Do things better. Warum mehr Politik, auch mehr grüne Politik weniger ist.

Vor welchen Herausforderungen unsere Gesellschaft steht. Und wie Politik und ihr Verhältnis zu Unternehmen und Zivilgesellschaft besser werden kann.

Ein Beitrag zur Policy-Diskussion

Berlin, 1.2.2013

Der Anlass: Ich lese gerade die Entwürfe der GRÜNEN zur Bundestagswahl. Das, keine Kritik, ist so eine Art Quelle-Katalog des politischen Wünsch-Dir-Was. Die Botschaft: Wir würden, wenn wir dürften. Die Botschaft jeder Partei vor jeder Wahl. Und gleichzeitig ihr Verhängnis. Na, bei den Grünen kommt dazu: Wir wissen, wie es geht. Auch wenn es um Veränderung geht. Und obwohl das, in Relation zu den Kapazitäten der anderen Parteien, durchaus zutreffend ist, ist es nicht hinreichend, wenn es darum geht, die richtigen Dinge richtig zu machen.

Ein Grundsatzstatement.

So ist die Lage!

Recht haben und Recht bekommen. Werden jetzt zweierlei.

Wie wer was wahrnimmt, hat mit seiner Geschichte zu tun. Das ist bei Grünen nicht anders. Erkenntnistheoretisch ist diese Partei damit gestartet, dass sie die Dinge ganz anders gesehen hat. Weil sie weiter gesehen hat. Der Strom kommt nicht aus der Steckdose, der Müll ist nicht weg, wenn er aus dem Fenster oder auf der Halde ist, unser Wohlstand fällt nicht vom Himmel, sondern wird in anderen Erdteilen, zum Teil blutig erarbeitet. Nach uns soll nicht die Sintflut kommen, sondern die nächste Generation.

Und was für die Grünen gilt, gilt auch für die ganze NGO-Szene. Sie sind, das ist nicht abschätzig gemeint, die Guten. Die Industrie ist „das Böse“. Das hat lange Zeit gegolten, das mag auch jetzt noch gelten, aber nicht mehr überall. Es wird unübersichtlich. Zum Beispiel in der Energiepolitik. Die Solarindustrie ist schon lange nicht mehr nur „die gute“, sondern, ja, sie leistet einen Beitrag zu einer besseren Energieversorgung. Aber sie möchte auch weiterhin hohe Subventionen. Und, wenn Sie deutsch ist, vielleicht auch einen Schutz vor chinesischen Unternehmen. Weil, so die Behauptung, diese staatlich subventioniert sind. Was nur die halbe Wahrheit ist. Und so werden die Guten zu Lobbyisten. Und die Schlechten, die Lobbyisten, könnten wieder die Guten werden. Auf jeden Fall sollte man sie ernster nehmen. Das Bild wird differenzierter. Die Lager lösen sich auf. Die beste Lösung ist auch erst im Einzelfall zu finden.

Mehr Partizipation bedeutet erst einmal erst ein anderes Prozedere. Und nicht automatisch bessere Ergebnisse.

Das politische System ist im Umbruch oder in Auflösung. Jedenfalls nicht mehr das alte. Stuttgart 21 ist ein Fanal. Die Trompetenstöße lauten: Mehr Partizipation bringt bessere Lösungen. Kann sein, muss aber nicht.

Es gibt ein weit verbreitetes Missverständnis. Das lautet, die Menschen möchten gerne mehr mitgestalten. Die Piraten haben dieses Missverständnis in Parteiform gegossen, big brother mäßig mit Medienbegleitung. Und spätestens in diesem Big Brother Container konnten wir alle feststellen: Die meisten wollen nicht mitgestalten, sondern nur mitreden. Oder, noch öfter, nur Recht haben. Politik bedeutet aber auch, Vertrauen zu schaffen, um Handlungsräume erschließen zu können. Nicht alles mit allen zu diskutieren. Das setzt voraus, dem anderen zu vertrauen und nicht ständig alles zu hinterfragen. Einen Diskurs „to go“ zu organisieren.

Vor diesem Hintergrund kann das Schlagwort „Partizipation“ zum Totschläger werden. Wenn er den Mut der Handelnden, Politiker wie Unternehmen totschlägt. Weil sie dann plötzlich keine Meinung mehr haben, sondern das machen, was alle wollen. Weil sie damit an der Macht bleiben oder an die Macht kommen wollen. Weil sie dann nicht mehr identifizierbar sind.

Das hilft unserer Gesellschaft aber nicht. Weil sich unsere Probleme, die Weichenstellung auf Nachhaltigkeit und Fairness innerhalb und außerhalb unseres Kontinents, nur durch neue Ideen, neue Lösungen und im Wechselspiel von westlicher, manchmal auch deutscher, manchmal auch bayerischer Selbstbehauptung und dem Zuwachs von Lebenschancen in den anderen Teilen der Welt entwickeln werden. Wie die Lösungen aussehen und ob wir damit erfolgreich sein werden, weiß im Moment niemand. Beruhigend ist, dass die Diskussionen von heute im sanften Nebel des Vergessens von morgen versinken werden. Und das ist auch gut so.

Zur Politik und zu Führung in der Gesellschaft: Mehr Partizipation braucht im Gegenzug eine schnellere Wahrnehmung in der Politik und mehr Mut zur Position, was auch heißt, mehr Mut zu scheitern. Denn Politikverdruss, und damit sind wir wieder am Ausgangspunkt, rührt vor allem daher, dass die meisten Menschen nicht mehr verstehen, worüber auf der politischen Bühne geredet wird. Und spätestens dann feststellen, dass ein Leben auch ohne Politik ganz schön sein kann.

Wenn sich die Welt ändert, können die richtigen Aussagen auch schnell falsch werden. Und, auch wenn sie niemand hören will, die falschen Akteure schnell die richtigen Antworten haben.

Die Zeichen der Zeit: Es passiert zu viel. Zu schnell. Gleichzeitig. Und via Medien vor aller Augen. Und vor aller Augen gilt: Mann beißt Hund, nur der Skandal ist eine Geschichte. Und gefühlt wird dann Geschichte eine unendliche Reihung von Skandalgeschichten. Dabei ist es tatsächlich schwierig, das Richtige zu denken. Und noch schwieriger, das Richtige zu tun.

Beispiel Energiepolitik: Das EEG war ein gutes Gesetz, weil es die Entwicklung einer neuen Form der Energiegewinnung massiv befördert und attraktiv gemacht. Es war ein Gesetz in unsicheren Zeiten, weil niemand an eine derartige Erfolgsgeschichte geglaubt hat. Man könnte sagen, es ist im Moment dabei, sich zu Tode zu siegen. Es war ein schlechtes Gesetz, weil die damit verbundene Hoffnung, eine einmal eroberte Stellung als Solarmodulproduzent hielte sich für immer, falsch war. Es hielt nicht einmal 10 Jahre. Und es ist ein Gesetz, dessen abschließende Bewertung noch nicht vorgenommen werden kann, weil wir noch nicht wissen, wie viel uns das Gesetz in Zukunft kostet. Und ob dieselben Mittel nicht, anders eingesetzt, einen höheren Nutzen hätten.

Ob ein alternativer Ansatz, etwa ein Quotenmodell, ein besserer Ansatz wäre, entscheidet sich aber erst nach Abwägung der verschiedensten Argumente. Und nur wenn man darauf basierende Szenarien entwickelt oder vergleicht. Wir erkennen: Kein Thema für Volksbegehren oder Massenentscheidungen, sondern für Politiker, die, wenn es gut geht, nüchtern denken und den Mut haben, Tabus zu durchbrechen und bessere Lösungen zu promoten. Auch gegen Widerstände.

NGOs sind wie Weichenwärter. Man braucht sie nur, wenn jemand die Züge baut und fährt. Und wenn viele Züge fahren. Sonst sind sie überflüssig.

Wer morgen die Welt verändern will, soll Ingenieur oder Erfinder werden. Ganz ernst. Die Weichen sind ja nun anders gestellt, jetzt kommt es darauf an, bessere, umweltverträglichere, nachhaltigere Produkte und Lösungen zu entwickeln, neue Technologien und Verfahren. Eine naturwissenschaftliche oder Ingenieursarbeit. Engagierte junge Menschen, befragt, was sie beruflich tun wollen, antworten aber zumeist, in die Medien, NGO-Vertreter oder Politiker zu werden. Aber niemand braucht soviele Journalisten, NGO-Aktivisten oder Politiker. Weil die bestenfalls die Welt neu interpretieren, aber nur wenig verändern können. Nur vor dem Hintergrund der ungeheureren Schaffenskraft deutscher Ingenieure, Chemiker, Physiker, Mathematiker, Erfinder, Tüftler, Unternehmer machte die Welle politischer Akteure Sinn. Weil die Weichen falsch gestellt waren, die Züge in die falsche Richtung fuhren, brauchte es massive Kräfte, um die Weichen wieder gangbar zu machen. Jetzt laufen die Züge doch mehr oder weniger in dieselbe Richtung. Es stellt sich plötzlich mehr die Frage, welchen Anteil die erste Klasse Passagiere haben, welche die zweiten Klassen-Mitfahrer und ob man, statt blinde Passagiere mitzunehmen, auch eine dritte Klasse einführen könnte. Da hilft kein Weichensteller mehr, da ist jeder von uns gefragt.

Vor diesem Hintergrund wandelt sich auch die Rolle von NGOs. Das Schöne und Gute wollen, kann das Schlechtere bewirken. Denn es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Im politischen System geht es um Repräsentation und Vertrauen. Und nicht nur um Wissen.

