Der Zauber eines entzauberten Präsidenten. Womit sich Journalisten blamieren

Jetzt gibt es eine neue Biographie über Gauck. Darin steht dann, der Präsident wären mit seinem Amt überfordert, würde auch manchmal Schlüssel vergessen. Und mit Frauen allen Alters würde er flirten? Nein, wie skandalös.

Wenn Gauck das einfach laufen lässt, zeigt das die Größe des Mannes. Statt sich mit den Nebenkriegsschauplätzen der Eitelkeit zu beschäftigen, lässt er die Parteichefs antanzen. Er hat richtig beobachtet, dass da aus Spieltrieb zu viel gezündelt, mit Neuwahlüberlegungen gespielt wird.

So überfordert kann er ja eigentlich gar nicht sein.

Eine Frage stellt sich dann aber schon: Wie schamlos sind eigentlich Buchautoren. Und: Was erwarten die Deutschen eigentlich von ihren Regierenden? Sollen das Götter sein? Nein, es sind Menschen. Und das angenehme an Gauck, an Angela Merkel ist! dass sie auch nicht vorgeben, etwas anderes zu sein. Back to the Roots.
Gaucks Sorgen

Der Bundespräsident bestellt die Parteichefs ein: Noch bevor die Sondierungsgespräche begonnen haben, will sich Joachim Gauck über mögliche Koalitionen informieren lassen. Ein ungewöhnlicher Schritt.

Daniel Delhaes, Donata Riedel, Thomas Sigmund | Berlin | Montag, 30. September 2013, 20:00 Uhr

Bundespräsident Joachim Gauck hat sich in die Gespräche über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen eingeschaltet. Am Montag kam Gauck zu einem vertraulichen Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen. Für die kommenden Tage bestellte er auch die Vorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien zu Vier-Augen-Gesprächen ins Schloss Bellevue.

Nach Angaben einer Sprecherin will Gauck erfahren, wie die Parteivorsitzenden die Lage einschätzen und wie sie einen politischen Stillstand zu verhindern gedenken. Gauck dürfte dabei die Parteichefs drängen, sich trotz inhaltlicher Differenzen zu einigen, denn die Bundesbürger lehnen Neuwahlen zu drei Viertel ab. Im Fall von Neuwahlen käme auf Gauck eine entscheidende Rolle zu, er wäre derjenige, der den Bundestag auflösen müsste.

Union und SPD kommentierten den Vorstoß von Gauck zurückhaltend. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sprach von einem „gut zu seinem Amtsverständnis passenden Ansatz“. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles nannte es einen „normalen Vorgang“. Deutschland stehe vor einer schwierigen Regierungsbildung. „Von daher finde ich es gut, dass sich der Bundespräsident da aktiv verhält“, sagte Nahles. Union und SPD werden am Freitag ein erstes Gespräch über eine große Koalition führen. Die CDU kündigte zudem an, in der kommenden Woche auch mit den Grünen sprechen zu wollen.

Neben aktuellen, politischen Fragen beschäftigt den Bundespräsidenten derzeit ein Anfang Oktober erscheinendes Buch über sein Leben und Werk. Darin zu lesen: Gauck sei mit der „intellektuellen und körperlichen Bürde des Amtes“ überfordert. Warum er denn die neue Biografie so habe durchgehen lassen, wurde Gauck schon zuvor am Rande der Ausstellung „Gulag. Spuren und Zeugnisse 1929 – 1956“ gefragt. Gauck antwortete: „Wir sind ein freies Land.“ Lese man die Biografie insgesamt, bekomme man ein anderes Bild, als wenn man sich nur auf ein Kapitel konzentriere. Die Treffen mit der CDU-Chefin und den anderen Parteivorsitzenden mit dem Bundespräsidenten in dieser Woche passen auch so gar nicht zu den Passagen in einer neuen Gauck-Biografie des Autors Mario Frank im Suhrkamp-Verlag. Laut einem Vorabdruck, der im „Spiegel“ erschienen ist, schreibt Frank unter Berufung auf Vertraute des Präsidenten, dass dieser mit den „physischen und psychischen Anforderungen“ des Präsidentenamtes überfordert sein könnte.

