Und ein Argument dafür, warum eine wettbewerbsfähige Aufstellung des freiheitlichen Westens nur werteorientiert und nicht territorial erstrebenswert ist.
Der FAZ Digitec-Talk zur Europäischen Digitalstrategie hat den letzten Ausschlag gegeben, diesen Text endlich zu verfassen.
Politik kann keine Verantwortung übernehmen. Leider kann sie fast jedes Thema besetzen.
Ganz grundsätzlich: Politiker werden gewählt und abgewählt. Land, Bund, Europa überschneiden und blockieren sich in ihren Kompetenzen. Parteien wirken nicht an der politischen Willensbildung mit, sie dominieren sie. Öffentlichkeit, das bedeutet die Durchschnittswahrnehmung aller Menschen, nicht mehr. Und Europa verliert an Einfluß, Europas Politiker weigern sich aber, diesen Tatbestand anzuerkennen.
Alles zusammen führt dazu, dass Politik immer Legitimität von Entscheidung reklamiert, aber einfach gar nicht fähig ist, wirksame Entscheidungen zu treffen.
Eine alternde Gesellschaft hat Angst. Und Angst ist ein schlechter Ratgeber
Deutschland, aber auch andere Länder werden von der älteren Generation dominiert. Und ältere Generation neigt dazu, festzuhalten. Zumal, wenn sich ein alterndes und global zahlenmäßig bedeutungsloser werdendes Europa seine Debatten immer nur im Schonmodus führt und schwierige Fragen einfach ausblendet.
Europa feiert die Datenschutzgrundverordnung. Tatsache ist, dass von Estland bis Schleswig Holstein (oder Hamburg) rund 50 Datenschutzgrundverordnungen existieren.
Europa feiert sich für seine Datenschutzgrundverordnung. Es schaffe einen digitalen Binnenmarkt. Schon das ist eine Lüge. Das unmittelbare Recht wird über nationale, in Deutschland zusätzlich über föderale Interpretationen gebrochen. Die Folge: Es gibt keinen europäischen Binnenmarkt mehr, sondern Estland, das seine komplette öffentliche Infrastruktur schon digitalisiert hat. Und Deutschland, das redet, aber nicht zustande bringt.
Hohe Anforderungen an Datenschutz generieren nur dann unternehmerische Stärke, wenn Daten nur ein Element einer digitalen Ökonomie wären. Aber Datennutzung ist der Schlüssel, um den Nutzen der Digitalisierung zu erschließen und in Geschäftsmodelle zu gießen.
Die Begrifflichkeit und das Denken der Datenschutzgrundverordnung entstammt der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhundert. Wir leben aber im 21. Jahrhundert
Wir sind geprägt vom Eigentumsbegriff, der jedem Einzelnen das Recht gibt, „seine“ Daten zu besitzen. Tatsächlich ist der Besitz von Daten irrelevant (- wohlgemerkt, der Missbrauch und die Manipulation von BürgerInnen und Meinungen ist es nicht), Anonymsierung und Pseudonymisierung funktionieren nicht, wenn über Big Data jede pseudonymisierte Information spielend wieder personalisiert werden kann. Und Datensparsamkeit ist albern, wenn sich die Welt ein digitales Abbild schafft.
Was wir brauchen, ist eine offene Reflektion, wie wir eine gute Balance zwischen Datenschutz und Datennutzung finden, wie wir den gesellschaftlichen Nutzen von Big Data und Künstlicher Intelligenz erschließen können, ohne die Grundlagen der liberalen Demokratie zu gefährden. Oder, sogar weitergehend, die Nutzung von Daten für eine offene Gesellschaft nutzen zu können.
Nebenbemerkung: Warum hängen gerade Menschen, die von Sharing statt Besitz begeistert sind, so kleinkarriert, wenn es um intelligente Datennutzung geht.
Der rationale Mensch ist eine schöne Idee. Aber jede Idee wird überreizt, wenn sie zum allein seeligmachenden Momentum stilisiert wird.
Wenn wir wirklich rational wären, wären wir Computer (by the way: Armin Nassehi lesen, er hat in „Muster“ beschrieben, wie die Logik der digitalen Gesellschaft in unserem westlichen Denken der Kategorisierung bereits vorgedacht wurde). Dass wir irrational, emotional, unberechenbar (trotz aller Bereiche der Berechenbarkeit) sind, das macht uns als Menschen aus.
Also, im Umkehrschluss eine Bitte, vor allem an linksliberale Denker und Schreiber: Hört endlich auf, den Menschen zu erzählen, dass sie immer allem zustimmen müssen. Das überfordert jeden von uns. Und zeugt im Übrigen extrem hohes Mißtrauen gegenüber unseren gewählten Vertreterinnen und Vertretern. Und so clicken wir jeden Tag tausende von Cockie Zustimmungen weg, akzeptieren fast jede neue Regelung für Datenweitergabe, weil die Alternative alternativlos ist. Oder ergehen uns in Überwachungsparanoia.
Digitalisierung ist keine Atomenergie. Sie fliegt uns nicht um die Ohren, sie lässt sich regeln, das zeigt sich im Erfolg der Europäischen Kommission gegenüber den „Techgiganten“ sehr gut.
Aber: Es ist nur ein erster Schritt. So entsteht noch lange keine europäische Daten- und Digitalwirtschaft, die es mit der angeblich schrecklich amerikanischen unternehmensgetriebenen Datenwirtschaft und der staatlich getriebenen chinesischen Überwachungsgesellschaft aufnehmen kann.
Und was ist die Alternative?
New Governance. New Global Govarnance!
Wir Europäer müssen zugestehen, dass wir in vielen Bereichen die Digitalisierung verschlafen haben. Aber im Silicon Valley arbeiten viele Forscher und Forscherinnen, auch europäische Forscher, die dem europäischen Dirigismus entrinnen wollten, das Reich fast unbegrenzter finanzieller und mentaler Möglichkeiten erobert haben und bereit sind, über eine verantwortliche Nutzung von Technologie in neuen Begriffen, neuen Denkmustern und neuen Regulierungen nachzudenken.
Und der Vorteil: Sie wissen, was sie tun. Und worüber sie reden!
Es gibt eine Welthandelsorganisation, es gibt eine OECD, die sich allesamt der Idee eines Austauschs und einer Regulierung in bisher unregulierten Bereichen verpflichtet haben.
Warum also nicht eine Organisation für Digitale Ordnung schaffen, in der der Nutzen digitaler Technologie beschlossen, weiterentwickelt und Ideen für eine Durchsetzung unter dem Diktum freiheitlicher und gemeinwohlorientierter Nutzung entwickelt werden. Digital Global Governance. Denn eine europäische Regulierung birgt im Grunde die Gefahr nationaler Auseinandersetzungen (einschließlich DATENKriegen) auf höherem Niveau. Eine global agierende Institution, die sich um Regelsetzung kümmert, hat den Vorteil, alle Menschen, egal welcher Hautfarbe, welchen Wohn- und Arbeitsortes, einzubeziehen und auch zivilgesellschaftliche Kräfte auf Weltniveau zu mobilisieren.