Asylpolitik. Was tatsächlich verhandelt wird. Und was in der Zeitung steht.

Gestern hatte ich auf dem grünen Freiheitskongress ein Gespräch mit einer Journalistin. Der Name tut nichts zur Sache, es geht mir auch nicht darum, ob die Position richtig oder falsch ist. Es geht mir um die Wahrnehmung des Konfliktes.

Die Argumentation war ungefähr so: Kretschmann hat sich daran beteiligt, das Asylrecht abzuschaffen. Die ausgehandelte Lösung taugt deswegen nichts, weil dem Imagegewinn der Regierungsseite kein entsprechender symbolischer Erfolg der Grünen auf der politischen Bühne gegenüber steht.

Ich sehe das anders: Weil Winfried Kretschmann auf Symbolhandel verzichtet hat, ist es ihm gelungen, eine faktische und wesentliche Verbesserung der Situation von Flüchtlingen zu erreichen.

Bravo Winfried!!

Aber wir wollen noch ein bißchen genauer hinter die Kulissen gucken.

Was ist „Erfolg“?

Ich bin kein Asylexperte. Meine Haltung ist, dass es natürlich ein politisches Asylrecht geben muss, aber die Idee des politischen Asyls mangels 1) schwacher Entscheidungsgrundlagen, 2) operativer Überforderung und 3) der Notwendigkeit, mit der öffentlichen Stimmungslage umzugehen, längst zum Gegenstand von Abwägungsprozessen geworden ist.

Es ist also lediglich eine weitere Abwägung, die hier stattgefunden hat.

Was auf der politischen Bühne in Berlin verhandelt wird, hat konkrete Auswirkungen. Und zwar außerhalb der Berliner Bühne.

Die Lage dort lässt sich wie folgt beschreiben:

Die Asylbewerber werden in Lager gesperrt. Die Residenzpflicht und das Arbeitsverbot führen dazu, dass sie zu Untätigkeit, Langeweile, Übergriffigkeit, illegaler Beschäftigung faktisch verleitet werden. Nun sind darunter auch viele traumatisierte Menschen, natürlicherweise bleiben da Konflikte, auch gewaltsam ausgetragene, nicht aus.

Das ist der reale Nährboden von Fremdenfeindlichkeit.

Nicht die Flüchtlinge als Flüchtlinge, das Einsperren und die Untätigkeit führt dazu, dass Flüchtlinge als „Block“, als Bedrohung, als „fremd“ wahrgenommen werden.

Die Aufnahme der drei Länder in die Liste der „sicheren Herkunftsländer“ führt dazu, dass Roma, die in ihren Ländern nicht politisch verfolgt werden, aber unzweifelhaft diskriminiert werden, weniger Anerkennung finden. Wobei auf dem Verwaltungswege auch bisher nur in 10 Prozent aller Fälle Anerkennung fanden. Faktisch ist der Unterschied also nicht so groß. Dass der Beschluß zu keinen großen Entlastungen führen wird, auch da sind sich Experten einig.

Im Klartext heißt das: Weil Winfried Kretschmann auf Symbolhandel verzichtet hat, ist es ihm gelungen, faktisch eine wesentliche Verbesserung der Situation zu erreichen.

Das ist großartig, weil sich von Symbolen niemand etwas kaufen kann.

Warum dann also die Aufregung?

Weil sich Journalisten wie politische Aktivisten auf dem Parkett des politischen Symbolhandels sehr wohl fühlen.

Sie sind die Guten. Auch wenn dadurch faktisch die Lage vor Ort explosiv bleibt oder wieder explosiv werden könnte.

Wir alle sind erstaunt und erleichtert, wie anders die Reaktion der Menschen auf Flüchtlinge ist. Hilfsbereitschaft, ganz praktisches nachbarschaftliches Engagement, das, was in den schönen Debatten immer zivilgesellschaftliches Engagement genannt wird, gibt es tatsächlich. Gut so! Aber Hilfsbereitschaft setzt voraus, dass man vor Ort dem Problem gewachsen sein muss.

Aus meiner Sicht ist das jetzt verabschiedete Gesetz ein Meilenstein, weil die Grundlagen dafür gelegt sind, dass Flüchtlinge aufgenommen werden und von dort eine Lebensperspektive entwickeln können, ohne dass es zu einem Anwachsen der fremdenfeindlichen Stimmung kommen wird.

Der Verzicht auf einen symbolischen Erfolg, der Verzicht auf schöne Überschriften hat dazu geführt, dass verhindert wird, dass sich Flüchtlinge vor Ort zum Problem entwickeln. Politik in ganz praktischer Hinsicht.

Ist das wirklich so schwer zu verstehen?

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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