Antieuropäischer Geist ist auch antinational. Er ist schlicht egoistisch

Wie ist Griechenland zu retten? Wir wissen es nicht. Meine These war immer, es fehle an der Haltung. Ein Grieche kann zu Europa schon deshalb keine Haltung haben, weil er auch keine Haltung gegenüber Griechenland hat. Er ist schlicht verschlampter Egoist. Oder formulieren wir es positiv: Er traut dem Ganzen nicht. Beleg: Die Steuerehrlichkeit. Wenn in einem Land 90% keine Steuern zahlen, dann ist es kein Wunder, wenn niemand einem anderen traut. Das ist friedliche Anarchie.

Erst, wenn sich das Land selber einen Ruck gibt, wird sich das ändern, vorher ist alles Geld vergebens. Deswegen ist die Austeritätspolitik Merkels richtig; bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Land den Schalter umlegt. ….


Hier der Beitrag aus dem Handelsblatt:

Im Visier der Steuerfahnder

Wenn alle Griechen ehrlich Steuern zahlten, hätte das Land kein Finanzproblem. Steuerfahnder legen sich ins Zeug. Den Sündern drohen drakonische Strafen.

Gerd Höhler | Athen | Mittwoch, 23. Oktober 2013, 20:00 Uhr

Den griechischen Steuerfahndern sind einige dicke Fische ins Netz gegangen. In zwei Fällen gibt es pikante politische Verbindungen, nach Linksaußen und zur extremen Rechten. Ein Schönheitschirurg, der Einnahmen von 2,3 Millionen Euro vor dem Finanzamt versteckte, zwei Rechtsanwälte, die Honorare von je rund einer Million nicht deklarierten und ein bekannter Popstar, der dem Fiskus Einnahmen von 2,8 Millionen Euro verschwieg – das sind nur die spektakulärsten Fälle, die griechische Finanz-Fahnder in den vergangenen Wochen aufdeckten.

Die grassierende Steuerhinterziehung ist eine der Hauptursachen für die chronische Schuldenkrise des Landes. Fachleute rechnen vor: Wenn alle Griechen ehrlich ihre Steuern zahlen würden, hätte das Land überhaupt kein Finanzproblem.

Finanzminister Giannis Stournaras setzt auf drakonische Strafen. 600 Menschen seien in seiner Amtszeit bereits ins Gefängnis gewandert, weil sie Steuerschulden nicht bezahlt haben, sagte Stournaras kürzlich dem Handelsblatt. „Das ist nicht sehr schön, aber wir mussten es machen“, so der Minister.

Galt Steuerhinterziehung früher auch vor Gericht oft als Kavaliersdelikt, zieht die Justiz jetzt andere Saiten auf: Vergangene Woche wurden erstmals in Griechenland drei Steuersünder zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten sich mit gefälschten Rechnungen Mehrwertsteuer-Erstattungen von 840.000 Euro erschlichen.

Doch bevor man die Steuersünder verurteilen kann, muss man sie erst einmal stellen. Daran haperte es bisher. Immerhin: Der Druck wächst. Eine Sommerpause gönnten sich die Steuerfahnder dieses Jahr nicht. Während der Ferienzeit mischten sich die als Touristen getarnten Finanzpolizisten unter die Urlauber, besuchten Tavernen, Bars und Andenkenläden. Wenn sie genug gesehen hatte, zückten sie ihre Dienstausweise.

Tausende Stichproben führten die Fahnder in den Feriengebieten durch, mit erschütternden Ergebnissen: Bei 1256 Kontrollen stellten die Beamten allein in der ersten Augusthälfte 5668 Steuerverstöße fest. Spitzenreiter bei der Steuerhinterziehung waren die Inseln Amorgos, Paxoi und Symi, auf denen es buchstäblich in allen überprüften Betrieben Beanstandungen gab. Der Grund könnte sein, dass es sich um kleine Inseln abseits des Massentourismus handelt, auf denen sich die Geschäftsleute vor der Steuerfahndung sicher glaubten. Aber auch auf Rhodos und der Schickeria-Insel Mykonos stellten die Fahnder in acht von zehn überprüften Betrieben Verstöße fest. Am ehrlichsten waren die Geschäftsleute auf der nordgriechischen Halbinsel Chalkidiki, wo „nur“ jede dritte Kontrolle Unregelmäßigkeiten ergab.

