Ich will mal, und zwar als grünes Mitglied, meinen Unmut über diese Ampel kundtun. Es ist erbärmlich, was ihr so treibt.
Ich rekapituliere:
Angefangen hat alles ganz vollmundig, als “Fortschrittskoalition”. Nur dass, da hat Christian Lindner recht, Fortschritt immer so gedacht wurde, als ob Fortschritt nur in Form von staatlichen Weisungen, flankiert mit Förderprogrammen, wenn es um Sozialausgaben geht, mit Ausgleichsprogrammen einhergeht.
Und jetzt: Nie war so viel Ernüchterung wie heute!
Frage 1: Was kann Politik wirklich?
Nicht so viel jedenfalls, wie sie vorgibt. Am absurdesten in allen Fragen, in denen Innovation, also die Erfindung von etwas Neuem mitgedacht wird. Als ob Politik denn immer wüsste, wo es lang geht. Als ob politische Willensbildung, Micromanagement zumeist, schnell und wirksam genug ist, um die Herausforderungen von heute zu lösen.
Die anderen forschen dann und brechen das so lange runter, bis sie Produkte haben. Die Chinesen, weil sie endlich wieder zu ihrer alten Größe zurückkommen wollen (und das bisher technologie- und standortpolitisch) erstaunlich gut gemacht haben, die USA, weil sie ihre globale Vormachtstellung halten wollen und eben Menschen und Industrie machen lassen. Derweilen sammeln wir in Europa, getrieben vom deutsch-grünen Großrisiko-Vermeidungsdenken alle Argumente aller, die irgendeinen Einwand haben, Bedenken vortragen können. Überspitzt: Wir wissen, wie es alles nicht gehen kann. Oder mögliche Risiken nicht mitgedacht sind.
Wir wissen das so lange, bis „die anderen“ etwas Neues erfunden und auf den Markt gebracht haben.
Frage 2: Was kann diese Koalition wirklich?
Kommen wir zu den Koalitionsbeteiligten:
Die FDP, auf die ich als Korrektiv zur Staatsfixierung von SPD und der nur mangelhaft durch Marktwirtschaftsfloskeln verkleideten Staatsorientierung der Grünen große Hoffnung gesetzt hatte, zeigt postpubertäres Penälerverhalten. Hauptsache gegen die Robert. Der, was nun ganz meinen Respekt fordert, hat sich das ganze Arbeitsprogramm mit all den Schmerzen verursachenden “Wenden” auf die eigenen Schultern geladen. Mutig, aber wie wir sehen, waren die von Thinktanks vorgedachten Schreibtischideen nicht „politik- und realitätsfolgenabgeschätzt“. FDP und Grüne haben sich also hoffnunglos verkeilt. Konstruktiv geht anders.
Die SPD bleibt die SPD. Umverteilung wird geräuschlos, im großen Maßstab, administriert. Der Staat wird es richten. Und dann noch ein Kanzler, der beschlossen hat, einfach gar nichts zu sagen. Oder Bildzeitungssätze, die, John Wayne lässt grüßen, ganz schön schief sind.
Man könnte sagen, drei Regierungsideen in einer Regierung. Und weil keiner der Kombattanten mehr über seinen parteipolitischen Rand hinaus wahrnehmen kann, streiten sie sich wie die Besenbinder.
Frage 3: Und was bringt die CDUCSU auf die Matte?
Die CDUCSU, um mal auch die Opposition zu Wort kommen zu lassen, ist auch keine Hilfe. Kaum an der Macht, will Merz seine Partei konsolidieren. Ich bin ja sehr gespannt auf das neue Grundsatzprogramm, die “Agenda für Deutschland”, der aktuelle Beschluss der Bundestagsfraktion, bedeutet schlicht, “Weiter so”. Wohlfeile Kritik, Punkt eins: Ein Entlastungspaket für die Mittelschicht. Auch dann wieder nur eine “Wünsch Dir was”-Liste. Als ob der Bürger, die Bürgerin, einfach in einer Multiple Choice-Liste ankreuzen sollte: 10 Punkte: Will ich! Marketing. Der Markenkern: Allen alles versprechen. Und “Wir machen das!“ Für Euch bleibt alles gleich.
