Gauck oder nicht Gauck, das ist nicht die Frage

Auf der einen Seite ein Bundespräsident, der aus deutscher Sicht deutlich agiert hat. Auch wenn Spiegel online rumgenölt hat. Auf der anderen Seite ein Erdogan, der gleich zurückkeilt.

Wie sieht das eigentlich von außen aus?

Wir müssen zur Kenntnis nehmen: Die Autokraten sind selbstbewusst geworden. Sie pfeifen darauf, sich vom Westen was sagen zu lassen. So ist es schon lange mit Saudi-Arabien, das den internationalen Terrorismus finanziert, von dem Geld, das sie mit dem Ölverkauf an den Westen verdienen. Das ist auch in der Türkei so, wo Erdogan, im Lande getragen wird von jahrzehntelanger Vorarbeit und der Wahrnehmung, dass es für die „schwarzen Türken“ unter Erdogan aufwärts ging. Stadt gegen Land, Säkularisierung gegen Islamisierung, Korruption von früher gegen Korruption von heute. Und jetzt auch noch Schröders Busenfreund Putin. Der KGB-Offizier hält nicht so viel vom Reden, er ist ein Mann der Tat. Heimholung des früheren Machtbereichs heißt das Programm.

Der Westen, sagen wir mal salopp, zieht den Schwanz ein. Weniger salopp kann man sagen, der Westen will den Krieg vermeiden. Gut so, werden alle sagen, aber wenn man Krieg vermeiden will und sich nicht lächerlich machen, dann muss man sich anders aufstellen.

Die Eliten des Westens denken: Das ist doch irrational. Wir brauchen das Gas, Putin braucht das Geld, die Maschinen, das Know-How, also soll er sich nicht so aufführen. Der Westen denkt, er denkt rational. Tatsächlich ist „rational“ hier einfach konfliktvermeidend. Es ist eine Art rationales Kalkül.

Die Autokraten haben schon lange die Nase voll vom Westen, der ständig von Freiheit redet, seine Moral predigt, wir lassen mal außen vor, ob „die andern“ ins Kalkül zielen, dass der Westen seine Werte ständig nur anderen predigt, aber wenn sie sich gegen den Wesen selber richten, siehe Snowden, dann nicht mehr so ernst nehmen.

Wenn also „die anderen“ jetzt den Zeitpunkt gekommen sehen, es „dem Westen“ mal so richtig zu zeigen, weil man einfach die Dominanz leid ist, dieses Besserwessitum (und dann wären wir wieder bei Gauck), wenn „die anderen“ mal ausloten wollen, wie weit ihre Kräfte schon reichen, ja, dann ist Putin kein Wahnsinniger, dann ist Erdogan kein Wahnsinniger, dann sind auch die saudischen Prinzen keine Wahnsinnigen, sondern sie alle sind knallharte Machtpolitiker, die die Gunst der Stunde nutzen wollen.

Was tun?

Der Westen versucht es weiter mit seiner albernen, „wir sperren drei Oligarchen die Konten“-Strategie, weil die Industrie Sturm läuft und Umsatzverluste befürchtet.

Wenns um die Macht geht (und um die geht es), dann müsste der Westen jetzt auseinanderdividieren, was Geschäft ist und was Werte sind. Ich befürchte, das wäre eine ganz unlustige Situation, weil das mit den Werten schon lange niemand mehr abgetestet hat. Auch Gauck hat da, da schließt sich der Kreis zu den Weichwasserjournalisten, die letzte Konsequenz nicht bezogen.

Wenn dem Westen seine Werte wichtig sind, muss er bereit sein, auf Wohlstand zu verzichten. Da kann man nicht in der Tagesschau als CSU-Clown auftreten und sich empört zeigen über olle Schröder. Und dann stellt sich raus, dass der Jungalte Mißfelder sich auch eingefunden hat, ein bißchen Weltpolitik spielen, wenngleich ohne Küßchen, Küßchen wahrscheinlich.

Europa, der Westen, braucht Menschen mit Haltung, keine Politclowns. Wenn wir das jetzt nicht verstehen, ja, dann geht es halt doch nur um den Wohlstand, die Werte sind uns dann nicht so viel wert.

Wohlstand ist ein süsses Gift. Aufsteiger haben weniger zu verlieren als Saturierte. Jetzt sind die Politiker gefragt, aus der netten Politikkuschelecke rauszukommen. Um Krieg zu vermeiden, muss man Haltung zeigen, auch wenn es Wohlstand kostet. Solange diese Wahrheit nicht ausgesprochen wird, hat der Westen nicht den Handlungsraum, den er braucht. Er hat dann nämlich einen mentalen Zwei-Fronten-Krieg.

Den haben bisher die Wenigsten gewonnen.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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