Ich, Nikolaus Huss, in der Wolle gefärbter Grüner, mit der Hoffnung, eine starke grüne Regierungsbeteiligung würde Deutschland besser machen, plädiere, obwohl ich ihn natürlich nicht wählen würde, für Markus Söder als CDU/CSU Kanzlerkandidaten. Und ich will das auch begründen:
- Ein lascher Laschet ist eine Wohltat für seine politische Gegner. Wenn ein deutscher Kanzlerkandidat antritt und angesichts der Herausforderung Söder die politbauernschlaue Parole, ich bin der bessere Europäer, aus dem Hut zaubert, dann ahne ich schon, wer der Adressat ist. Und was die Wirkung sein soll: Der Funktionär soll ihn unterstützen, die Berliner Blase soll sich in ihrem ach so gut eingerichtetem Nest Politik wohlfühlen, ihre wohlfeinen Debatten “welche Ziele hätten sie noch gerne” weiterführen und von Hochgefühl der eigenen Bedeutung getragen, sanft in die Regierungsämter gehoben werden.
- Ich will, dass ein Wahlkampf ein rhetorischer und inhaltlicher Kampf wird, in dem sich Bürgerinnen und Bürger selber Gedanken machen müssen,
- wie viel ihnen die ökologische Frage in Abwägung zum eigenen Wohlergehen und dem eigenen Wohlstand wert ist
- Wie viel Europa sie haben wollen und unwieweit sie zum Wohle Europas darauf verzichten möchten, Deutschland stark zu machen
- nicht ob, das hat Söder schon verstanden, sondern wie Deutschland Europa stark, durchsetzungsfähig gegenüber den anderen europäischen Ländern und wie Deutschland mit den anderen europäischen Ländern gemeinsam gegenüber China, Russland und den USA wettbewerbs-, verhandlungs- und durchsetzungsfähig ist.
- Was Politik in einer objektiv neoliberalen, weil offenen Welt, in der es keine Weltregierung, keine Gerechtigkeit, keinen Schiedsrichter, sondern nur die Abwägung eigener Interessen mit den Interessen dritter (und dem übergeordneten ganzen Interesse) gibt.
- Ich will eine starke schwarzgrüne Regierung. Weil eine Regierung die von Söder und mit Grünen geführt wird, zuvor die Auseinandersetzung geführt hat, auf welchen Wegen Deutschland seinen Wohlstand und Weg gegenüber anderen Ländern verteidigen und gleichzeitig einen Beitrag zur Lösung der ökologischen und globalen Herausforderungen leisten kann.
- Ich will einen Wahlkampf, der es nicht den Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern einfach macht, denn der und die Abgeordnete badet gerne lau, sondern der die Bürgerinnen und Bürger durch den richtigen Schuß Populismus die Fragen so herunterbricht, dass sie ihn erreichen und es ihn vom Sitz reißt, er das Gefühl hat, wählen gehen zu müssen, weil es um etwas geht, weil es um seine Stimme geht. Und der und die nicht schon wegdämmert im Wahlkampf, weil es ohnehin ahnt, dass es eine schwarzgrüne Regierung geben wird, dass Talkshows immerzu freundlich sind, weil sich alle schon auf eine schwarzgrüne Regierung eingestellt haben und sich gegenseitig nicht wehtun wollen. Aber die Debatten deswegen auf einem Niveau geführt werden, die vielleicht die Berliner Journalistenblase versteht, aber der und die Bürgerin schon längst nicht mehr.
- Ich will einen Wahlkampf, der die junge Grünengeneration, die sich noch immer als Kämpfer, Avantgarde, Vordenker und Elite empfinden, die aber oftmals die papiererne Wirklichkeit aus biographischen Gründen mit der rauen gesellschaftlichen Realität verwechseln, die denken, wer die Frage stellt, ob wir mehr Wohlstand wollen oder mehr Klimarettung, der spiele die Fragen gegeneinander aus (in Wirklichkeit wägt er sie nur gegeneinander ab), dass diese Generation der wissenschaftgläubigen, gutachtenbesessen, Umbaukonzeptfixierten Politikergeneration, die längst zum Vorbild auch der Politiker und Politikerinnen anderer Parteien geworden sind, gezwungen sind, sich der Frage zu stellen, was sie denn jetzt wirklich wollen. Und wann sie es wollen. Und worauf sie zu verzichten bereit sind.
