Die neue CDU. Im Nachgang zu Günter Bannas.

Günter Bannas hat Wulffs Buch gelesen und unter dem Titel „Vorwürfe in Frageform“ geschrieben, wie der ehemalige Bundespräsident Wulff die CDU sieht. Ein bißchen weinerlich. Niemand hat mich lieb. Ich finde, die Geschichte Angela Merkels ist die, wie aus den jungen Starken in der CDU schnell die alten Machtlosen wurden. Das kam so.

Angela Merkel hat, so meine These, den alten, abgestandenen Programmbestand der CDU, dreigliedriges Schulsystem, Ehe, bis dass der Tod uns scheide, Atomkraft, um nur mal die Wichtigsten zu nennen, als Ostdeutsche nicht nachvollziehen können. Also hat sie es einfach abgeräumt. Dafür können wir Angela Merkel auf immer dankbar sein. Sie hat Deutschland von jahrzehntelangen völlig überflüssigen und realitätsuntauglichen ideologischen Grabenkämpfen befreit.

Danke, Angela!

Jede Konstellation, also auch jede Art der Machtausübung hat aber dunkle Seite. Bei Angela Merkel ist das, dass Inhalte abrasiert wurden und nichts nachwuchs. Die Jungs aus dem Andenpakt, die sich ja irgendwie auch als Gipfelstürmer stilisiert haben, sind im Basislager stecken geblieben, der einzig kantige, Roland Koch, ist ins Managerlager gewechselt, was aus Oettinger wurde, können wir uns jeden nach Lektüre der Zeitung fragen und der nette Schwiegersohn Wulff hat dann doch ein interessantes Privatleben entwickelt, aber ein richtiger Machtmensch wurde der CDU-Fürst von Hannover nie.

Man kann über Angela Merkel klagen, aber die beste Analyse hilft nichts, wenn niemand den Mumm hat, was besser zu machen.

Angela Merkel hat das wirklich schlau gemacht. Alle Konkurrenten aus ihrer eigenen Altersgruppe hat sie beseitigt. Chapeau. Einen der wirklich beeindruckenden Altpolitiker, Wolfgang Schäuble, hat sie erst kalt ins Messer laufen lassen, um ihn dann zum starken Mann im Hintergrund zu machen. Doppeltes Chapeau! Sie hat einen Blick für Qualität. Und Qualität heißt für sie: Eigenständigkeit und Verlässlichkeit.

Sie war im übrigen auch gar nicht ohne Erfolg beim Aufbau einer jungen Putztruppe. Das Problem ist bei dieser inhaltlich entkernten Partei, dass alle guten Leute immer auch denken, nee, muss ich mir das antun mit ewig Politik. Müssen sie nicht, deswegen gibt es eine hohe Drop Out-Rate von Wechslern in die Wirtschaft. Es fing beim schneidigen Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz an, Röttgen hätte auch immer gerne, hat sich aber verzockt, Eckhard von Klaeden fährt jetzt auf Daimlerticket und Pofalla, der Abräumer, heilt jetzt seine Abräumerwunden bei der Bahn aus. Hildegard Müller macht beim BVEW einen sehr guten Job und auch Wissmann brilliert als Vorsitzender des Automobilverbandes VDA. Versorgungsposten, das sollte man gleich erwähnen, sind das alles nicht.

