Man kann sich verwundert zeigen, wie wenig Politiker heute verstehen, wie Politik geht. Auch und gerade Außenpolitik. Meine These: Die deutsche Politik scheitert daran, weil sie nur so weit springt, wie die wichtigen deutschen Medien, und das bedeutet, frei nach Schröder, Bild, BamS und Glotze) und ihre Chefdemoskopen sehen. Im Zweifel ist das nur bis zum nächsten Tag. Medien richtig zu verstehen, würde bedeuten, sie dazu zu nutzen, die Akzeptanz der aus ihrem sachlich fundierten Meinungsbildungsprozess resultierende Politik zu testen. Im ersteren Fall ist man Objekt, im zweiteren Fall Subjekt des Geschehens.
Über ein Anschauungsobjekt deutscher Gutmenschenpolitik.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Krieg gegen Russland wäre der Worst Case. Einmal, weil Krieg immer nur Ultima Ratio sein kann, man gar nicht weiß, wie ein Krieg imm Europa überhaupt funktionieren soll und weil Krieg menschenverachtend ist. Und weil, das hat Altkanzler Schmidt recht, der Westen in seiner globalen Politik so unglaubwürdig geworden ist, dass er sich nicht einfach hinstellen kann und, heuchel heuchel, Krokodilstränen über Rechtsverletzungen und einen demokratieverachtenden Putin vergießen kann. Nicht vergessen: Dieser Putin ist derjenige, der Snowdon Asyl gegeben hat, weil keiner der grundrechtsverteidigenden europäischen Staaten den Mumm dazu hatte. Soviel zur Differenz von Legalität und Legitimität.
Wenn man den nachfolgenden Beitrag liest, zeichnet sich ab, dass auch Frau von der Leyen nur eine PR-Politikerin ist. Kein Mumm in den Knochen, die weiterreichenden Folgen einer verdrucksten Politik zu thematisieren.
An der Oberfläche scheint die Sache so: Es gibt Bellizisten und Pazifisten. Entweder man ist für „die Demokratie“, sprich, im Notfall auch für die Verteidigung der Demokratiebewegung von Unten mit Waffengewalt oder man ist dagegen.
Tatsächlich ist das aber, und das könnten sogar Politiker erkennen, weit komplexer.
Man kann für Demokratie sein und Bewegungen von unten unterstützen. Aber nicht,wie die USA mit 5 Mrd. $, das hat dann mit Geschäft, nicht mit Politik zu tun. DAs fördert erst die Korruption, die es vorgibt, bekämpfen zu wollen. Demokratie erfordert auch Selbstbeschränkung seiner Unterstützer.
Das schon deswegen, weil nicht jede Bewegung von unten eine demokratische Bewegung von unten ist. Bewegungen sind heterogen, da geht es darum, dass sich eine Kraft aus der Mitte der Gesellschaft heraus bilden kann. Der Westen kann Demokratie nicht erzwingen, maximal Zurückhaltung Russlands.
Anders stellt sich die Frage dar, wie man mit der russischen Bedrohung umgeht. Auch wenn man politisch der Meinung ist, dass man keinen Krieg will, kann man nicht auf der anderen Seite untätig bleiben, wenn es um den Schutz der europäischen Außengrenzen geht. Mit Recht zeigt sich Polen und die baltischen Länder besorgt. Und eine politisch auf Konfliktvermittlung gestimmte Politik muss natürlich militärisch die Bereitschaft signalisieren, ihre Außengrenzen im Notfall auch mit Waffengewalt zu verteidigen.
Politiker, die diese Logik, auf verschiedenen Ebenen (der militärischen und der politischen) unterschiedlich zu agieren, nicht verstehen, nicht verstehen wollen oder nicht bereit sind, ihrer Führungsaufgabe, nämlich die politische Ebene auch öffentlich von der militärischen unterscheiden zu können, sind eigentlich keine Politiker, sondern Schönwetter-PR-Menschen. Das ist gefährlich, weil man dann gleich die Nato auflösen kann.
FAZ, FREITAG, 28. MÄRZ 2014
POLITIK
Der verborgene Teil deutscher Außenpolitik
Deutschland trägt offiziell die Sanktionen gegen Russland mit, aber hinter den Kulissen scheint die Bundesregierung wieder in die Rolle des Bedenkenträgers zu schlüpfen. Von Nikolas Busse
BRÜSSEL, 27. März. Nach außen hin trägt die Bundesregierung die westliche Antwort auf die Krise in der Ukraine in vollem Umfang mit. Deutschland hat sämtlichen Beschlüssen, die EU und Nato dazu in den vergangenen Wochen getroffen haben, zugestimmt, einschließlich der Sanktionen gegen Russland. Auch in öffentlichen Äußerungen weichen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier nicht von dem ab, was in Washington, London oder Paris über die russische Annexion der Krim gesagt wird. Genau wie Präsident Barack Obama erinnert Merkel auf Pressekonferenzen sogar an Artikel 5 des Nato-Vertrags, der jedem Verbündeten im Fall eines (russischen) Angriffs den Beistand der anderen Nato-Staaten verspricht.
Das ist aber nur der sichtbare Teil der deutschen Außenpolitik. Hinter den Kulissen sieht es offenbar ein wenig anders aus. In der Nato wird derzeit über praktische Schritte zur militärischen Rückversicherung der Osteuropäer diskutiert, und Deutschland scheint da in eine Rolle zu schlüpfen, die man aus dem Libyen-Krieg und anderen Konflikten der jüngeren Vergangenheit kennt: In Brüssel ist zu hören, dass die Bundesregierung sich passiv und zögerlich verhalte und wieder als Bedenkenträger auftrete.
