Die Leisetreterpartei. Zum neuen Kurs der Grünen

Wo bleiben die Grünen, schalt es durch laut durch die Medien. Der Führung wird ein schlechtes Zeugnis ausgestellt, zu wenig Charisma, keine Führung, keine Linie. Selbst aus den Landesregierungen werden scharrende Hufe verzeichnet.

Die Wählerinnen und Wähler hat das alles nicht berührt. Das Europawahlergebnis kann als Stabilisierung betrachtet werden. Mehr aber auch nicht. Weil das Potential, das sich, zum Beispiel in Baden-Württemberg gezeigt hatte, nicht erschlossen wurde.

Eine „Anti Big Business Partei“ wolle Gerhard Schick aus den Grünen machen, wurde er im Vorfeld des Länderrats am 31.5. in Berlin zitiert. Spiegel online, wie immer mehr als Brandstifter denn als Brandmelder unterwegs, witterte neue Kämpfe. Das Programmforum zu
Wirtschaftspolitik, auf dem zwischen Ralf Fücks, „Intelligent wachsen“ und Gerhard Schick „Machtwirtschaft“ unter Moderation von Andrea Lindlohr gestritten wurde, sollte der Brandherd sein, zumal Kerstin Andrea zuvor in der Welt nachgelegt hatte.

Alleine, es kam anders.

Schon die Vorrede von Cem Özdemir lenkte die Diskussion in andere Bahnen. Wer die Debatte zwischen Harald Welzer und Ralf Fücks, vor wenigen Wochen in der Böllstiftung mitverfolgt hatte, konnte den Eindruck gewinnen, zwei (andere sagen, mit Moderator Peter Siller drei) grosse Egos wollten auf der Bühne mal zeigen, wer den größten hat (was durchaus seinen Reiz hat). Diesmal war alles ganz anders. Das Podium tastete sich an die Frage heran, wie die grüne Technologieeuphorie Fücks‘ und der scharfsinnige, aber zuweilen harsche Globalisierungskritik des Machtwirtschaftlers Schick zusammenpassten.

Und schon wurde ein Korridor sichtbar.

Dass Technologie auf jeden Fall ein Teil der Lösung sein müsse.
Dass global nichts an einem massiven Wirtschaftswachstum vorbeiführe.
Dass es nicht auf Null-Wachstumsstrategie ankomme, sondern darauf, eine wachstumsunabhängige Politikstrategie zu definieren. (Da werden sich die Sozialpolitiker freuen).
Dass die Auswertung der Finanzkrise und Konsequenzen daraus noch ausstünden.
Dass die Thematisierung der individuellen Lebensstilfragen, „Glücksindikator“ als Symbol einer alternativen Wohlstandsmessung, weiter auf der Tagesordnung blieben.

Unter dem Strich war es dann eine Diskussion, die eines gezeigt hat: Die Grünen sind sich dessen bewußt, dass sie „die Lösung“ noch nicht gefunden haben (auch, weil es „die Lösung“ nicht gibt).
Sie wissen, dass ein wirksamer Korridor für eine neue Wirtschaftspolitik nur mit „der Wirtschaft“ gemeinsam gegangen werden kann. Sie wissen aber auch, dass das nicht ohne Umbrüche und Konflikte passieren wird.

Und so hat die Leisetreterpartei gezeigt, dass sie sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Dass sie sich erst einmal abseits der Kulissen selbst verständigen muss, bevor sie entscheidet, was ins Schaufenster kommt. Dass der Generationswechsel, der vor Ort gut zu beobachten ist, weiter stattfinden muss (den Rufen, Jürgen Trittin solle zurück kommen, zum Trotze). Dass die Karawane weiter zieht.

Spiegel Online kann abrüsten!

P.S. Habe lange überlegt, welche Partei zu einem wirtschaftspolitischen Thema gleich zwei Sachbuchautoren aufs Podium setzen kann, die über den Tag hinaus schreiben. Mir ist keine eingefallen.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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