Partizipation, flüchtig betrachtet, ist der Wunsch, sich selbst zu allem eine Meinung zu erarbeiten. Diese ständig aktuell zu halten. Und sie auch durchzusetzen. Jeder, der in dem politischen Geschäft unterwegs ist, weiß, wie aufwändig „sich eine Meinung machen“ oder gar „sie durchzusetzen“ sind. Auf jedes Thema, zu der man sich eine Meinung macht, kommen 99 Themen, zu denen man eine übernimmt. Was bedeutet, dass „Politik von unten“ nur in wenigen Fällen die Lösung ist. Wenn Projekte grundsätzlich strittig sind. Vor allem, wenn sie groß und mit hohen finanziellen Risiken behaftet sind, oder, siehe Atom- oder Gentechnologie, unumkehrbare Prozesse einleiten können.

Vertrauen ist, bei aller Lust zur Kontroverse, eine wichtige Ressource. Gerade in Deutschland fußt Demokratie noch immer auf einem hohen Maß an Vertrauen und Konsens, auch in der politischen Debatte. Es kommt aber darauf an, zu erkennen, ob sich nur die politische Klasse einander vertraut oder auch die Bevölkerung und die Gesellschaft seinen Politikern. Das Beispiel USA zeigt, wie fatal das Bündnis aus ungehemmtem Lobbyismus und einer ideologisierten politischen Kultur sein kann.

Was tun?

Neue Wege gehen. Weil man bei den alten schon weiß, wo sie enden!

Zum Beschreiten neuer Wege gibt es keine Alternativen. Wer die gesellschaftliche Debatte nur in den alten Kanälen denkt, landet in der Sackgasse. Das etablierte Rollenspiel und die etablierte Rollenerwartung führen dazu, den handelnden Akteuren nur Risikoscheu und Konfliktvermeidung zuzutrauen. Auf der anderen Seite: Politiker sind gut abgesichtert, so dass das Risiko eines Tabubruchs zu übernehmen, kein existentielles Risiko darstellt. Das Verlassen der alten Lagerkonstellationen, das Bündnis derer, die wollen, die neue Wege gehen wollen, die alte Gewissheiten hinter sich lassen wollen, die Ergebnisse statt Medienauftritte wünschen, könnte das das politische Kräftediagramm verändern. Es gibt dann zwei Lager: Dasjenige, das neue, bessere Lösungen will und diejenigen, die am alten, scheinbar Bewährten festhalten. Fortschrittliche und Strukturkonservative. Und die Fortschrittlichen können durchaus die Konservativen sein, weil sie, wertebewusst, neue Lösungen suchen.

Vertrauen bilden mit denen, die an einer Lösung arbeiten.

Die Lösung kommt von denen, die Bescheid wissen, sozusagen von innen nach außen. Dabei sind Experten in unterschiedlichen Lagern zu finden. Es können Praktiker, NGO-Akteure, Wissenschaftler oder Politiker sein. Ein Bündnis der Macher kann Lösungen zur Umsetzung bringen.

Vertrauen wachsen lassen. Schritt für Schritt.

Vertrauen erfordert Geben und Nehmen. Um Vertrauen wachsen zu lassen, ist es sinnvoll, kleinere Projekte zu beginnen als abstrakt über großes zu reden. Es geht nicht um Weltbilder, es geht um die bessere Lösung.

Reputation statt Ressourcen

Viele NGOs stehen jetzt am Scheideweg. Auch NGOs sind zu Unternehmen geworden, es geht um eine Marketingstrategie, um die Gewinnung finanzieller Ressourcen und die Ausweitung der Handlungsmöglichkeiten. Skandalisierung befördert die Wertschöpfung, nicht umsonst reden Experten von der Empörungsindustrie. Die konstruktive Mitarbeit an Lösungen erfordert Standfestigkeit. Vor allem gegenüber dem eigenen Umfeld.

Nach vorne sehen. Und an Szenarien arbeiten.

Richtig oder falsch, die Bewertung von Einzelfragen wird erst im Zusammenhang zutreffend. Grundsätzlich gewichtige Einwände werden in Szenarien relativiert. Ihr Stellenwert erschließt sich erst im Zusammenhang.

Gute Szenarien mit besseren vergleichen. Und statt Kompromissen die optimale Lösung finden.

Und was ein Argument wert ist, zeigt sich erst in der Gesamtschau. Szenariendiskussion lautet die Lösung, wenn wir über die beste Lösung debattieren. Dem Hang zur Vereinfachung so lange widerstehen, wie die Szenarien erarbeitet werden. Polarisierung erfolgt, quasi von selbst, früh genug.

Ein Rat an Unternehmen und Industrie: Man muss nicht gemocht, man sollte respektiert werden.

Auch wenn es kurios klingt, viele Unternehmen möchten von der Gegenseite gemocht werden. Sollen sie aber nicht. Demokratie erfordert die Auseinandersetzung verschiedener Interessen. Und die gibt es. Und also kommt es für Unternehmen mehr darauf an, kontroverse Positionen sichtbar zu machen, um sie auszuklammern, wenn sie für das zu besprechende Thema irrelevant sind. Oder in das Zentrum zu nehmen, wenn ihre Klärung lösungsrelevant ist. NGOs und ein „grünes“ Umfeld kann gut mit unterschiedlichen Meinungen leben. Der Respekt wächst mit der Offenheit, nicht einer scheinidentischen Meinung.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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