Und wenn wir schon beim moralisch unhaltbaren Zustand des Gesundheitswesens sind, können wir beim Pflegetüv gleich weiter machen. Der Pflegetüv, das ist die institutitonalisierte Verantwortungslosigkeit. Mit dieser Logik, dass Schreibtischtäter keine Verantwortung übernehmen, hat Deutschland unter den Nazis auch KZs gebaut, Verlegungspläne erstellt, reibungslos den Massenmord geplant.
Eine Analogie der Systemlogik, wohlgemerkt, ich unterstelle niemanden, dass er das bewußt macht. Aber hier liegt der Skandal doch in der Routine. Warum beschäftigt sich Politik nicht mit diesem offen unethischen Verhalten? Und zwar nicht in dieser bescheuerten, wie du mir, so ich dir Logik der Parteipolitik, sondern in der Ursachenforschung? Parteiübergreifend! Warum gibt es keinen Aufschrei der gut geführten Häuser gegen ihre unethische Konkurrenz? Warum dürfen alle so weiter machen?
Weil niemand Verantwortung übernehmen will, weil niemand Risiken eingehen will, weil die Rollenroutine alles, Verantwortung nichts ist. Weil diese Gesellschaft sich gerne sanft bettet, konfliktfrei.
„Frage nicht, was sein Land für dich tun kann, frage, was Du für dein Land tun kannst“, dieser Satz von Kennedy bringt den Konflikt gut auf den Punkt, auch wenn er selber nicht danach gehandelt hat.
Und nochmal Südddeutsche:
Süddeutsche, Titelseite, 14.08.2013
Seniorenheime
Pflege-TÜV wird verschärft
==========================
Von Nina von Hardenberg
München – Die knapp 15 000 Heime und Pflegedienste in Deutschland sollen
künftig strenger benotet werden. Darauf haben sich Pflegekassen und
Heimbetreiber in einem Schiedsverfahren geeinigt. Demnach soll es für Heime
künftig schwerer werden, die Bestnote „sehr gut“ zu erreichen. Ein „mangelhaft“
soll dafür schneller vergeben werden. Die 2009 eingeführten Heimprüfungen des
Medizinischen Dienstes der Krankenkassen gelten seit Längerem als wenig
aussagekräftig, weil immer mehr Heime mit einer Bestnote abschneiden. So lag
der Schnitt aller stationären Heime bundesweit zuletzt bei 1,2.
Heimbetreibern und Kassen war es aber jahrelang nicht gelungen, sich auf
eine Veränderung der Prüfungen zu verständigen. Erst der Schiedsprozess brachte
im Juni eine Einigung. Nachdem nun die Widerspruchsfrist abgelaufen ist, steht
eine offizielle Veröffentlichung der neuen Regeln für den sogenannten
Pflege-TÜV bevor.
Die neuen Regeln sollen von 2014 an gelten. Sie verbessern den Pflege-TÜV
aber nur in einigen Details. So wird es für Heime schwieriger, eine glatte Eins
zu bekommen. Die Note sehr gut gibt es nach Angaben aus der Branche nur noch,
wenn 93 Prozent der Anforderungen erfüllt sind. Bislang hatten dafür 78 Prozent
gereicht. Nach wie vor prüft der Test aber vor allem die Dokumentation. Heime
können sich also verbessern, wenn sie ihre Pflege-Konzepte anpassen. Dies gilt
als ein Grund, warum viele Heime so gut abschneiden.
Aussagekräftiger werden die medizinischen Untersuchungen der Bewohner.
Kontrollierten die Prüfer bislang 15 zufällig ausgewählte Menschen, so müssen
künftig immer drei schwer pflegebedürftige dabei sein. Allerdings wird sich das
Ergebnis dieser Untersuchungen – anders als von den Kassen gefordert – nicht
stärker auf die Gesamtnote auswirken. Wenn Bewohner nicht ausreichend zu
trinken bekommen oder sich wund liegen, dürfe die Gesamtnote nicht gut oder
sehr gut lauten, hatten die Kassen gefordert. Diese Kriterien sollen künftig
bei der Veröffentlichung der Noten im Netz farbig hervorgehoben werden. Sie
werden aber nicht stärker gewichtet.
Das „Projekt Pflege-TÜV“ sei gescheitert, kritisierte deshalb die
Pflegeexpertin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg. „Die Pflegenoten werden auch
nach der Überarbeitung nicht für die gewünschte Transparenz sorgen.“ Die
Anti-Korruptions-Organisation Transparency kritisierte den Pflege-TÜV als
bürokratisches Monstrum. Insgesamt würden die wenigen Kontrollen Heime dazu
einladen, das System Pflege auszuplündern. Die Krankenkassen zeigten sich
dagegen erleichtert, einen Kompromiss erzielt zu haben.
Der Arbeitgeberverband Pflege hält die Schaffung von 50 000 Arbeitsplätzen
in der Branche innerhalb von 15 Monaten für machbar. Der Ende 2012 beschlossene
Ausbildungspakt müsse aber schneller umgesetzt werden. Der Pakt sieht unter
anderem die Anerkennung aller ausländischen Hoch- und Fachhochschulabschlüsse
in der Pflege vor.