Götterdämmerung. Was nun, Frau Merkel heute im ZDF
13. November 2015 von Nikolaus
Das zweite deutsche Staatsfernsehen, kurz ZDF, lässt wieder mal die Kanzlerin zu Wort kommen. Angela Merkel, das ist unangefochtene mächtigste Frau Europas, über der jetzt die Fluten der CDU zusammenschlagen. Und an dieser schnellen Wendung der Stimmungs- und Machtlage können wir sehen, wie filigran unser Gemeinwesen organisiert ist.
Angela Merkel hatte, nachdem sie wegen ihrer harschen Äußerung gegenüber einem in Deutschland geduldeten Palestinensermädchen klar gesagt hat, dass sie sich nicht gegen die Rechtslage für ihr Bleiben einsetzen kann (wodurch sich das Problem ohnehin erledigt hat) ein Problem. Die Äußerung war mutig, weil ehrlich, die Medien und die Opposition hat gegiftet. Als dann eine ständig wachsende Zahl von Flüchtlingen Europa als sicheren Hafen identifiziert hat, fiel dieser Satz, der Angela Merkel menschlich sympatisch macht, aber fatale Wirkung hatte. Wenn dieses Land den Schutzbedürftigen keinen Schutz mehr bieten könne, wäre das nicht mehr ihr Land. Der Satz, eine Botschaft gegen dumpfbackige „Mir san mir“-Horden, stand zementiert da. Das Problem: Außen herum begann es längst zu bröckeln. Die CDU-Meinungsbildung im freien Fall.
Heute kracht es bei der CDU. Bei den anderen Parteien kommt das bittere Erwachen später.
Wenn jetzt die SPD und die Oppositionsparteien innerlich jubeln, werden sie noch bitterlich weinen. Die SPD findet es richtig, weiter Flüchtlinge aufzunehmen, die Grünen haben da ja ohnehin eine weitgehend diffus menschenfreundliche Position, die allerdings nicht wirklich Position beziehen muss, die Linkspartei, da macht es Lafontaine ja wieder mal vor, wie Populismus von Links geht. Man muss nur unverantwortlich reden, alles andere ergibt sich von selbst.
Nun sind aber die Wählerinnen und Wähler der anderen Parteien genauso verunsichert wie die der CDU. Eine SPD ist in dieser Sache zumindest genauso gespalten, hier die Anhängerschaft und Sympatisanten, dort die Funktionäre. Und draußen die Flüchtlinge.
Was, so meine Interpretation, nämlich niemand auf dem Schirm hat, ist, dass die Flüchtlingsfrage schon lösbar ist. Aber nur, wenn alle zusammenarbeiten. Nur dann, wenn man beginnt, sich über Formalias hinwegzusetzen, Bürgerinnen und Bürger mit anfassen, Lösungen gefunden werden, die es Flüchtlingen erlauben, hier zu sein, zu leben und eben nicht alles korrekt mit Aktenvermerrk abzuarbeiten. Denn dann sitzen die Flüchtlinge wahrscheinlich noch nach Monaten in den Unterkünften, das BAMF hat dann endlich ihre Mitarbeiter eingestellt, aber die Lage ist längst eskaliert.
Lösbar ist das nur im Krisenmoduas, der allen klar macht: Jetzt wird nichts mehr sein wie vorher. Der es den Menschen möglich macht, ihren Sicherheitskokon von gestern und heute zu lösen und in den Lösungsmodus von Morgen zu wechseln. Der es den Politikern möglich macht, an diesem Vielfrontenkrieg, manche Fronten einzudämmen. Und nicht nur Begriffe immer wieder mit neuen Inhalten zu befüllen.
Denn Tatsache ist auch: Die einfache Lösung gibt es nicht. Die Grenzen sind offen. Sie lassen sich auch nicht einfach schließen, das kostet, in der Türkei einige Milliarden, das kostet Zeit, weil im Nahen Osten der Kampf der regionalen Mächte ausgebrochen ist und die Unfähigkeit des Westens zu erfolgreicher Intervention manifest geworden ist.
Der Westen. Friedlich hilflos sozusagen.
So arbeitet die Regierung an allen Fronten, aber kann keine Gesundung vermelden. Global ist der Westen ratlos, wie er mit den entfesselten Kräften im Nahen Osten umgehen soll. Der glasklare Demokrat Putin hat erkannt, wie er mit seiner Restmenge Gas und Öl und ein paar Militärs noch mal den großen Imperator spielen kann, in Europa sind alle von den Gutmenschen- und Besserwisserdeutschen genervt und wartern gerne mal ab, wie nach dem Sommermärchen und dem Altweibersommerschauspiel, dem gastfreundlichen Deutschland, Bild Münchener Bahnhof, sich hässliche Novemberstimmung offenbart. Europa im Realmodus, sozusagen.
Es ist nicht Showtime, es ist Showdowntime!
