Demokratiedämmerung. Was richtige Entscheidungen so schwer macht.

Drei Themen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Die griechische Tragödie, die Mindestlohndebatte und die Berliner Grünen. Ein Versuch, ganz unterschiedliche Fragen zu verknüpfen.
Fangen wir in Griechenland an. Weil die Entscheidung eine existenzielle ist, hat der griechische Premier entschieden, das Volk zu befragen. Eine richtige Entscheidung, auch wenn das Unvermittelte eher nach einer „mit der Rücken zur Wand“-Situation aussieht, aus der man sich, schlau, schlau, preisgünstig davon machen will. Die Entscheidung treffen alle Griechen.

Auf der anderen Seite ist das, was Griechenland braucht, so eine Art selbstausgerufene Nachkriegszeit. Aufgestanden aus Ruinen. Auch, wenn die Ruinen Ruinen der Selbstversorgung der politischen Eliten sind. Das macht es schwerer. Wir sind gespannt, wie das Experiment weiter geht.

Die Mindestlohndebatte nimmt ihren Lauf. Heike Göbel von der FAZ kommentiert auf Seite 1, dass die CDU jetzt den Erfolgskurs der CDU verlässt. Weil Mindestlohn ist des Teufels (ich spitze zu), hat fatale Wirkungen. Im Wirtschaftsteil können wir übrigens nachlesen (selbe Ausgabe), dass das britische Mindestlohnmodell eben nicht so abschreckend ist und der befragte Forscher sagt, man müsse das Mindestniveau behutsam festlegen, um keinen Schock auszulösen.

Tatsächlich geht es also gar nicht darum, dass der Mindestlohn des Teufels ist, sondern die Rahmenbedingungen des Mindestlohnes definieren, ob er funktioniert oder nicht. Die Realität ist also undogmatisch.

Meine These: Wenn sich die Politik darauf versteift, Entscheidungen auf dem Hintergrund dogmatischer Grundsätze zu rechtfertigen, ist sie am Holzweg. Denn was heute richtig ist, muss gestern nicht richtig gewesen sein. So kann man über rotgrün denken, was man will. Man kann streiten darüber, ob die Absenkung der Finanzmarktsicherungsregelungen gut war, man kann streiten darüber, ob Hartz IV gut war. Aber die damalige Entscheidung, vor allem darauf abzuzielen, dass die Menschen begreifen müssen, dass die Politik sie nicht versorgen kann, sondern jeder selber anpacken muss, die war richtig.

Daraus ist ein Niedriglohnbereich entstanden, der in der Größenordnung nicht richtig ist. Weil Arbeitgeber ihre Lohnnebenkosten auf den Staat abwälzen. Weil viele Menschen den Gap zwischen Reichtum und Löhnen, die zum Leben nicht reichen, für ungerecht empfinden. Deshalb ist der Mindestlohn, in einer zu debattierenden Höhe, jetzt richtig.

Politik ist nicht mehr rechts, links, sondern höchstens zeitgemäß in ihren Entscheidungen oder nicht. Ob sei zeitgemäß ist, hängt von der Wahrnehmung ab, was überfällig ist. Und von den eigenen Zielen. Und nicht von alten Lagerkategorien.

Das bringt mich zum nächsten Thema: Dem schlechten Spektakel der Berliner Grünen, wo es künftig langgeht.

Die Berliner Morgenpost schreibt, es gäbe da einen Konflikt zwischen rechtem und linkem Flügel. Tatsächlich gibt es in Berlin gar keine richtigen Realos. Und aus dem Munde der linken Gegenkandidatin, der erst jüngst gewechselten Canan Bayram, entnehmen wir Sätze, als ob die GRÜNEN jetzt die Schutzmacht aller Verlorenen dieses Planeten sind. Sind sie aber nicht. Sie sind die Partei, die einer Gesellschaft im Umbruch, wo, wenn nicht in Berlin, die richtigen Ideen und Leitmotive geben könnte. Weil sie begriffen hat, dass der Umbruch da ist. Und gut ist. Und wir darüber reden müssten, was man wie gut steuern oder eindämmen kann. Leitplanken für die Veränderung schaffen.

Wer sich näher mit dem Konflikt befasst, stellt fest, dass da ein, sagen wir „Mitte Flügel“, der sich noch vor zwei Jahren innerhalb der grünen Realos allen möglichen skeptischen Fragen stellen musste, ob er denn Realo sei (wir erinnnern an die Kandidatur Ratzmann als Bundesvorsitzender) plötzlich zum „rechten Flügel“ definiert wird. Der Künast’sche Werdegang ist ja ähnlich. …..

Jetzt steht dieser vermeintliche „Rechte“ Flügel einem „linken Flügel“ über, der seinen Hort vor allem im Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg hat. Dort werden bei Kandidaturen immer noch alle Kandidatinnen gefragt, ob sie denn für das imperative Mandat seien. Ich kenne Grüne, die gar nicht mehr wissen, was das imperative Mandat ist. Zur Erklärung: Das imperative Mandat ist, dass man die letzte Entscheidung über den politischen Kurs nicht sich selbst überlässt, sondern die Verantwortung an die Parteiführung abgibt.

Albern, oder? Glaubt ja niemand mehr, dass das funktioniert. Aber in Friedrichshain-Kreuzberg gehört das, noch, zur ideologischen Grundausstattung.

Meine These: In Berlin eskaliert der Konflikt so, weil weder der eine, noch der andere Flügel richtig begriffen und debattiert hat, was ihm wichtig ist. Der Mitte Flügel, ja, das stimmt, hat sich der CDU angebiedert, auch kulturell, anstatt klar zu machen, was grüne Politik ist und dann auszuloten, was man mit der SPD, was man mit der CDU machen könnte. Und wenn man ein inhaltsleeres schwarz-grün durch ein einhaltsleeres „Schwarzgrün halt nicht“ korrigieren will, führt das zum totalen Glaubwürdigkeitsverlust. Berlin ist das grüne Griechenland!

So werden inhaltliche Debatten zu machtlosen Mehrheitsdebatten. Jetzt sollen die Therapeuten ran, weil die Akteure, ja, die innerparteilichen Siegerakteure vor allem, nicht wissen, wie sie aus der Sackgasse des Etappensieges wieder rauskommen sollen.

Mein Tipp: Die Berliner haben sowieso schon mitgekriegt, wie bescheuert das alles ist. Berliner Schnauze wird das schon richtig kommentieren. Die Berliner Lösung wäre, jetzt zu sagen, Scheiße gelaufen, jetzt müssen wir das korrigieren. Aber leider, da fehlt das Format, ins Risiko zu gehen.

Führung braucht Mehrheiten. Aber eine Führung, die sich auf Mehrheiten beruft und dabei zu wenig Autorität mobilisieren kann, ist eine schwache Führung. Und sie kann nur stärker werden, wenn sie sich dieser Realität stellt. In einem ersten Schritt. Alles andere wird, in diesem Falle, die Partei erledigen. Die Fetzen werden fliegen. Aber das wird auch notwendig sein, endlich. Besser richtiger Streit als therapeutisch künstliches Vakuum. Was sagt dazu eigentlich die Parteiführung? Oder muss da auch erst die Basis eingreifen.

Richtig: Es geht um Führung. Es geht um Vertrauen. Und es geht um Wege. Richtige Wege. Alles andere wird über kurz oder lang weggebügelt. Gut, wer das verstanden hat.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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