Augen auf in der Europapolitik. Warum Joschka Fischers „Closer Europe“ in die Irre führt.

Joschka Fischer setzt auf ein europäisches Weiter So. Ein bißchen kommt mir die Argumentation vor wie einst die immer geforderte Anerkennung des Gewaltmonopols des Staates,  das unsereinem vom Old Establishment abverlangt wurde. Erst solle Großbritannien sich dem Primat des „Closer Europe“ unterwerfen. Dann könne man über alles andere reden. Ich glaube nicht, dass das eine adäquate Antwort auf die Zweifel, Verunsicherungen und Verzweiflungen ist, die Viele, die Politik mit etwas Distanz (und dadurch mit einem abgeklärten Verhältnis von Handlung und Resultaten durchs Leben laufen) betrachten, heute pflegen. Und die meisten dieser Zweifler, so mein Eindruck, sind überzeugte Europäer. Nur hat das Europa der Lebenslügen mit dem ursprünglichen europäischen Gedenken nichts mehr zu tun. Es verdoppelt aber das Illusionsspiel nationaler Politik auf transnationaler Ebene.
Die alte Formel eines „Closer Europe“ wird von ganz unterschiedlichen Motiven befeuert. In Deutschland von einem exportgetriebenen Geschäftsmodell, das weiter Wohlstand und Wachstum sichern soll. In den südwesteuropäischen Ländern, um mal den Gegenpol zu benennen, ist es der Wunsch nach weiteren europäischen Geldern, mit denen sich die nationalen politischen Eliten weiter über den realen Zustand hinwegtäuschen mochten.  In Frankreich, das sich durch eine realitätsfremde Agenda selbstreferentiell aus der ökonomischen Umlaufbahn katapultiert hat. In Italien, das seinen ökonomischer Niedergang als überlange Operette mit dem Hauptdarsteller Berlusconi politisch illuminiert hat (und bei dem der Anteil mafiöser Elemente noch nicht abschließend geklärt ist). Oder in Spanien, das sich mittels subventionierender Investitionsmilliarden die schönsten Autobahnen und die überflüssigsten Flughäfen beschert hat, aber keine nachhaltig leistungsfähige Ökonomie, abwägende  oder gar korruptionsfreie Politik entwickelt hat. 
Verblasenes Geld, verfolgend Illusionen, doch darüber reden die Großmeister europäischer Politik nicht. Aber Europa wird nur stärker werden, wenn alle europäischen Länder daran arbeiten, ökonomisch stärker zu werden, innovativer, sich verändern und Mittel finden, den Zusammenhalt in den Ländern und zwischen den Ländern zu gewährleisten. 
Eine Spaßnummer wird das nicht. 
Europa von heute, das heißt vielfach, sonntags vom Friedensprojekt träumen und ab Montag nach Subventionsmilliarden greifen. Dabei könnten Subventionen oder Investionshilfen etwas hilfreiches sein; -wenn sie dazu genutzt würden, die jeweiligen Länder nachhaltig leistungsfähiger zu machen und den sozialen Zusammenhalt und das Engagement der besten Kräfte aus der Gesellschaft zu beflügeln. 
Ich habe aber meine begründeten Zweifel, dass das so ist. Und mir  scheint die Weigerung, differenzierter zu argumentieren, mehr der bezaubernden Schlichtheit des Entweder – Oders geschuldet als der sachlich angemessenen differenzierteren Betrachtung, die längst notwendig wäre. 
Im Entweder – Oder Modus, da bin ich mir sicher, wird Europa scheitern.
Europas Identität wird nicht in einem standardisierten und vereinheitlichten transnationalen Gebilde aufgehen. Denn dazu sind sowohl die jeweilige Ausgangssituation, die unterschiedlichen Governancemodelle und die politischen Stimmungsschwankungen zu verschieden. Rezepte, die für Deutschland passen, passen für Bulgarien, Rumänien, aber auch Frankreich oder Griechenland nicht. Oder nicht zur selben Zeit. Wichtiger als „Closer Europe“ wäre es,im Sinne eines „smarter Europe“ unter den politischen Eliten Europas Klartext reden zu lernen (meinetwegen auch hinter geschlossenen Türen), bei denen auch offen über gemeinsame Schwächen (nicht sachgerechte Basarmentalität), individuelle Hänger im Spannungsfeld von Leistungsfähigkeit, sozialen Zusammenhalt und politischer Good Governance und die Schwächen politischer Konsensbildung in einer Multi-Ebenendemokratie geredet wird. 
Auf einer ehrlichen Selbstwahrnehmung könnte man dann aufbauen.
Was Europa braucht, ist eine gemeinsame Außenpolitik, eine gegenseitige Wahrnehmung, die Bereitschaft, sachgerecht, ziel- und leistungsbezogen zu unterstützen, aber auch genügend Luft, um die Pendel national politischer Meinungsbildung zuzulassen. Die innere Struktur der europäischen Länder wird unterschiedlich bleiben. Und dieses Demokratische, mal vor, mal zurück, kann nicht als Hindernis, sondern nur als konstituierender Kern eines politischen Projektes Europa betrachtet werden. Einheit in der Vielfalt. Und wenn einzelne Länder die ökonomischen Basisfakten nicht zur Kenntnis nehmen wollen, braucht Europa zudem zusätzliche Durchgriffsrechte.
Europa wird wachsen, wenn wir auf die Wahrnehmung der Europäer setzen. Auf nationale Identität und europäische Gemeinsamkeit. Und nicht auf den Deal, rede gut über Europas, dann kommst du auch an die Fleischtöpfe. 
Denn so läuft das Geschäft doch. Oder? 

Joschka Fischer setzt auf ein europäisches Weiter So

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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