Die konservativen CDUler wollen vor allem zwei Sachen: Einmal dem Abwandern ihrer Wähler zur AFD nicht länger zusehen. Und zum anderen wollen sie die Rekonstitution „normaler“ Verhältnisse. Die lautet, der Staat hat die Grenzen seines Landes zu schützen. Demokratie heißt, dass diejenigen, die drin sind, ihre Interessen gegenüber denen, die draußen sind, verteidigen. Oder wenigstens die Vorstellung davon, dass sie das tun, wiederherstellen.
Gegen diese Stimmungslage hat Angela Merkel verstoßen. Sie hat, durchaus richtig, erkannt, dass globale Konflikte nicht länger einfach ausblendbar sind, wenn die Opfer oder Betroffenen dieser Konflikte sich ein Handy verschaffen, bei Professionellen einkaufen (der Kapitalismus hat was problemlösendes, wenn jemand zahlt) und dann anlanden. Vor die Alternative gesetellt, von der IS unterjocht zu werden oder vielleicht vergewaltigt, scheint es immer noch verheißungsvoller, das Risiko des Ertrinkens (und alle anderen Risiken, die man sich vorher nicht klar macht) auf sich zu nehmen.
Niemand wirft das den Flüchtlingen vor. Aber in der Frage, ob man gewillt ist, den eigenen Wohlstand gegenüber anderen zu schützen, da ist „der Deutsche“ geteilt. Und die Frage, wie das zu machen ist, die wird übrigens dabei völlig ausgeblendet. Diese albernen, bisher diskutieren Registierungscenter, wie die jetzt heißen und was die machen, erscheint zweitrangig, sie werden beliebig mit Inhalt bestückt. Nutzen werden sie nichts, weil alle einen Bogen drum machen können. Und man hundertausende, die da sind, nicht einfach irgendwohin ausfliegen kann.
Was tun, Herr Huss?
Im Grunde muss Politik jetzt mal eine Kapitulationserklärung abgeben. Oder besser, um die gefühlte Kapituliation gleich zu überwinden, muss sie sagen, dass das Problem mit politischen Mitteln nicht alleine zu lösen ist. Sondern, dass Deutschland jetzt beweisen muss, dass die Menschen, die da sind, Schutz erhalten. Dass wir aber die Grenzen unserer Aufnahmefähigkeit erreicht haben.
Blöd ist, dass man damit dieses schöne Gefühl, „Welcome Refugees“, das manche Menschen offensichtlich beseelt, dieses Gefühl ein besserer Mensch zu sein, nicht einfach aufrecht erhalten kann. Die Abwägung alleine entwertet dieses Gefühl.
Und so wird, technisch gesprochen, die Handlungsfähigkeit unserers Landes vielleicht wieder hergestellt: Die breite Mitte der Gesellschaft erkennt, dass sie Abschied nehmen muss von einem Deutschland, das den Deutschen gehört. Hätte sie schon vor 30 Jahren, aber jetzt, wo man begonnen hat, die Nachkommen der Arbietsmigranten in der zweiten und dritten Generation einfach mal wahrzuehmen, jetzt nachdem uns der Fall der Mauer eine Reihe unsichtbarer Migranten beschert hat, von denen einige, Gauck und Merkel, beispielsweise höchste Ämter erobert haben, weil sie latent die Regeln und Tabus mißachtet haben, die anderen aber gegen dieses neue, ihnen fremd wirkende Deutschland pegidieren, jetzt beschert uns die Weltlage, an der wir auch unseren Anteil haben, weiteren Zuwachs, bei dem ich es albern finde, wenn die Professoren jetzt darüber streiten, ob sie ein Gewinnn oder Verlsut für den Arbeitsmarkt oder die Volkswirtschaft sind. Der kleinste Nenner wird sein, Menschen sind gekommen und Menschen brauchen Unterkunft und Schutz. Das müssen wir organisieren, alles andere wird sich zeigen.
Und wo wird heute abend die ganze Nation an den Lippen ihrer weitgehend geachteten Kanzlerin hängen und auf Erlösung hoffen. Sie wird sie, mangels Zauberkräften nicht bringen können. Aber jetzt, wo Wofgang Schäuble beginnt abzurücken, das Kanzleramt mitsamt Obelix als Geheimwaffe sich zum kleinen gallischen Dorf mutiert, jetzt wird es darauf ankommen, ob sich die Menschen hinter Angela Merkel scharen oder hinter den Vergangenheitsbewahrern.
Was nun, Frau Merkel, fragt das ZDF. Aber nur, wenn Angela Merkel es gelingt, aus nörgelnden und besser wissenden Zuschauern in der ersten und zweiten Reihe Mitmachern zu machen wird das gelingen.
Deutschland mit offenem Ausgang. Es kommt auf uns alle an!
P.S. Über eines muss ich ja innerlich immer lachen Die medienscheue Frau Merkel bedient sich des Staatsfernsehens, wie sie will. Niemand protestiert. Auch interessent, wie sich so was verschiebt. Unabhänigigkeit ist anders.