Die Mittwochsgesellschaft des Handels ist eine Veranstaltung, auf der sich die Lebensmittelwirtschaft zum Meinungsaustausch trifft. Vom Referenten gibt’s vorher einige Thesen, die man vorab auch schon diskutieren kann. Gute Idee. Man sollte denken, wenn ein Landwirtschaftsminister, neu im Amt, entscheidet, nach 23 Tagen öffentlich aufzutreten, dann hat er entschieden, dass er etwas sagen will. Politiker sind schließlich keine Hampelmänner. Nach diesem Abend stellt man dann fest: Darüber hat er offensichtlich gar nicht nachgedacht. Denn nachher war man nicht klüger als zuvor, wenn man Antworten auf die Frage haben wollte, wo der Minister Akzente setzen will.
Lobbyistisch betrachtet kann man das so sehen: Es bleibt alles, wie es ist. Die Schlagworte, die der Minister zum Besten gab, waren, uns und unserer Landwirtschaft geht es gut, ich setze auf Freiwilligkeit, ein paar schwarze Schafe sind nur ein paar schwarze Schafe. Und: Das Ministerium hat schon so viel bunte Apps, wir werden davon noch mehr machen.
Politik besteht nicht darin, zu beschwichtigen. Nein, vielmehr hat sich ein Minister, wenn er das Amt antritt, ein Bild davon zu machen, was er vorfindet, wo Regulierungsbedarf besteht und was er zu tun gedenkt, um Verwerfungen und Probleme zu regeln. Und auch, wo er keine Chance sieht, etwas zu unternehmen, weil die Widerstände zu groß sind oder weil Medien NGOs und Öffentlichkeit ein Problem sehen, aber es gar keines gibt.
Dann verstehen Lobbyies und Politikbeobachter, was dem Minister ernst ist und womit er sich nicht auseinandersetzen wird. Agendasetting nennt man so etwas. Deswegen waren bei der Veranstaltung auch so viele Ministerialbeamte da, sie wollen Vorgaben, an denen sie sich orientieren können. Lobbyisten wollen übrigens, es sei denn, sie sind eine Speziallobby, am besten keine Vorgaben. Auch wenn sie damit nicht gut fahren, denn das führt dann dazu, dass jede der Lobbies an jedem x-beliebigen Eck zu zündeln anfängt und es nicht gelingt, Akzente, Schwerpunkte zu setzen, eine Fokussierung vorzunehmen.
Man konnte erkennen, dass die Mitarbeiter dem Minister einige Fakten aufgeschrieben, Stichworte geliefert haben. Aber er hat keine Melodie daraus gemacht. Außer der, dass Franz Joseph Jung, der Horst und die Ilse alle dufte Kumpels sind. Und dass man Brot nicht wegschmeißt. Schmidt ist christlich und kommt aus einem Bäckerhaushalt. Den Initiator, die Metro, die hat er auch ganz nett eingebaut, die kennt er natürlich schon von Kindesbeinen an, wegen des Metro-Ausweises. Und natürlich die Sache mit den Apps. Ja, da hat die Ilse schon viele machen lassen, ja, da wird es künftig noch mehrere geben. Angekündigt hat er eine Wildbret-App.
Das Problem der Politik besteht darin, dass es offensichtlich zu oft nur die Alternative zwischen übereifrigen roten und grünen und quasi politikfreien Schwarzen gibt. Wenn sie ein Politikonzept haben, das weiter geht als den Grüßaugust zu machen, Gelder für Bayern zu sichern, den Leuten auf die Schulter zu klopfen, dann ist es gestern nicht sichtbar geworden. Sich zu duzen, locker zu geben, davon zu reden, dass Ökolandbau ein Qualitätslabel ist, und längst nicht nur von Birkenstockträgern gekauft wird, das reicht nicht.
Und, ja, es gibt Fragen, die des politischen Nachdenkens bedürfen. Einige davon: Noch sind 90 Prozent der Höfe Familienbetriebe, aber sie finden keinen Nachwuchs. Der ländliche Raum droht im Rahmen der Industrialisierung der Landwirtschaft zu einer lieblos industriellen Landschaft zu verkommen, das Thema Größenwachstum und Industrialisierung der Fleischproduktion, das Missverhältnis der Macht von Nachfragern (Stichwort Discounter und Frischfleisch) und Landwirten, der Flächen- und Effizienzdruck, die wachsenden Kosten, all das sind Fragen, die einen Landwirtschaftsminister zum Nachdenken bringen könnten. Bevor der nächste Lebensmittelskandal kommt.
Aber davon, welchen Beitrag der Minister leisten, will, dass der von ihm beschworene Qualitätswettbewerb die Oberhand über den Preiswettbewerb bekommt, davon war nicht die Rede. Eingreifen, das will der Minister nicht. Schade eigentlich.
Es ist eigentlich eine ganz einfache Frage, die man sich als Minister stellen könnte: Welchen Beitrag will ich dazu leisten, die Welt in dem von mir verantworteten Bereich ein bißchen besser zu machen? Eine Antwort auf diese Frage würde allen helfen. Für uns, die Beobachter stellt sich sonst nämlich eine ganz andere Frage: Wir kennen den Preis der Politik, aber wo ist ihre Leistung?