Seine Ex-Freundin und heutige Beraterin Helga Hirsch (65) berichtet im Buch von „Ermüdungserscheinungen“. Gauck wird als fahrig und vergesslich beschrieben: In seiner Zeit als Chef der Stasi-Unterlagenbehörde habe Gauck seinen Kalender im Zug liegen lassen, den Haustürschlüssel bei der Flughafenkontrolle, die Aktentasche auf dem Taxi-Rücksitz. Doch es geht nicht nur um das Amt des Präsidenten. Völlig abstrus wirkt ein Zitat einer Jugendfreundin: „Er kann unheimlich flirten. Und es ist ihm dabei ganz egal, in welchem Alter die Frau ist.“ Gauck, der sich mit dem Autor mehrfach getroffen hat, kommentiert dies damit, dass er „viele Bücher über Psychologie“ gelesen habe: „Über solche Fragen und Themen konnte ich vor allem mit Frauen reden.“

Aus dem Präsidialamt verlautet später, heute ergebe sich ein anderes Bild. Die Gespräche mit dem Autor seien vor eineinhalb Jahren geführt worden. Trotz allem, eine nicht glückliche Situation für Gauck. Angesichts der komplizierten politischen Lage könnten auf ihn, wie von der Verfassung vorgesehen, noch brisante Entscheidungen bei der Bildung einer Regierung zukommen.

Nach dem Treffen mit Merkel wird Gauck auch mit der SPD sprechen. Am Dienstag ist ein Treffen mit Parteichef Sigmar Gabriel vorgesehen. Die politischen Parteien wollten den Vorgang nicht weiter kommentieren. Sie bereiten sich auf die Sondierungsgespräche vor.

Am Freitag werden sich Union und SPD zum Sondierungsgespräch treffen. Die SPD hatte bereits ihre sechs Vertreter benannt: SPD-Chef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, Generalsekretärin Andrea Nahles, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz sollen die Sondierungsgespräche führen. Streit gab es nur kurz, als Malu Dreyer, Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz, mehr Frauen für die Delegation anmahnte. Sie bekam die Zusage, dass bei Koalitionsverhandlungen die Delegation zur Hälfte mit Frauen besetzt würde.

Zudem stockte die SPD ihr Verhandlungsteam kurzfristig noch auf: Hinzu kommt Manuela Schwesig, Partei-Vize und Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern. Immerhin wird die Union mit 14 Vertretern auflaufen.

Die CDU benannte sieben Vertreter, dabei nur eine Frau: Neben Kanzlerin Angela Merkel werden ihre Vertauten Hermann Gröhe (Generalsekretär), Volker Kauder (Fraktionschef) und Ronald Pofalla (Kanzleramtsminister) teilnehmen wie auch Finanzminister Wolfgang Schäuble und die Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (Sachsen) und Volker Bouffier (Hessen). „Die CDU hat sieben Vertreter nominiert, also kommen wir auch mit sieben“, hieß es postwendend in der CSU. Parteichef Horst Seehofer wird seinen Generalsekretär Alexander Dobrindt mitbringen, ebenso seine drei Bundesminister Ilse Aigner, Hans-Peter Friedrich und Peter Ramsauer, Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt und CSU-Vize Barbara Stamm.

In der kommenden Woche will die Union auch mit den Grünen sprechen. SPD-Politikerin Nahles will einen „Wettlauf mit den Grünen“ vermeiden. Die SPD werde „abwarten“ und möglicherweise ein zweites Sondierungsgespräch benötigen, sagte sie.

Dieser Artikel wurde Ihnen aus der ‚Handelsblatt Live‘-App für das iPad versendet.

Holen Sie sich die App unter: http://apps.handelsblatt.com/live-app/

(c) Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Nutzungsrechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

Schreiben Sie einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .