Manchmal gewinnt man den Eindruck, Politik, das wäre nicht das Geschäft, ein Land zu fûhren, sondern das Geschäft, Schuld zuzuweisen. Zum Beispiel beim Global Hawk.
Man kann sich darüber streiten, ob man 300 Mio für so ein unbemanntes Überwachungsgerät ausgeben will. Dann soll man das tun. Und soll erklären, welche Alternativen der Bodenüberwachung man hat, zu welchen Kosten, dann kann man das diskutieren.
Aber warum muss man bei einem Projekt, bei dem ein neues Fluggerät, das aus politisch juristischen Gründen keine Zulassung erhält (weil die USA die Herausgabe entsprechender Unterlagen grundsätzlich blockieren), das sicher nicht gut gemanagt war, weil man das schon die ganze Zeit weiss, dass es so nicht genehmigungsfähig ist, aber das im technologischen Kern eben kein Flop ist (Funkabbrüche von nur 2 x 15 Sekunden bei der Überführung zeigen, dass das Ding doch gut fliegt), warum soll man nicht noch eine Schleife drehen und mit den Luftfahrtbehörden darüber diskutieren, wie man dem Ding noch ein Kollissionsschutzsystem verpasst. Welche technischen Môglcihkeiten es gibt, welche juristischen, was es kosten und dann kann man das diskutieren. Und dann entscheiden.
Aber in der Politik geht es nicht darum, Verantwortung für Entscheidungen zu übernehmen, auch für schlechte, sondern anderen die Schuld zuzuschieben. Deshalb diese Versagerdebatten.
Widerlich.
Politikverdrossenheit kommt davon, dass Menschen, die sich nicht für Politik interessieren, solche Debatten verfolgen und der Ablauf dieser Debatte wieder einmal dem Erwartungsmuster entspricht, erst gibt die Politik unser Geld aus für ein Projekt, dessen Bedeutung wir nicht ermessen können. Und dann, wenn es zu Problemen kommt, will es niemand gewesen sein. Niemand stellt sich hin und sagt, so und so ist das, wir haben ein Problem, erklärt das, debattiert, verteidigt, zeigt Haltung und hält Widerspruch aus. Und arbeitet trotzdem an einer Lösung.
Solchen Politikern könnte man vertrauen. Aber all den Schönwetterpiloten, immer alles besser wissenden, nur wenn es darauf ankommt, zu nichts stehenden, warum sollte man denen vertrauen? Warum sollte man einer politischen Klasse vertrauen, die jedes Thema immer schnell von der Tagesordnung nehmen will, um das Problem dann in irgendwelchen Hinterzimmern geräuschlos, aber teuer, problemzuverschieben?
Da braucht man keine Partizipationsprogramme, um mehr Demokratie zu wagen. Denn tatsächlich will ja niemand wirklich Politik mitgestalten, sonst würde er ja in eine Partei gehen. Er will nur Dampf ablassen. Oder mal seine Meinung sagen. Aber das auch nur, weil ihm die Logik, dass niemand erklärt, warum diese Entscheidungen getroffen wurden, warum keiner Verantwortung übernimmt, fremd erscheint.
Vor mehr albernen Partizipationsversuche bitte ich Abstand zu nehmen. Da gibt es zwei Modelle. Einmal das Modelll, Bürger, sagen sie uns doch mal, was ihr euch von uns Politikern wünscht, die „Wünsch die was“-Variante der Partizipation. Und dann noch das „machen sie doch mit uns mal einen Bürgerhaushalt und sagen sie uns, wo wir ihnen was wegnehmen sollen“ Alternative, ich nenne das das „Mitgefangen – Mitgehangen“ Modell. Denn beides ist Politikversagen. Wofür werden Politiker eigentlich bezahlt? Werden sie dafür bezahlt, dass sie immer, wenn es schwierige Entscheidungen gibt, schreiend davon laufen und sagen, Volk, wir sind unfähig, entscheide du, aber bitte, lass uns in Frieden? Es geht in der Politik um mehr Haltung. Und nicht um mehr Partizipationsgeläute.
Aber vielleicht geht es in der Politik gar nicht um Politik, sondern nur um eine Joberhaltungsgarantie. Könnte ja sein.
Und wenn wir schon beim Thema politische Führung sind. Da gibt es dann noch das Thema Volksbegehren und direkte Demokratie. Ja, manchmal bin ich da gar nicht abgeneigt. Weil direkte Demokratie schon am Anfang verhindert, dass teure Entscheidungen getroffen werden, die am Ende scheitern und von keinem mehr verantwortet werden. Das reduziert die Reichweite von Politik ganz massiv, das führt sie wieder dahin zurück, das zu sein, was sie sind: Volksvertreter, auf Zeit gewählt, nicht klüger als wir, die dann vorsichtig und etwas verunsichert, sich vortasten, um zu verstehen, was die Wählerinnen und Wähler denn wollen. Das ist dann Politik an den Lippen der Wähler. Oder aber, wenn sich die Haltungsnoten der Politik entschieden verbessern würden, eine Politik, die nicht einen enormen Katalog aufmacht, was sie alles anders machen würde, sondern die schon im Vorfeld sagt, worauf sie sich konzentrieren würde.
Das politische System der Schweiz ist nicht umsonst eines, das fast gar keine großen Politiker hervorbringt, sondern konsensorientierte, durchschnittliche und kaum risikobereite Volksvertreter. Menschen wie Du und Ich. Also kann man mehr direkte Demokratie machen, die Abschaffung der politischen Klasse, der Bedeutung der politischen Parteien. Aber bei solchen Debatten sollte man sich dann auch klar sein, dass das ein sehr kleinteiliges Modell wählt, weil festhalten doch einfacher ist als neue Wege gehen. Es ist ein Modell politischer Entmachtung, politischer Entschleunigung.
Politik braucht nicht dauernd neue Formen, mehr Websites, mehr Spielwiesen. Sondern Konzentration auf das Kerngeschäft: Verantwortliche Entscheidungen, die Debatte darüber, wo Rahmenbedingungen geändert werden sollten, damit sich Gesellschaft in eine andere (welche) Richtung bewegt, ernsthafte Debatten. Dann käme mehr Ruhe in den Stall.
Aber vielleicht gibt es einfach zu viele Politiker. Weil jeder will sein Thema voranbringen. Das kann er nur, wenn er „sein Thema“ in die Medien bringt. Und das kann er nur, wenn es ein Problem gibt. Für Lösungen gibt es nämlich in den Medien keine Bonuspunkte. Oder, wie bei der Oderflut, nur in medial geeigneten Ausnahmesituationen. Als Macherdarsteller.
Darüber sollte man mal eine Enquetekommission einrichten. Titel: Mit weniger Politkern mehr erreichen.