Häufigste Steuersünde: Die Wirte und Händler „vergessen“, Quittungen auszustellen. Aber auch wo die Registrierkasse scheinbar ordnungsgemäß betätigt wird, geht es mitunter nicht mit rechten Dingen zu. Auf einer bekannten Kykladeninsel stellten die Fahnder einen Bäcker, der für einen Laib Brot zwar 80 Cent kassierte, aber nur Quittungen über zehn Cent ausstellte. Im westgriechischen Preveza zahlte ein Gast in einer Bar fünf Euro für ein Bier, bekam aber nur einen Beleg über fünf Cent.

Nicht nur in der Gastronomie waren die Fahnder aktiv. Parallel zu den Stichproben auf den Ferieninseln führten die Beamten in den Monaten Juli bis September 3180 „gezielte Kontrollen“ durch, wie es in einer Mitteilung des Finanzministeriums heißt.

Dabei stießen die Ermittler in der Hauptstadtprovinz Attika unter anderem auf gefälschte Quittungen im Wert von 40,3 Millionen Euro, mit denen sich 35 Unternehmen Mehrwertsteuer-Erstattungen von über zehn Millionen Euro erschwindelt hatten. Im nordgriechischen Thessaloniki stellte die Steuerfahndung bei 19 Unternehmen Schwarzgeldtransaktionen von insgesamt 19,5 Millionen Euro fest. Der Schaden für den Fiskus: 4,5 Millionen.

Die Behörde zur Verfolgung von Finanzverbrechen (SDOE), wie sich die griechische Steuerfahndung offiziell nennt, ist nicht gerade vom Erfolg verwöhnt. Fachleute schätzen, dass sich die hinterzogenen Steuern und Abgaben auf 40 bis 45 Milliarden Euro im Jahr belaufen.

Zum Vergleich: Die erzielten Steuereinnahmen beliefen sich im vergangenen Jahr auf 52,4 Milliarden Euro. Das würde bedeuten: Auf zehn Euro gezahlte Steuern kommen acht bis neun Euro, die hinterzogen werden. Oder anders gerechnet: Gelänge es dem Finanzminister, nur die in den vergangenen acht Jahren hinterzogenen Steuern einzutreiben, könnte er auf einen Schlag alle Staatsschulden Griechenlands bezahlen.

Bisher lässt der große Durchbruch im Kampf gegen die Steuerhinterziehung allerdings auf sich warten. Mit umso größerem Stolz vermelden die Steuerfahnder, wenn ihnen dicke Fische ins Netz gehen, wie jetzt.

Immer lohnend sind Kontrollen in Arztpraxen. In Chania auf Kreta leiteten die Finanzpolizisten ein Verfahren gegen einen Arzt in, der in den Jahren 2006 bis 2011 rund 6000 Touristen behandelte, ohne Quittungen auszustellen. Die hinterzogene Honorarsumme soll sich auf 875.000 Euro belaufen.

Auch Steuerprüfungen in Anwaltskanzleien versprechen Erfolg. Im Athener Küstenvorort Glyfada stellten die Fahnder einen Juristen, der „vergessen“ hatte, Honorarquittungen über 723.353 Euro auszustellen. Im Stadtteil Agios Dimitrios blieb ein Anwalt Belege für Einnahmen von 1,1 Millionen Euro schuldig.

Politisch brisant sind zwei andere Fälle. Einer betrifft einen Rechtsanwalt, dem die Steuerfahndung vorwirft, ein Honorar von 942.136 Euro nicht versteuert zu haben. Das Geld soll sich auf einem ausländischen Konto befunden haben. Pikant: Der millionenschwere Anwalt ist Parlamentsabgeordneter der radikal-linken Oppositionspartei Syriza.

Griechische Fernsehzuschauer kennen ihn aus zahlreichen Talkshows, wo er gern linke Umverteilungstheorien zum Besten gibt. Er beteuert, erstens seien die Gelder im Rahmen einer Amnestie legal nach Griechenland überwiesen worden und zweitens sei der Fall, der aus dem Jahr 1999 datiere, ohnehin verjährt.

Kein Unbekannter ist den Griechen auch jener Sänger, dem vorgeworfen wird, Einnahmen von 2,8 Millionen Euro nicht versteuert zu haben. Er bestreitet die Vorwürfe und will nicht, dass sein Name im Zusammenhang mit der Affäre öffentlich genannt wird. Weniger Scheu hat der Künstler hinsichtlich seiner politischen Orientierung: Er outete sich kürzlich als Anhänger der Neonazi-Partei Goldene Morgenröte.

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Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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