Also auch keine Alternative!
Und so wird die Alternative, die wir alle nicht wollen, zur Alternative.
Wundert es eigentlich irgendeinen Menschen, wenn politikfernere Menschen jetzt “Denkzettelwählen?” Mich wundert das nicht. Aber verstehen kann ich das schon. (Und nein, für mich nicht, dazu bin ich zu sehr im grünakademischen Milieu verankert).
Die “etablierte Politik” ist zu einem Versprechenswettbewerb geworden, unerfüllbare Versprechen, denn die Globalisierung hört nicht an der deutschen Grenze auf (auch nicht am Mittelmeer), deswegen wandern die Probleme der Welt jetzt in die Zentren des Westens ein. Übrigens schon lange. Das verunsichert die Menschen, und zwar umso mehr, je stärker sie (als ehemalige DDR-BürgerInnen) schon einmal einen Showdown erlebt haben, als Nichtakademiker, weil sie (80% der Deutschen sind nicht Akademiker) finden, dass Regierung und Parlament (80% der Parlamentarier sind Akademiker) irgendwie reden wie Menschen von einem anderen Stern. Und wenn man nicht versteht, was sie sagen, kann man auf jeden Fall nachvollziehen, dass es am Anfang viele Probleme gibt. Und am Ende löst sich alles in Wohlgefallen auf. Schön, fast zauberhaft! Nur der Alltag lehrt die Menschen dann anderes.
Und wieder auf dem Spielfeld: Das Bundesverfassungsgericht
Und nur zum Bundesverfassungsgericht: Das Heizungsgesetz war großer Mist. Schnellbeschreibung: Wenn man am Schreibtisch als Deutschland das Klima retten will, denkt man top down. Also Sektorziel, eng gesetzt, und dann runter gebrochen. Dass die Wärmepumpe nicht die Lösung aller Heizungsprobleme sein kann, dass sie, solange der Ausbau der Regenerativen nicht fertig ist, auch nicht klimaschonend ist, dass es nicht so viele Installateure gibt, dass es in einer älter werdenden Gesellschaft viele Menschen gibt, die die notwendigen Investitionen gar nicht mehr stemmen können, dass man das nicht alles wegsubventionieren kann, dass das schlicht unrealistisch ist, stört niemanden. Im Ministerium. Die anderen schon.
Kennt ihr noch die “klammheimliche Freude”? Ich gönne es dem Werber Thomas Heilmann, dass er jetzt mit seinem Antrag beim Bundesverfassungsgericht reingegrätscht ist. Disruption, made by bundesverfassungsgericht. Die Ampel, so wäre meine Hypothese, hätte sonst einfach so weiter gemacht. Das Parlament als Abnicker, Mehrheiten sind ja ohnehin klar.
Wäre gut, wenn die Koalitionäre das Dazwischengrätschen als Anlass betrachten würde, nachzudenken. Die Macht geht vom Volke aus. Heißt es. Eigentlich ja vom Parlament, aber das haben schon alle vergessen, weil Fraktionszwang. Und das heißt “Regierungsloyalität”.
P.S. Was unsere Volksvertreter verkennen, ist, dass selbst politiknahe Menschen wie ich, bei manchen Gesetzen, in meinem Falle der Sterbehilfegesetzgebung, einfach mehr öffentliche Debatten gehabt hätten. Irgendwie wird heute was beschlossen, ich würde den liberaleren Ansatz wählen, aber was da drin steht, keine Ahnung, was die Alternative dazu ist, keine Ahnung. Haben die Abgeordneten wirklich die Vorstellung, bei diesem Thema, das wahrscheinlich alle Menschen sehr bewegt, hätten sich alle eine Meinung bilden können und die Abgeordneten hätten sich die Meinung der Bürgerinnen und Bürger einholen können?
Ich bezweifle das sehr.