Analysen sind schön für die Geschichtsbücher, aber die Wirklichkeit verändern sie ja nicht. Was müsste die CDU also tun? Antwort: Das, was der jungen, weichgespülten CDU so schwerfällt, eigenes Profil aufbauen. In einer Partei, so ist das Spiel, bedeutet das, dass man Abstimmungen gewinnt. Was naturgemäß bei einem offensichtlichen Naturtalent (oder sollte man sagen, bei einer Angela Merkel, die gut aufgepasst hat bei Lehrmeister Kohl), nicht so einfach ist. Wer will schon der ungekrönte Kaiserin Europas ans Leder? Wer schon mal auf einem CDU Parteitag war und das, beispielsweise, mit einem Parteitag der Grünen, aber auch der SPD oder den Linken vergleicht, gewinnt den Eindruck (Jedenfalls war das so, als die Industriestände noch ein Mittel war, um die Parteikasse aufzupolstern), ein Parteitag wäre eine Industrieausstellung mit angeschlossenem Debattierclub. Die Hälfte der Delegierten befindet sich immer vor den Toren, sich gegenseitig Schulter klopfend, wie super sie doch seien. Bei den Programmparteien SPD, Linke und den Grünen ist das nicht nicht so. Da meint man das ernst, worum man sich streitet. Was im übrigen auch nicht immer besser ist. Das ergibt Logiken, die in sich geschlossen sind, aber nach außen, sprich, zur Realität nicht anschlußfähig sind. Wir haben die Wahl zwischen überzeugtem Scylla und inhaltsleerem Charyptis. Die dritte Alternative, die mal FDP war und so eine Art Vexierbild war, weil sie immer von Freiheit redete, aber die „freien Berufe“, also die zwangsgeführten Berufsgruppen Apotheker, Ärzte, Juristen, dann noch die Steuerberater organisierte, ist als dauerimaginäre Felsengruppe dauerhaft, wie ich vermute, entschwunden.

Seltsam klingt das, wenn man die politische Landschaft Deutschlands ein bißchen auch als Theaterkulisse beschreibt.

Wie geht das weiter? Die meisten politischen Analysten reden dann ja immer von den Lagern, den Wählern, die sich dem zuordnen und wer sein Klientel binden kann.

Ich sehe das anders. Ich bin der festen Überzeugung, die Parteien laufen in eine selbstgestellte Falle. Sie glauben nämlich den Bildern, die die Meinungsumfragehersteller und Zukunft rückwärts Betrachter ihnen zur Verfügung stellen. Sie reden davon, wie die Parteien sich weiterentwickeln würden, wenn wir sie in den Kategorien von Gestern betrachten würden. Oder in den Kategorien, die sich die politische Klasse selber geschaffen hat, das Rechts-Links-Schema. Grüne beispielsweise sortieren sich immer links ein. Tatsächlich betrachtet nur ein geringer Teil der Sympatisanten Grüne als links. Es sind bürgerliche Wähler, die grün wählen, auch wenn sie Jeans tragen. Es sind die kulturellen Codes, um die sich sich sammeln, eine gewisse Lässigkeit, ein offenes Weltbild, usw. In einer Situation, in der sich politische Lager auflösen und eben auch Lebensstilmodelle auflösen und neu formieren, hilft es nichts, immer nur zu fragen, wie man die bisherigen Lebensstilmodelle weiter an sich bindet. Man muss auch verstehen, wie man die eigene Bindungskraft ausweitet, indem man diejenigen aus scheinbar anderen „Lagern“, aus scheinbar anderen sozialen Gruppen anspricht. Und dann schaut, was rauskommt. War man erfolgreich, werden die wissenschaftlichen und halbwissenschaftlichen Berater und Beobachter dann in fünf bis zehn Jahren neue Begriffe packen und damit feststellen, dass sich die Sozialstruktur Deutschland geändert hat. So wie sich das Land geändert hat.

Die Grünen haben, qua Machtverlust, das selber in der Hand, ihrem Umfeld nachzuspüren. Die CDU kann das auch machen, allerdings nur im Wartestand. Die Frage ist, ob die jüngere Generation (das ist dann wieder dieselbe Frage wie bei Grün und auch der SPD) Führertypen neuen Stils ausbildet. Oder ob ein dritter Trend, die zunehmende Rekrutierung des politischen Personals aus dem akademischen und da dem symbolisch-akademischen Milieus (Juristen, Lehrer, Soziologen, Politologen), die Klassenherrschaft der Klassen mit dem kulturellen Kapital also, das System so schwächt, dass neue Parteien entstehen, weil die Repräsentanten der alten Parteien längst nicht mehr die Bevölkerung repräsentieren.

Dann würde sich das ohnehin alles ganz neu sortieren. Dann müssen wieder ganz andere Kulissen her. Diesen kleinen Denksport hat uns Markus Gabriel ermöglicht. Eine Anwendung seines Buches „Warum es die Welt nicht gibt“. Übersetzt heißt das: Es gibt etwas, wir wissen nur nicht was. Und wie wir es nennen sollen.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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