Colin Crouch, das neoliberale Feindbild und die Realität.

Lese im Moment das neue Buch von Colin Crouch, Jenseits des Neoliberalismus, Passagen Verlag, 2013. Einerseits: Der Mann hat ein völlig reduziertes Weltbild. Sozialdemokraten, meint er, müssten die Interessen einfacher Arbeitnehmer und der (mehrzahlig niedrig besoldeten) öffentlichen Dienst Angestellten vertreten. Nun gut, so kann man eine Partei auch auf ein Entrechteten und Verlierermilieu reduzieren, Volkspartei SPD war gestern. Also, ich dachte, die Zeit, in der Gesellschaft auf einen Klassenkonflikt reduziert wurde, sei vorbei, Aufstieg durch Bildung auch. Zusätzlich verwundert, dass die Frage von Einwanderung, Differenzierung von Sozialmilieus, Entgrenzung nationaler Volkswirtschaften völlig ausgeblendet sind. Der Mann ist Soziologe und Politikprofessor. Was ihn aber trotz seinem sehr umständlichen Theorieapparat interessant macht, ist, dass er schon am Ende seines letzten Buchs begonnen hat, darüber nachzudenken, dass es oftmals eine Interessensidentität von Konzernen/Oligopolunternehmen und Staat gibt.

Das ist für mich der Knackpunkt einer intelligenten Gesellschaftsanalyse: 1) Wie bleibt Gesellschaft/Wirtschaft flexibel, um aktiv auf neue Technologien und Globalisierung reagieren zu können und 2) hat sie genügend Reflektions- und Durchsetzungskraft, um sozialen Zusammenhalt, Fairness und Durchlässigkeit/Aufstiegschancen zu erhalten oder neu anzupassen (Einwanderung führt dabei zu neuen Herausforderungen.) Eine kompetitive Wirtschaft ist dafür Voraussetzung. Die Fähigkeit gesellschaftlicher Institutionen, über die Situation offen, kontrovers und verständigungsbereit zu verhandeln, die zweite Bedingung.

Jetzt bin ich gespannt, wie sich das Buch fortentwickelt. Ich befürchte, am Ende ist er dabei, dass er sich die Welt so ansehen kann, wie ein Gesellschaftsbetrachter mit Engagement für Gesellschaft und die Akzeptanz der notwendigen Dynamik das tun sollte. Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht steckt doch noch was Interessantes drin.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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