Anmerkungen zu linksgrüner Weltwahrnehmung

Was ist heute noch links? Eine ernst gemeinte Frage. Und warum hilft es nicht, den Untergang der Welt zu beschwören. Auch Fünf vor Zwölf Rhetorik kann sich abnutzen, wenn längst fünf nach Zwölf ist. Und immer noch alles steht. Sich ein ganzes Wochenende auf einen grünlinken Wirtschaftskongress zu setzen, bedeutet zwar, unter lauter netten Menschen zu sein. Die mentale Ausbeute aber, finde ich, ist ziemlich gering. Ein paar Anmerkungen zur Reichweitenbestimmung linksbürgerlicher Politik mit Radikalgestus.

1) Die Beschwörung des politischen Feindes ist das zentrale Instrument linker Grüner, um sich vor der Frage zu drücken, wie man tatsächlich etwas verändert. Und nicht nur schöne Papier schreibt. 

2) Was auch vermieden wird, ist eine ehrliche Debatte darüber, was grüne Regierungsbeteiligung tatsächlich ändert. Tatsache: Auch grünes Regierungshandeln kann nur einige Korrekturen vornehmen, Akzente setzen, etc. Und: Rotgrün eins war die Umsetzung eines epochalen Prozesses. Jede nächste Regierung wird demgegenüber nur marginale Akzente setzen können.

3) Wie sehen linke Grüne die Instrumentenfrage: Es geht immer um die Mobilisierung von Opposition, Widerstand, Partizipation, von Unten, von Aussen (insbesondere gegen die Industrie). Darin liegt der entscheidende Irrtum linker Grüner. Die Stärke der Grünen liegt darin, aus der Mitte der Gesellschaft zu agieren. Grüne können diejenigen gewinnen, die die Gesellschaft mit verändern zu wollen, die das westliche Demokratie und wettbewerbliche Ökonomiemodell wieder attraktiv machen wollen. Das bedeutet gerade den Verzicht aus dieses pseudolinke Gerede. 

4) Im Klartext: Es war eine historisch einmalige Situation, als Generation Grün den Marsch durch die Institutionen zu machen, ins Zentrum der Macht zu gelangen. Jetzt sind die Grünen dort und sollten nicht mehr so tun, als ob wir die außerparlamentarische Opposition sind.

4) Wer linken Grünen zuhört, beobachtet immer eines: Ständig werden neue Themen entdeckt, die dringend geändert werden müssen. Die Umweltfrage, die Energiefrage, die Demokratiefrage, die Soziale Frage, die Rentenfrage. Die Folge: Da die Grünen als säkulare Partei nicht an eierlegende Wollmilchsäue glauben, wird immer wieder ein Bild der Ohnmacht erzeugt. Es wäre es an der Zeit, programmatisch abzuspecken. Die Welt ändert sich nur langsam. Und mit ihr das Bild von der Welt.

5) Die Schlüsselfrage: Wohin bewegt sich die Welt. Welche Spielräume hat der Westen und Europa. Wie geht der Westen mit dem Machtverlust um. Was heisst das für die Wohlstandsfrage. Wie kann Kraft für die vor uns liegende Phase schwindender Ressourcen und schwindender Spielräume gewonnen werden? Wie gehen wir damit um, dass die Wohlstandsblase für Deutschland, Europa, den  Westen tendenziell platzt. 

6) Meine Schlussfolgerung: Erst, wenn grüne Politik die Verliebtheit in ihre Konzepte aufgibt und Kraft aus der wachen Mitte der Gesellschaft mobilisiert, kann sie mit neuer Kraft in eine zweite Phase, die Mühen der Ebenen zu sammeln. Sonst wird sie ein Reservoire linksintellektueller und staats- und bewegungsgläubiger Bildungsbürger. Kraftvolle Politik sieht anders aus.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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