Die Washington Post geht an Amazon Gründer Bezos. Das Gute daran: Alle sehen, es kann eine Zukunft des Journalismus geben. Aber dazu können sich die Wege von Verlegern und Journalisten auch trennen. Open your Eyes.
Wie es weiter geht, wissen wir nicht. Ob es ein guter Schritt war, wissen wir nicht. Fest steht, das Bild hat sich geändert. Komplett geändert. Während der Spiegel wahrheitsgemäß über den dramatischen Verfall der deutschen Zeitungslandschaft und die Ratlosigkeit der Verleger berichtet, macht Bezos einen konkreten Schritt: Er kauft eines der renommiertesten Blätter der USA. Ob es der Beginn einer wunderbaren Freundschaft oder das Ende des investigativen Journalismus ist, wird die Zukunft erweisen.
Ja, wir brauchen gute und unabhängige Berichterstattung. Darunter zähle ich: Journalisten, die gründlich recherchieren können und wissen, wie man Stories entwickelt. Verlagshäuser, die ihre Aufgabe mit Engagement erfüllen und sich investigative Journalisten leisten (können). Um Ärger zu machen und zu einer demokratisch verfassten Grundordnung ihren Beitrag zu leisten.
Dazu gehört aber auch: Immer mehr differenzierte Berichterstattung. In einer Zeit, in der sich die Welt kontinuierlich neu erfindet und wahrnimmt, ist diese Differenzierung eine Grundausstattung für ein differenziert streitbares Gemeinwesen. Neue Technologien, die Veränderung der globalen Machtverhältnisse weg vom Westen und hin zu den großen und dynamischen Volkswirtschaften, das Aufstreben anderer Herrschaftsmodelle, bürokratisch autoritäre Regime, mit denen der Wesen im Handel steht, von denen der Westen, siehe China, zum Teil abhängig sind, die immer wieder unverstandene Eskalation eines radikalen Islamismus, dem neuen Feindbild des Westens: Ohne die Reflektion unserer Wahrnehmung geht das demokratische Gemeinwesen vor die Hunde. Ohne fundierte Debatte keine Demokratie. Da hilft alles Partizipationsgetue nichts.
Manche Verleger, so mein subjektiver Eindruck, denken aber noch im kleinen Karo regionaler Tageszeitungen und regionaler Machtmonopole. Aus den Redaktionen mancher weiterhin provinzmonopolen Blätter hört man immer noch die Ansagen der Verleger, die die Welt immer noch in gut und böse einteilen.
Die Macht, Meinung zu machen, haben die Verleger aber schon längst nicht mehr. Sie sind Dienstleister geworden, das muss nichts Schlechtes sein, aber es benötigt eine andere Selbstwahrnehmung. Wo informieren sich junge Menschen? Welches ist die Wertschöpfungskette, die das Produkt, hochwertige Berichterstattung finanziert? Wie definiert sich der Ethos des Berufs neu?
Es gibt keinen Unterschied zwischen einem Verleger, der immer mehr Provinzblätter einsammelt, um über die Economy of Scale den Kostendruck zu mindern und einem Jeff Bezos, der sagt, ja, ich mache das, weil ich journalistische Berichterstattung will, weil ich weiß, dass Demokratie nur mit Debatte und Journalismus funktioniert.
Wir müssen uns von gewohnten Formen lösen, wenn wir über unabhängige Meinungsbildung von morgen nachdenken. Es wird weniger Blätter geben in Zukunft. Und wenn es gut geht, dh. das Dahinsiechen nicht zu lange dauert, bleiben wenige, aber bessere Blätter übrig. Süddeutsche, FAZ, Handelsblatt, Welt, taz, das ist die Bundesliga, um die ist es schade. Ich lebe in Berlin, also kann ich die regionalen Blätter nicht beurteilen, aber alles was ich über regional politische Berichterstattung höre, macht mich nicht glücklich. Und wie sich regionale Öffentlichkeit, also das Leben jenseits der politischen Sprechblasen, definiert, ist noch einmal ein ganz anderes Thema. Vielleicht entsteht da ja mal über regionale Serviceseiten, Kulturberichterstattung etc. lebendige regionale Öffentlichkeit mit Geschäftsmodell. Gut wäre es.
Ach ja, noch eine Beobachtung, was das Thema Journalismus angeht. Wie viel Geld verblasen öffentlich rechtliche Anstalten? Hat irgendjemand schon mal bemerkt, dass in der Debatte über Zukunft des Journalismus diese öffentlich rechtlichen Medien eine Rolle spielen? Sind sie investigativ? Kontrovers? Provokant? Nein, sind sie nicht. Stattdessen totmoderierte Beliebigkeit. Oder so etwas wie öffentlich rechtliche Nachrichtenagenturen.
Eigentlich auch bezeichnend, oder?
Noch viel Stoff in der Debatte um gute Medien. Vielleicht hift eine Erkenntnis: Solange es Menschen gibt, denen Demokratie, also offener Meinungsstreit, wirklich am Herzen liegt, wird sich eine Lösung, ein Geschäftsmodell finden. Wenn alle Erziehungsversuche von Lehrern, alle Zeitungsprojekte in den Schulen und alles andere auch (die Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung natürlich auch) nichts gefruchtet hat, sich keiner aus der jungen Generation im Sinne des Gemeinwohls oder einer differenzierten Meinungsbildung engagiert, ja, dann wäre das der Untergang der Idee des Westens. Den hätte dann allerdings der Westen selbst zu verantworten. Und nicht die Talibans, der radikale Islamismus oder was sonst noch an die Wand gemalt wird als Bedrohung. Wer Demokratie nur als „Brot und Spiele“ betrachtet, die es braucht, damit man seine Geschäfte in Ruhe weiter führen kann, wird die Quittung dafür erhalten. Alle anderen sollten verstehen, dass die Idee einer demokratischen Gesellschaft mit einer wettbewerblich organisierten Ökonomie eine gemeinsame Haltung der Demokraten in den Unternehmern und einer Offenheit der Politik für die Anliegen wettbewerblicher Unternehmen braucht.
Führung mit Haltung. Der Begriff der Elite ist eine Verpflichtung, kein Abzeichen, das man sich selber ans Revers heftet.