Den Balken im eigenen Auge erkennen. Was der Westen in der #Ukraine über sich selbst erkennen kann.

Wer sind die Guten? Wir! Auf diese einfache Formel lässt sich die gefühlte Haltung des Westens bringen. Differenzierung: Fehlanzeige. Perspektivenwechsel: Fehlanzeige. Mal kritisch Distanz zu sich selber, zumal die NSA-Affaire ja zeigt, dass die Werte des Westens, Freiheit, Privatheit, längst von innen her ausgehöhlt worden sind. Wie kann es gelingen, dass sich der Westen wieder differenzierer mit weltpolitischen Fragen auseinandersetzt?

Der Reflex ist verständlich: Auf dem Maidan haben sich Demonstranten gegen einen korrupten und moskauhörigen (wenngleich, wie man jetzt erkennen kann, schon längst nicht mehr unvoreingenommen unterstützten) Regierungschef gewandt. Demokratie von unten, so weit, so gut.

Demokratie braucht eine stabile Mitte der Gesellschaft, die ökonomisch mit sich im Reinen ist und darauf basierend, ihre Vorstellungen äußern und miteinander verhandeln kann. Dass Deutschland nach dem Krieg in eine gut funktionierende Demokratie verwandelt werden konnte, hat mit vielen Faktoren zu tun. Exportieren lässt sich dieses Modell nicht so einfach nach der Hau-Ruck-Methode. Weder nach Bosnien-Herzegowina, noch nach Afghanistan. Und nach Kiew auch nicht.

Worüber nicht so gerne geredet wird (oder was längst wieder vergessen ist), ist, dass die blondbezopfte Julia Timoschenko ihrem Nachfolger in Sachen Korruption nicht viel nachgestanden ist. Die Ukraine ist, wie Russland auch, ein Land der Autokraten, das Mafia Modell fußt auf der einfachen Gleichung, dass Durchsetzungsfähigkeit in anarchischen Verhältnissen die wichtigste Ressource ist. Die Befriedung der Zivilgesellschaft hat eben noch nicht stattgefunden, siehe oben.

Es gibt in einem solchen Land keine einfach Guten, es gibt immer nur bessere und schlechtere. Und auch das kann sich ändern. Der Westeuropäer, der Deutsche gar, der seine Sorge vor Korruption mit Provinzialismus überkompensiert hat (was völlig ok ist), kann das nicht verstehen.

Der Westen hat in der Ukraine auch ökonomische und Machtinteressen. Die USA haben, so liest man, in die Ukraine bereits 5 Mrd. € in politische Bewegungen investiert. Eine Menge Holz. Das Geld ist gut angelegt, muss man konstatieren, das Land ist schließlich groß und mit den weltweit besten Böden ausgestattet. Und: Ein Einfallstor nach Russland. Für die gut kapitalisierten Kreuzritter.

Man muss Putin nicht mögen. Man kann und sollte sein Regime nicht gutheißen, es hat weder etwas mit ökonomischer Modernisierung noch mit Demokratisierung zu tun. Von außen betrachtet, hält er sein Land mittels Rohstoffimport auf Poststeinzeitniveau. Aber Putins Rede ist richtig. Wenn er sagt, ja, der Westen hätte alle Vereinbarungen gebrochen, dann stimmt daran, dass der Westen die Ukraine binden wollte. Über die Nato, über die EU. Gegen Russland.

Und wenn man weiß, dass Russland sozusagen posttraumatisch der alten Größe nachhängt, weiss man, dass man da ein gefährliches Spiel spielt. Letztlich summieren sich da Interessen auf: Das ökonomische Interesse, was sein Kapital offensichtlich eher über die USA sammelt als über die EU. Die Europäer in einer ziemlich trüben Suppe von berechtigen Interessen der ganzen ehemaligen Ostblock-Staaten, die Sorge vor Russland haben, und dann den Westeuropäern, die in einem ziemlich simplen Muster von Demokratie und Menschenrechten rumbrabbeln. Ja, Demokratie und Menschenrechte sind wichtig. Aber, ja sie können nur entstehen, wenn sie sich aus dem Inneren des Landes heraus entwickeln. Das kann man begleiten, mehr kann man nicht.

Man sollte sich auch nicht vor den Karren ökonomischer Interessen spannen lassen. Auch nicht vor die ökonomischen Interessen aus dem Westen.

Was eine sich demokratisierende Gesellschaft der Ukraine braucht, sind stabile Verhältnisse, die eine Mitte der Gesellschaft entstehen lassen. Also eine zumindest versuchte Abstimmung des Westens mit Russland. Ohnehin ist, wie wir ja jetzt inzwischen alle wissen, der Osten der Ukraine stark mit Russland verknüpft, der Westen eher nach dem Westen hin orientiert.

Ja, und auf dem Maidan treiben sich auch Nationalisten rum, auch Faschisten wahrscheinlich, logisch, dass in einer so instabilen Gesellschaft alle möglichen Elemente ihr Unwesen treiben.

Ob da eine Timoschenko wieder ihre alte Günstlingswirtschaft etabliert oder ob da ein Klitschko tatäsächlich den Helden spielen kann (oder ob der nicht nur der Großmannsucht der Konrad-Adenauer-Stiftung dient, die auch mal große Politik machen will), wissen wir letztlich nicht. Wir wissen aber, dass Einflußbegrenzung da eine wichtige Rolle spielt. Und dass das nur vom Westen und Russland gemeinsam betrieben werden kann.

Steinmeier macht da, keine Frage, ein besseres Bild als sein Vorgänger. Aber es würde schon helfen, wenn sich die deutsche innenpolitische Debatte nicht auf diesem Niveau bewegen würde, man müsse sich mit ganzem Einsatz in die Ukrainischen Auseinandersetzungen werfen. Der Westen hat große Fehler gemacht, ja, deswegen agiert jetzt Russland, wie es agiert.

Und wieder mal: Wenn wir es nicht schaffen, nüchterner über unsere Interessen zu reden (und nicht nur über Werte zu reden, um verdeckt unsere Interessen ins Spiel zu bringen), auch das Interesse an Stabilität und die Abwesenheit von Krieg, wenn wir konstatieren, dass der Wunsch nach Demokratie überall nicht mit viel Geld supportet werden kann, wenn wir es also schaffen, uns vor diesem Schwarz-Weiss-Denken zu distanzieren, dann wären wir schon ein ganzes Stück weiter. Was, den meisten Menschen verständlicherweise am schwersten fällt: Aushalten, dass die Welt draußen nicht perfekt ist. Und dass unsere Mittel, sie besser zu machen, nur begrenzt sind.

Das zu lernen, fällt uns ganz schön schwer. Und ich befürchte, das wird in der medialen Darstellung ganz schön ausgenutzt.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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