Die strategische Herausforderung von Politik heute. Ein Versuch über das Elend der SPD.
14. April 2016 von Nikolaus
Was macht Politik eigentlich? Die Welt verändern? Unterstützer sammeln, um ihren eigenen Blick von der Welt durchzusetzen? Unterstützer hinter irgendeinem Banner sammeln, das sie vor sich hertragen, das aber, wenn gewonnen, doch nicht umgesetzt wird?
Manche sagen, Politik ist Erwartungsmanagement. Aber vielleicht ist es auch nur Enttäuschungsmanagement?
Ein paar Überlegungen.
Artisten, ratlos……
Die SPD hat es derzeit nicht einfach. Schnellbilanz: Einen Vorsitzenden, der wie im Strassentheater, alle Rollen selbst besetzen will. Arbeiterversteher, Wirtschaftsversteher, Superminister. Alles ich, ich, ich. Hannover, Schröderschule halt. Aber das Problem nur auf den Mann Gabriel zu verdichten, ist falsch. Das macht es noch schwieriger. Denn: Die SPD hat gut regiert, hat gute Minister, hat in den für sie wichtigen Fragen, Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik, aber auch in Energie-, Umwelt- und Verbraucherpolitik, gute Politik gemacht, hat gute und, bespielsweise, Heiko Maas, auch einen Politiker, der in modernen Themen, digitaler Verbraucherschutz, gut aufgestellt ist.
Hilft alles nichts.
Freier Fall. Nicht einmal in der ellenbogenhaft solidarischen SPD greift jemand nach der Position des Vorsitzenden.
Soviel Ratlosigkeit war niemals.
Statt Erwartungs- mal mit Enttäuschungsmanagement versuchen?
Und da kommt das mit dem Enttäuschungsmanagement ins Spiel. Unsere politische Öffentlichkeit leidet ja an einer kollektiven Blickverengung: Ausgegrenzt wird alles, was schwierig ist. Und aufgegriffen (und ins Zentrum gestellt) wird das, was Politik im Hochglanz erscheinen lässt.
Aber vielleicht haben alle schon verstanden, dass es mit dem politischen Hochglanz in Deutschland heute so ist, wie mit den schönen Fassaden im früheren Osten. Wenn Honnecker in die Provinz kam und eine Stadt besuchte, wurden mal kurzfristig die Fassaden neu angestrichen. In der Hauptstrasse. Bloß nicht nach links und rechts schauen!
Der Unterschied zur DDR: Hier, bei uns, machen alle freiwillig mit. Auch die Journalisten. Warum? Weil man für alles andere nachdenken müsste. Weil für alles andere eine Debattenkultur entstehen müsste. Weil die deutsche politische Öffentlichkeit Lust an einem handfesten intellektuellen Streit vermeidet. Gutmenschenreflektion, alternativlos!
Das hilft auch der Gutmenschenpolitik nicht.
Politiker, pfeift auf Eure Programme!
Die Politik, gerade die linke, linksgrüne Politik, glaubt, sie müsse eine Politik aus einem Wurf machen. Überzeugende Gesamtkonzepte. Das werkelt sie, zieht innerparteiliche Strippen, macht Bündnisse und und und.
Und dann: Wird alles verabschiedet. Und das Elend beginnt. Weil es nicht ausreicht.
Ein Beispiel: Der Mindestlohn. Das meines Erachtens richtigste und wichtigste Element einer zukunftsgerichteten Sozialpolitik. Die Hartz-Reformen hatten den Nachteil, dass eine namhafte Anzahl von Menschen in geringfügige Beschäftigung abgedrängt wurde, der Staat sollte die Aufstocker finanzieren. Kann nicht sein. Also ist Rahmensetzung, einer freien Marktwirtschaft, in der sich die Kräfteverhältnisse verschoben haben, einen richtigen Rahmen zu geben. Arbeit soll sich lohnen. Und schrittweise kann der Mindestlohn in diese Richtung gehen.
Aber anstatt das Bewußtsein über diese Reformen hochzuhalten, rattert die SPD weiter. Das nächste Projekt. Endlich soll die Welt gerecht werden. Gerecht! Drunter geht’s nicht. Bei den Grünen übrigens gibt es die gesteigerte Variante. Gerecht UND Generationengerecht. Sind halt schlauer, meinen sie.
Stimmt aber auch nicht.
Die Menschen messen die Politik an ihrer Alltagswirkung. Da spüren sie nur selten was.
Ich sehe das so: Durch ihre Alltagserfahrung haben inzwischen die allermeisten Menschen die Erfahrung gemacht, dass die Lage schwieriger wird. Sicherheiten nehmen ab, durch die Internationalisierung der Politik nimmt auch die Zuordnenbarkeit politischer Verantwortung ab. Zugleich nimmt die Sichtbarkeit und die Unfriedlichkeit der globalen Auseinandersetzungen zu.
Unterm Strich wird nichts besser. Es wird vielleicht einfach wenigstens nicht schlechter (Anmerkung: Das ist das, was wir Deutschen unseren europäischen Nachbarn voraus haben).
Mit dieser Unsicherheit gehen die Menschen sehr unterschiedlich um. Die einen blenden die Politik aus. Das ist ermutigend. Viele junge Menschen fühlen nach, was sie selber aus ihrem Leben machen möchten, was sie bewegt, wie sie arbeiten möchten. Das machen sie dann. Deswegen gibt es jetzt wieder Enterpreneure, Menschen, die die Dinge selber in die Hand nehmen wollen. Und nicht schon am Anfang ihres Berufslebens aus Furcht vor Unsicherheit dem gesicherten Ende zustreben wollen. Durch Verbeamtung oder in global agierenden Konzernen mit Stillhalteverpflichtung. (Ja, Klischee, Klischee, sorry).
Die anderen resignieren, fressen den Zorn nach innen, verzweifeln. Heinz Bude weißt darauf hin, dass aus dieser Verzweiflung Wut erwachsen kann. Das ist dann unschön und heißt Pegida.
So ist das alles in der Welt. Und auf der politischen Bühne? Da drehen die Spitzenkräfte weiter ihre Piroetten, als wäre nichts gewesen. Da hält man eng zusammen, obwohl man doch eigentlich ganz unterschiedlicher Meinung sein sollte. Pseudostrategen reden dann immer vom Markenkern. Den gibts aber längst nicht mehr. Und die Identität einer Partei, die wandelt sich nämlich. Das haben die meisten Strategen aber noch nicht begriffen.
Was nun, Herr Huss?
Und was meint der Herr Huss nun, was die Lösung ist?
Abrüsten! Im Moment (und ich sehe nicht, dass es auf absehbare Zeit eine Alternative dazu gäbe) gibt es keine Alternative zum globalisierten Kapitalismus. Es ist im Moment wie mit einem Schiff im Sturm auf hoher See. Man kann sich unterschiedlich verhalten, man muss auf seine Instinkte vertrauen, weil man nichts sieht, aber man sollte unter Deck nicht erzählen, dass man den Kurs hält.
Sonst werden die Menschen von der nächsten Welle ganz unvorbereitet gegen die Bordwand geschleudert.
Im Sturmszenario verhält sich Angela Merkel wie John Franklin, der Held in „Die Entdeckung der Langsamkeit“. Sie macht, was zu tun ist, sie macht das nicht hekisch sondern langsam, sie beunruhigt die Menschen nicht durch zu vieles (und wechselhaftes) Reden. Sie macht, sie hat Erfolg. Und deshalb vertraut man ihr.
So entsteht Vertrauen. Das gilt aber nur hinsichtlich der Bürger, also der Passagiere. Die Besatzung aber, die streitet und macht und gärt, ist unruhig (Sprung: Das ist jetzt das SPD-Bild). Oder, jetzt sind wir wieder bei der CDU, die fällt auseinander in die, die loyal zur Chefin sind, also gute 2. Reihe Mitarbeiter (Wo wir in diesem Bild Schäuble hintun, blenden wir aus). Oder sie träumen, der Scheinwerfer richtet sich jetzt auf Baden-Württembergs Kurzzeitfrontmann Wolf (den Namen wird man sich nicht merken müssen), von der alten Idylle.
Disruptive Zerstörung, auch hier!
Die Konsequenz des hier gesagten ist simpel zu erkennen, aber schwer zu tun: Das Selbstverständnis der Parteien erschüttern, das Vollstrecker-Bild der Partei zerschmettern. Sie kann nämlich gar nicht mehr vollstrecken (oder nur punktuell), sondern Richtungen stellen, Wahrnehmung prägen (aber nur, wenn sie die Wahrnehmung der Außenwelt zur Kenntnis nimmt). Sie kann sich darauf konzentrieren, die richtigen Signale und Bilder zu setzen und in Konflikten und Krisen das Notwendige tun. Jetzt haben alle, dem famosen Wahlsieg des Winfried Kretschmanns sei es gedankt, die Haltung wieder entdeckt. Schön, schön, die kann man aber nicht immitieren. Haltung muss man haben, weil die sich erste in einem Konfliktfall zeigt. Und jeder Konflikt, deswegen vermeiden Politiker solche, jeder Konflikt beinhaltet persönliche Risiken.
Ball flach halten, Zuversicht ausstrahlen (Das Schiff ist robust, die Ausbildung war gut, die Mannnschaft ist auch einigermaßen ausgeruht) und weiter machen. Und die Passagiere darauf vorbereiten, dass es so bleiben wird.
So einfach ist es. Aber dazu müsste man mutig genug sein, sich zu seinen Werten zu bekennen und manche operative Festlegung über Bord zu werfen.
Und dann beobachten, was entsteht
Und manche Frage kann man noch nicht beantworten. Z.B. die Frage, dass es doch gar keine Wahl mehr gibt zwischen all den Parteien, die alle dasselbe sagen.
Das stimmt schon irgendwie. Aber wenn einem nix anderes einfällt (also, nix anderes, was auch draußen verfängt), dann muss man einfach akzeptieren, dass das so ist.
Mal sehen, was die Zukunft bringt. Wir machen jetzt mal weiter. Ist ja schon Herausforderung genug. So, die Richtung.
Ach ja, dann gibt es nochwas: Als Partei, also Mannschaft, die das Ganze zu steuern meint, tue ich gut daran, auch mal unter den Passagieren umzuhören, ob es gute Ideen gibt. Parteibuch ist ja keine Lizenz zum Wissen. Diffusion der Parteienbinnenkultur, um schneller was Neues zu erkennen. Und dann aufgreifen zu können. Neudeutsch, Netzwerkkultur. Aber anders, als die Jungkarrieristen meinen, bedeutet Netzwerk eben nicht innerparteiliches Netzwerk, sondern nach außen netzwerken.
Schönen Gruß an SPD und Grüne!