergrund werden wir uns in den nächsten vier Jahren weiter darüber ärgern müssen, dass XAIROS, der rechte Augenblick, für die richtige Fortschreibung der Energiewende jetzt, wo EEG, Strompreise und leerlaufender Zertifikatshandel aufeinanderkrachen, verstreicht, ohne dass Grüne hier eingreifen können.
Selber schuld. Diesmal. Beim nächsten Mal machen wir es besser.
Der Beitrag von Fremde Federn: Sylvia Löhrmann aus der Südddeutschen vom 4.11.2013 (mehr …)