Politik, das ist der Irrglauben vieler Politiker und Journalisten, entscheidet sich über Medienpräsenz. Und deswegen meinen Einige von ihnen, Sonnenbankbräune und Dauerlächeln wären ein überzeitliches Erfolgsrezept. Thomas Strobl hat jetzt Zeit, über diesen Irrtum nachzudenken. Auch der Schwiegersohnstatus hilft nichts, auch Medien helfen nichts, wenn der Face-To-Face Eindruck der jeweiligen Person dem medialen Bild nicht standhält. Und auch selbstangefertigte Beliebtheitsumfragen sind dann Makulatur. Die CDU Basis hat den „alte CDU“ Vertreter ausgeschwitzt und auf bodenständige Provinzialität gesetzt.
Ein paar Ideen, warum das so ist und das was bedeutet.
Man kann diese Ereignisse nach verschiedenen Aspekten beleuchten.
Erstens: Warum eigentlich liegen die Medien so oft daneben.
Zweitens: Was tut sich in der CDU?
Drittens: Worauf wird es im kommenden Südwestwahlkampf ankommen?
Politik ist mehr als das Politiktheater
Zu Eins: Warum liegen eigentlich Medien so oft daneben, wenn sie innerparteiliche Prozesse beachten. Die Antwort: Sie sind Teil eines selbstreferentiellen Systems, in dem sich Politik in den Medien abspielt und deswegen der Medienzugang als eine entscheidende Voraussetzung für Erfolg gesehen wird. Das ist nicht so, nicht bei innerparteilichen Wahlen und in zunehmendem Maße auch nicht mehr bei echten Wahlen. Politische Meinungsbildung findet, so meine These, mehr und mehr außerhalb der Medien statt. Das Politikgeplänkel der Politikseiten, zumal der landespolitischen Seiten, interessiert niemanden. Politik, zumal Landespolitik ist, wenn sie sich nicht im eigenen Größenwahn verhebt, weitgehend bedeutungslos, so lange sich diese Politik im Saale des Landesparlamentes stattfindet. Zeitenwenden gibt es dann, wenn kardinale Fehler gemacht werden, wie es es die „Knüppel aus dem Sack“-Stuttgart 21-Nummer und die Mappus-EnBW-Nummer waren. Egomanenpolitik, deren Zeit längst vorbei war, die EnBW-Aktion war doch eine 1:1 Kopie der Schröder-Holzmann Nummer.
Tatsächlich gibt es so etwas wie „Stimmungslagen im Land“. Die Bürgerinnen und Bürger möchten sich repräsentiert sehen in ihrer Regierung, in ihrem Ministerpräsidenten zumal. Das macht die Stärke von Winfried Kretschmann wie von Angela Merkel aus. Sie spielen keine Rolle, sie sind so, wie man sie wahrnimmt. Und alle, die aus Vier-Augen-Gesprächen mit Angela Merkel berichten, betonen immer wieder, wie schlagfertig, gerade heraus, blitzgescheit und unideologisch, aber auch, wie schonungslos und radikal Angela Merkel in ihren Schlußfolgerungen ist. Das macht Stärke charismatischer Führung aus. Und Charisma darf dabei nicht mit strahlender Ausstrahlung verwechselt werden.
Ich war gespannt, wie die CDU-Entscheidung ausgeht. Medienresonanz versus der Prognose eines Freundes, Abgeordneter, der von Anfang an meinte, der Wolf macht es. Das ist der Unterschied: Der das gesagt hat, ist unterwegs im Land, das Parlament sieht er als Teil seiner Berufsbeschreibunge, mehr nicht.
Wer ist das eigentlich, die CDU?
Zu zwei: Was tut sich in der CDU?
Dazu einige Beobachtungen. Als die CDU nach der letzten Wahl auf ihrem Landesparteitag über ihren neuen Landesvorsitzenden zu entscheiden hatte, habe ich zugehört. Mich hat interessiert, wie eigentlich eine Partei, die mit der Macht verwachsen schien, mit dieser epochalen Niederlage umgeht. Ich habe zwei Kandidaten erlebt, in deren Wahlreden ich keine Unterschiede feststellen konnte, maximal unterschiedliche Akzentsetzungen, aber eigentlich nichts gravierendes. Klar, die rhetorische Qualität war deutlich unterschiedlich. Dennoch haben die Medien diese Wahl immer als „Flügelwahl“ beschrieben. Mag sein, dass die innerparteiliche Wahrnehmung so war. Aber da sind wir beim Kernproblem der CDU: Wer bin ich? Und wie viele? Und weil sie sich entweder selbstgefällig zurück lehnt oder in alten Mustern weiter agiert (Jetzt reden wieder alle vom Teufel-Flügel, der zurück an der Macht ist), schafft sie es nicht, tatsächlich Kurs auf Morgen zu nehmen.
Die CDU, das könnte die Alternative zu den Konzept- und Linksparteien SPDGRÜNELINKSPARTEI sein. Mit der Einschränkung, dass sich die Südwest-Grünen längst auf den Weg gemacht haben, diesen Turm paperkonzeptioneller Gefangenschaft zu verlassen.
Ich bin mir aber nicht sicher, ob diese CDU ihre Stärke schon verstanden hat.
Volkspartei sein. Die alte Stärke der CDU als neue begreifen.
Was ist das Potential einer neuen CDU? Die Schattenseite der vergangenen 30 Jahre, also der Zeit des grünen Aufstiegs, ist die Dominanz politpapierener Konzepte. Politik geriert sich, als könne sie den Lauf der Welt vorhersagen, Blaupausen der Welt von Morgen liefern und wisse, wo es lang geht. Der Grüne Umbau ist so eine Idee, die zwar die richtige Richtung deutet (Endlichkeit der Ressourcen, Unendlichkeit menschlicher Ansprüche), der aber völlig überdehnt ist. Weil er signalisiert, Politik könne antizipieren, wie es zu machen ist. Tatsächlich steht Politik vor dem Problem institutioneller Veranwortungslosigkeit. Und zwar nicht aus Unfähigkeit, sondern aus institutionellen Gründen. Politik ist unfähig, verantwortlich umzusetzen, schon dann, wenn es darum geht, einen Bahnhof zu bauen, einen Flughafen oder eine Elbphilharmonie. Und, ich verweise gerne auf die Lissabon-Strategie der EU, sie ist auch unfähig, die Welt neu auszurichten. „Europa zur technologisch führenden Region der Welt“ zu machen, war das Ziel der EU im Jahre 2000. Tatsächlich hat sie überflüssige Autobahnen gebaut und leerstehende Flughäfen. Nie war Europa so abgehängt wie heute, ein Ergebnis institutionell politischen Versagens. Und wer redet darüber? Niemand! Medien nicht, Politik nicht, außer den „Newcomer-Parteien“, die wie Kometen aufsteigen, mal die Piraten, mal die AfD, sich aber nur dann halten können, wenn die Altparteien weiter Fehler machen.
Und was hat das mit der CDU zu tun?
Die CDU ist die einzige Partei, die von sich sagen kann, wir sind eine Volkspartei. Volkspartei zu sein, bedeutet, „das Volk“ zu repräsentieren. Wenn ich hier in Berlin in die Runde sehe, stelle ich fest, Parteienvertreter sind kulturell immer weniger zu unterscheiden. Was unterscheidet etwa einen smarten Peter Tauber (auch so ein Irrtum, er wäre einer vom konservativen Flügel) von einem genauso smarten Michael Kellner? Letzterer ist etwas jünger, das wars. Die Biographie ähnelt sich, die Personen ähneln sich kulturell, Politik wird zur kulturellen Klassenherrschaft. Und Unternehmen, die sich beklagen, sie würden für ihre Belange nirgends mehr Ansprechpartner finden, weder bei CDU, noch bei SPD, am ehesten noch bei den Grünen, weil die würden wenigstens zuhören, kann ich inzwischen gut verstehen.
Politik kann das reale Leben sein. Das haben die wenigsten Politiker verstanden
Politik findet auf dem Papier statt. Glauben viele Politiker. Tatsächlich nehmen die Bürgerinnen und Bürger diese papierene Unwirklichkeit der Politik gar nicht wahr. Nur Themen, die „ganz oben“ in der öffentlichen Wahrnehmung sind, bilden die Schnittstellen zwischen gesellschaftlicher und politischer Wahrnehmung. Und diese Schnittstellen können schnell, unvorhergesehen, mit unterschiedlichen Blickwinkeln (die Wahrnehmung des Flüchtlingsthemas ist ein gutes Beispiel) wechseln. Das ist die Quintessenz des Spruchs „Jede Woche werde eine andere Sau durchs Dorf getrieben“: Ob eine Erinnerung an diese oder jene Sau bleibt, und welche, das ist die entscheidende Frage.
Der strategische Vorteil der CDU könnte es sein, und das war die Generalthese in meinem Papier „Die neue CDU“, sich nicht wie die anderen Parteien als Konzeptpartei zu verstehen, sondern als Ort „vernünftigen“ Interessensausgleichs. Interessensausgleich, aber unbestechlich (Hier liegt in einer Partei der Gschaftelhuber die Sollbruchstelle). So eine Art institutioneller Angela Merkel, bei der viele Themen liegen gelassen werden, aber wenn sie auf den Tisch kommen, hartnäckig abgearbeitet werden. Die CDU könnte also die Partei sein, die die Parteienherrschaft aus dem Himmel der Ideen auf den Boden irdischer Tatsachen zurück holt.
Szenenwechsel, CDU Nordrheinwestfalen, Wahl zum Bundesvorstand der CDU, Jens Spahn, blitzgescheiter, medienversierter und schwuler Jungpolitiker der CDU gegen mittelalten, zurückhaltenden, bekennenden dienstbaren Merkel-Geist Hermann Gröhe. Wer wird gewinnen?
Das interessante, aber kaum bemerkte: Gröhe gehört zum engen Merkel-Verbund. Und Wolfgang Schäuble, Strobl-Schwiegervater, gibt ein Interview mit Jens Spahn.
Was heißt das?
Was vielfach als Merkel Ära sichtbar wurde, war in Wirklichkeit ja eine verwunderliche, aber gelungene Zusammenarbeit zwischen Angela Merkel und ihrem Vorgänger und später kooperierenden Wolfgang Schäuble. Es wird den Historikern überlassen sein, zu beschreiben, wie es Angela Merkel gelang, erst Schäuble zu beerben und dann zu gewinnen (es zeugt aber von der professionellen Größe beider Ausnahmepolitiker).
Diese Ära geht, meine Hypothese, jetzt zu Ende. Die Strobl/Spahn-Geschichte, die zunehmenden Schäuble Interviews sind ein Indiz dafür, die Debatten um die Zukunft des Euros, das Abmeiern des Sachverständigenrats und die professionelle Erwiderung von Lars Feld (siehe FAZ vom 5.12.2014) scheint mir darauf hinzudeuten, dass sich die CDU neu sortiert. Im Vorgriff auf den Abtritt Angela Merkels bilden sich neue Konstellationen. Wolfgang Schäuble scheint hier eher ein, nein nicht konservatives, sondern wirtschaftsnahes Lager um sich zu scharen, Angela Merkel, möglicherweise mit der Quasi-Sozialdemokratin und Nachfolgerin von der Leyen im Bündnis eine eher „patriarchale“ CDU Position zu besetzen und -ein Lager zu bilden? Irgendwie finden die Begriffe Lagerbildung und Angela Merkel bei mir nicht zusammen.
Was ich hier also beschreibe, ist die innere Neuordnung der CDU. Zweifelsohne sind hier viele jüngere Köpfe am Start, alle weniger profiliert als die vormaligen, aber gescheiterten Köpfe der West-CDU. Aber das muss nichts heißen. Wenn Politik letztlich nicht in den Parlamenten und auf den Parteitagen, sondern letztlich in den Köpfen der Menschen stattfinden, hat nicht der die Nase vorne, der auf Parteitagen siegreich ist, sondern der, der viel draußen in der Welt unterwegs ist. Derjenige, der mit Menschen redet, zuhört, ihre Sorgen versteht und seine Politik darauf einstellt. Derjenige, der nüchtern mit Politik umgeht, sie vom Sockel holt. Derjenige, der von sich glaubhaft machen kann, abzuwägen, statt Parteitagsbeschlüsse zu exekutieren.
Da, so meine Hypothese, könnten die Südwest-Grünen weiter sein als die Südwest-CDU, weil diese sich jetzt erst mal daran machen muss, die eigenen Reihen zu schließen. Und anders als bei den Grünen, bei der Auseinandersetzungen tatsächlich etwas mit unterschiedlichen Auffassungen von der Welt zu tun haben (einerseits die pragmatischen Südwest-Grünen mit Haltung und einer Wahrnehmung darauf, was geht, auf der anderen Seite noch die konzeptionell überzeichnenden Bundesgrünen, für die die Welt mehr Wille als Wirklichkeit darstellt), tut sich die CDU schwer, weil sie diese substanziellen Auseinandersetzungen nicht führen. Lustlos vorgetragene Positionskämpfe, dazu eine fehlende Streitkultur und, als Folge 50 jährigen Herrschaftsanspruchs, selbstbesoffene „mIr san mir“ Mentalität bedürfen weiterhin einer Neubesinnung auf sich selbst.
Die CDU im Südwesten wird also erst einmal die Auseinandersetzung mit sich selbst führen müssen. Ob es ihr gelingt, den derzeitigen grünen Ministerpräsidenten und seine zumindest passabel, weil in Bodennahe regierende Mannschaft abzulösen, bleibt abzuwarten.
Den Grünen im Südwesten ist es jedenfalls gelungen, viele Fettnäpfchen zu umgehen. Auch der zum Feindbild auserkorene Winfried Herrmann macht als Verkehrsminister eine sachliche, abwägende Politik, die Zusammenarbeit mit der SPD funktioniert leidlich gut, man muss sich nicht lieben, um mit Augenmaß zu regieren.
Zukunft ist offen. Der Wahlausgang auch!
Und so, drittens, und meine Hypothese, wird es im anlaufenden Landtagswahlkampf darauf ankommen, welche der Parteien, unabhängig von der damit zusammenhängenden Regierungskonstellation, einerseits ein anschlußfähiges Bild der Wirklichkeit und dem. was ansteht, zeichnet und andererseits ihr Ohr an der eigenen Partei und an den Bürgerinnen und Bürgern hat. Nur dem, dem es gelingt, innerparteiliche und gesellschaftliche Wahrnehmung ähnlich auszurichten, der hat eine Chance, zu gewinnen.
Die CDU hat also noch eine Hürde vor sich, ehe sie mit den Südwestgrünen gleich ziehen kann.
Und die Medien?
Können lernen, sich auf die Suche nach der Stimmung im Lande zu machen. Das wäre auch viel interessanter als den oftmals nicht vergnügungssteuerpflichtigen Landtagsdebatten zu lauschen.
Und schon könnte Politik wieder interessant sein. Aber dazu müssten auch ein paar Verleger mal über ihre alten Rechts-Links-Schatten springen. Oder eben untergehen.