Die Nato hatte zu Beginn der Krise nur mit Erklärungen auf das russische Vorgehen reagiert. Auf mehreren Sondersitzungen wurden Texte verabschiedet, in denen Moskaus Intervention verurteilt wurde. Außerdem setzte die Allianz den militärischen Teil der Zusammenarbeit mit Russland weitgehend aus. Die Möglichkeit zum politischen Gespräch sollte erhalten bleiben, weshalb dieser Teil des Nato-Russland-Rats nicht suspendiert wurde. Über all das herrschte große Einigkeit im Bündnis, auch die Bundesregierung war dafür.
Zu der Zeit sei noch unklar gewesen, was genau Putin auf der Krim vorhabe, sagen Diplomaten, weshalb man zunächst abgewartet habe. Mit dem Anschluss der Halbinsel an Russland hat sich die Diskussion in der Nato aber verändert. Jetzt wollen viele Verbündete klare militärische Signale setzen, dass die osteuropäischen Mitglieder unter dem Schutzschirm des Bündnisses stehen. Da bisher keine Nato-Soldaten in den früheren Staaten des Warschauer Pakts stationiert sind (ein altes Zugeständnis an Moskau), soll das mit drei Vorhaben geschehen: einer verstärkten Luftraumüberwachung im Baltikum, Übungen in Osteuropa und der Entsendung von maritimen Verbänden in die östliche Ostsee.
Im Brüsseler Hauptquartier des Bündnisses wird derzeit täglich über die Einzelheiten verhandelt, weil die Militärs für solche Operationen Pläne ausarbeiten müssen. Dabei fällt Deutschland dem Vernehmen nach durch Zaudern und Forderungen nach Deeskalation auf. Es ist nicht bekanntgeworden, dass sich die Bundesregierung an einer einzigen dieser praktischen Maßnahmen selbst beteiligen würde. Im Gegenteil: Als Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Wochenende eine „größere Nato-Präsenz an den Außengrenzen“ forderte, was den im Bündnis diskutierten Plänen entspricht, wurde sie umgehend von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zurückgepfiffen. Dass hier eine CDU-Ministerin mit dem SPD-Vorsitzenden aneinandergeriet, wurde in Brüssel als Uneinigkeit in der deutschen Koalition gewertet.
Dass die Allianz überhaupt über diese Schritte nachdenkt, hat zwei Gründe. Zum einen soll den osteuropäischen Verbündeten mit konkreten Maßnahmen versichert werden, dass das Bündnis zu ihrer Verteidigung eilen würde, sollte Russland etwa auf die Idee kommen, nun auch im Baltikum russischstämmige Bürger durch ein militärisches Eingreifen zu „schützen“. Immerhin haben alle drei dieser früheren Sowjetrepubliken eine Landgrenze zu russischem Staatsgebiet (Litauen allerdings nur zur Exklave Königsberg, nicht zu Russland selbst). Zum anderen will die Nato Putin offenbar verdeutlichen, dass er nicht an ihrer Bereitschaft zur Verteidigung des Bündnisgebietes zweifeln sollte. Obama hat das bei seinen Auftritten in Europa in dieser Woche mehrfach betont.
Andere westliche Mächte sind nicht so zurückhaltend wie Deutschland. Die Amerikaner haben schon zehn Kampfflugzeuge ins Baltikum geschickt, um dort die Luftraumkontrolle zu verstärken. Sie waren turnusgemäß von Januar bis April mit dieser Aufgabe betraut, denn die Nato-Staaten übernehmen für die drei kleinen Länder abwechselnd die Sicherung des Luftraums. Briten und Franzosen wollen in der nächsten Rotation dazustoßen, wenn eigentlich Polen an der Reihe ist, das aber derzeit nicht über genug einsatzfähige Flugzeuge verfügt. Aus Berlin ist dazu bisher kein Beitrag in Aussicht gestellt worden, obwohl die deutsche Luftwaffe das sogenannte „air policing“ über dem Baltikum in ruhigeren Zeiten gerne übernommen hat. Die Deutschen sind 2013 aus der Rotation ausgeschieden und wollten sich eigentlich erst wieder 2018 daran beteiligen.
Mit ihrer Haltung steht die Bundesregierung unter den maßgeblichen Verbündeten alleine da. Im Streit über den Libyen-Einsatz konnte Berlin noch auf die (stillschweigende) Zustimmung vieler Osteuropäer zählen, was nun aber entfallen ist. Denn Balten, Polen und die anderen Staaten der Ostflanke verlangen geschlossen Solidarität gegen eine neue mögliche Bedrohung aus Russland. Die meisten Westeuropäer sehen die Lage zwar etwas entspannter, wollen die Osteuropäer aber nicht im Stich lassen. Für die Südeuropäer ist die Ukraine weit weg, sie möchten aber nicht in den Verdacht geraten, irgendetwas zu blockieren. Die Bündnisvormacht Amerika wiederum, die am Anfang viel von Deeskalation gesprochen hat, drängt jetzt besonders stark auf eine „dauerhafte Präsenz“ der Allianz in Osteuropa, wie ein Berater Obamas es formulierte. Die Kanadier, unter denen viele ukrainische Einwanderer sind, sind sogar dafür, auch die politischen Kontakte mit Moskau einzustellen. Die Deutschen haben mit ihrem Ansatz allenfalls noch die Niederlande an ihrer Seite, was einer Isolation im Bündnis ziemlich nahe kommt.