- Wenn ich als Grüner für einen Söder als President plädiere, dann ist das auch eine Wette auf die Zukunft. Markus Söder bringt dafür folgende Eigenschaften mit, die ich an ihm schätze
- Mut. Wer sich innerhalb der Partei bereits einmal gegenüber den Altvorderen durchgesetzt hat und auf seine eigene Stärke, seine selbst hergestellte Macht vertraut hat, der keiner Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen ist und alle Auseinandersetzungen gewonnen hat, der hat meine Anerkennung.
- Bereitschaft, die Dinge aus der aktuell eingenommenen Position zu betrachten. Markus Söder hat nur wenig Überzeugungen. Dafür aber politischen Instinkt und die Fähigkeit, Dinge gegeneinander abzuwägen. Diese kommunikative Stärke, diese Fähigkeit, Konflikte als Konflikte zu benennen und trotzdem nach einer Lösung zu suchen, macht Politk zu dem, was sie ist: Eine Auseinandersetzung um die grundsätzlichen Fragen.
- Administrative Erfahrung. Die bayerische Staatskanzlei ist, seit langem, ein gut organisierter Machtapperat. Wenn Söder mit dieser Erfahrung nach Berlin kommt, ist zu hoffen, dass sich die Frage, ob starker oder schwacher Staat obsolet ist (Söder steht für einen starken Staat), es geht um die Frage, wofür wir einen starken Staat brauchen: Für mehr investive Vorsorge oder für mehr soziale Gerechtigkeit. (Und nachdem sich Grüne um diese Frage drücken, sondern sie so beantworten, dass “nur wenn die ökologische Frage auch sozial gerecht ist, wir sie lösen können”. Nein, manchmal müssen wir auch die eine Frage, vorrangig die ökologische Frage lösen wollen, ohne dass wir bereits von Anfang an eine Lösung für die soziale Frage präsentieren können. Der Staat kann nicht alle retten.
- Söder hat sich, und das meine ich anerkennen, seinen Aufstieg selbst erkämpft. Das meine ich anerkennend. Und damit ist er ein Vorbild für eine Gesellschaft, die sich selbst eine Chancengesellschaft betrachtet. Deutschland muss den Menschen, die sich engagieren wollen, eine Chance zum Aufstieg geben, egal, welchen HIntergrund sie haben. Das Verhalten Söders in Sachen Frauenquote zeigt, dass Söder kein dumpfer Rechter ist, sondern über Wahrnehmung verfügt, welche Fragen aktuell auf der Tagesordnung steht. Und er ist bereit, diese Frage auch ernst zu nehmen. Ernster jedenfalls als das Papier von Parteiprogrammen.
- Ja, es kann auch schief gehen mit einem Markus Söder, der, an die Macht gekommen, vor lauter Kraft nicht laufen kann. Aber ich hoffe, da ist die Erfahrung der CSU vor, schon so oft an den Toren des Kanzleramts gerüttelt zu haben. Und gescheitert zu sein.
- Nach einer Ära Angela Merkel, die die kraftmeiernden Schröders, Fischer und Schily abgelöst haben, ist der Wechsel des Führungsstils ein dringendes Anliegen. Bürgerinnen und Bürger wollen wieder Vertrauen in Führungsfiguren fassen können. Und das geht jetzt nicht mehr mit der Raute und dem “Sie kennen mich”, sondern mit klaren Ansagen und scharfen Debattten.
Wenn sich CDUCSU und Grüne nach der Wahl dann doch treffen und gemeinsam eine Regierung bilden müssen, dann formt sich diese, ohne Illusionen, aber klaren Ansagen, mit Eindeutigkeit, was in den nächsten 4 Jahren zu machen ist, und wie es zu machen ist. Mehr nicht.
Und das ist auch gut so. Politik ist keine Religion!