Deutschland, den 20.8.2013. Wahlkampf. Lärmende Stille.

Alternativlose Vollversorgungsbehauptungen auf ungedeckten Schecks. Ist es besser, auf die zu vertrauen, die sagen, wir brauchen Steuererhöhungen, weil wir sonst unsere Wohltaten nicht finanzieren können? Oder diejenigen, die dasselbe wollen, aber sich weiterhin irgendwie durchwursteln wollen. Politik ist vor allem Marketing, jede Partei eine Marke, mancher Politiker auch, aber nur wenige sind wertvolle Marken geworden. Auch Politiker müssen Massenprodukte sein, jede Stimme zählt.


Alle wollen ihre Wähler (und Wählerinnen) in Sicherheit wägen, trotz oder wegen der wachsenden Unsicherheit um uns herum. Ist eine solche Strategie, die möglicherweise die nächste Wahl gewinnt, zielführend, auch im Sinne des Ganzen, also unserer demokratischen Gesellschaft mitmarktwirtschaftlicher Maschine?

Eigentlich bräuchte Deutschland eine Change Management Strategie. Aber wie sieht die aus? Weil Deutschland im Moment eine relativ gute Position hat im Kampf der Nationen um einen Platz an der Sonne, dominiert wieder die Selbstzufriedenheit. Und wir, die mit Gedächtnis, erinnern uns an die insgesamt erfolgreiche erste rotgrüne Wahlperiode. Die Hartz Reformen, das Ende des rheinischen Kapitalismus, die Steuersenkungen, die Öffnung der Deutschen Wirtschaft für ausländische Investoren, das Fordern und Fördern mit wachsenden Sozialausgaben und manchmal absurd erscheinenden Benchmarks für die Arbeitslosen, all das, was dazu geführt hat, dass Deutschland, oben wie unten, in der rauen Wirklichkeit angekommen ist, mehr Ungleichheit, mehr Härte, mehr Abstürze, mehr Abheben aber auch, all diese Entwicklungen waren nicht Ausdruck eines großen Plans, sondern einer großen Verzweiflung.

Die lahme Ente Deutschland, titelten die internationalen Blätter und schossen damit den Weg frei für die us-amerikanischen Investoren. Ok, ja, so ist die Sicht, dass das Neoliberale Modell gewonnen hat. Aber hätte es eine alternative Strategie gegeben? Ja? Und wenn, wer bietet die Sicherheit, dass nicht auch Deutschland in dieser Euro-Autosuggestion, ich lasse mir mein Wirtschaftswachstum von den anderen Ländern finanzieren, geendet wäre? Wobei das amerikanische Modell, also das über irgendwelche postkeynsianistischen Ideen (Häuser für alle, Kosten für die Welt) zu finanzieren, die einzige Option gewesen wäre. Weil der Rest der westeuropäischen Länder, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und auch UK schwer schwächeln. Das, wir erinnern uns an die Versprechungen der EU-Kommission im Jahr 2000, in der künftig technologisch führende Weltregion. Und wo stehen wir heute?

Die Stimmung war schlecht rund um das Kabinett der großen 68er Egomanen. Dann hat Gerhardt Schröder, der größte aller Egoshooter, auf den Konsens gepfiffen und Entscheidungen gefällt. Das Risiko des Scheiterns, das er eingegangen ist, hat sich eingestellt. Die Kanzlerin dankt ihm immer wieder, immerhin, wenn sie sich mit ihrer „Management by talking around“ Truppe als die erfolgreichste Regierung aller Zeiten hochlobt. Dann macht sie weiter in ihrer Drei Mann Regierung, Merkel für alles, Schäuble fürs Rechnen und von der Leyen für die Sozialdemokratie.

Wo bleibt die Perspektive? Ist Wahlkampf inzwischen ganz amerikanisch, es geht nicht mehr darum zu debattieren, sondern Targetting, Zielgruppenmanagement, Botschaften in die Hirne der Menschen zu pflanzen, Reiz-Reaktions-Mechanismen zu bedienen, damit es noch einmal reicht.

Das klingt alles etwas pessimistisch, ist es aber nicht. Meine feste Überzeugung, nein, richtigerweise mein sekularer Glaube, ist, dass sich die Lösungen von selbst einstellen, Step by Step. Die Debatte, ob der Westen untergeht oder nicht, ist eine dieser Feuilletondebatten, entweder-oder, die sich in der Realität als sowohl-als-auch entpuppen. Weil Realität vielfältiger ist, sich Wege sucht.

In der Zeitung lese ich, dass in den östlichen europäischen Länder die Demokratie zu einer Oligarchie verkommen ist. Weitgehend ohne Interesse seiner Bürgerinnen und Bürger haben sich dort die politischen und wirtschaftlichen Eliten festgesetzt, mit allem, was zu Oligarchien gehört, Korruption inbegriffen. Traurig, wie schnell aus Gewinnern Kriegsgewinnler werden. Demokratie entsteht mit zwei Phasen, das Modell ist jetzt eingeübt, jetzt braucht es noch die Kraft der Zivilgesellschaft, die die korrupten Eliten vertreibt und, wenn es gut geht, sich selbst und damit den demokratischen Meinungsstreit etabliert.

Ist das das westliche Exportmodell Freiheit, wirtschaftliche Prosperität und Menschenrechte, mit dessen Illusionierung der Westen letztlich den Osten überwältigt hat. Wen will der Westen von den westlichen Werten überzeugen, wenn er sich in einem solch schlechten Zustand zeigt? Es herrscht eine Knüppel aus dem Sack Mentalität gegen alles, was anders ist. Global, natürlich, weil die USA immer die Drecksarbeit machen, während sich die Europäer in den Salons tummeln und Menschenrechtsdebatten führen. Theoretisch.

Der Westen steht vor großen Herausforderungen. Ich verstehe Wolfgang Streeck, wenn er sagt, es könne zwar das Problem in seinem historischen Abriss beschreiben, aber keine Lösung identifizieren. Ich teile diese Ansicht. Es gibt nicht die Lösung.

Aber eine Idee: Was wäre, wenn die Menschen, die an einer richtigen Lösung interessiert sind, die in der Wirtschaft, Verwaltung und der Politik, die gibt es nämlich, sich entscheiden würden, darüber zu reden, was zu tun ist. Sich zusammen fänden. Die Grenzen ihrer Rollenskripte ausloten, manchmal, wie Schröder, auch überdehnen. Und nicht in dem Rollenspiel gefangen bleiben, nur soweit zu denken, wie es die konfliktfreie Beschreibung ihrer Rolle üblicherweise zulässt.

Das Deutschland der Macher bilden. Jeder übernimmt Verantwortung für den Bereich, auf den er Einfluß hat. Über anderes redet er mit, streitet sich, weiß aber wohl, dass er letztlich nicht die Kompetenz hat, das zu entscheiden. Und weder Zeit noch Macht, das zu tun.

Das wäre die Antwort auf die vielbeschriebenen Wutbürger. Nicht pauschal mehr Partizipation, immer mehr Mitreden, immmer mehr Zerreden, immer weniger Wissen, sondern Konturierung. Manchmal kann es tatsächlich mehr Partizipation sein. Aber manchmal muss es auch weniger sein. Weil die Taten zählen und nicht das ewige Palaver.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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