Griechenland ist nur ein Beispiel. Über Aufwand und Ertrag in der Politik
15. Juli 2015 von Nikolaus
Mancher fragt sich vielleicht: Was treibt eigentlich den Huss, in Sachen Griechenland so auf neoliberal zu machen. Meine Antwort: Der Ärger darüber, dass sich Politik zwar immer als Retter und solidarischer Helfer geriert (Schäuble nicht, aber das macht ihn jetzt zum Bashingopfer), tatsächlich aber vor allem die Minimierung des eigenen Risikos im Auge hat. Der Aufwand, die Reihen nach innen geschlossen zu halten, übersteigt bei weitem den Ertrag, den politisches Handeln hat. Ein kritischer Rundumblick anlässlich der Griechenland-Debatte.
Jeder hat seine Heiligen. Ich meinen Schäuble. Der deutsche Finanzminister überzeugt mich immer wieder, weil es seine Rolle, Druck auszuüben, damit die griechische Regierung ihre Verantwortung für das Wohlergehen ihres Landes übernimmt, ernst nimmt und bis zum bitteren Ende ausficht. Zum Beispiel im Verhältnis zum wankelmütigen Gabriel, der mal sagt, er hätte gewusst, dann nicht. Gradlinigkeit sieht anders aus.
Keine Griechenlanddebatte ohne die Frage, wie hättest Du es denn gemacht. Meine Antwort: Ich komme tagtäglich mehr der Überzeugung, ein Grexit wäre die beste Lösung für Griechenland. Weil es nicht darum geht, einfach mal schnell mehr Geld reinzupumpen, damit die Wirtschaft anzieht. Die Zeit von letzter Woche hat ganz nüchtern nachgezeichnet, wie Griechenland da steht und dass Griechenland wesentliche mentale und institutionelle Voraussetzungen fehlen, um Konjunkturprogramme abarbeiten zu können. Plan B ist dann der vielgescholtene Weg der EU, Griechenland quasi zu entdemokratisieren. Ja, das ist es, was passiert ist. Griechenland ist ein europäisches Protektorat geworden, weil die politische Elite sich als unfähig erwiesen hat, die Realität zur Kenntnis zu nehmen.
Tsipras tut ein weiteres dazu, das Ganze als Schmierentheater vorzuführen. Er hat ein Abkommen unterzeichnet, von dem er selbst nicht überzeugt ist. Die politisch saubere Lösung wäre gewesen, zurück zu treten. Noch hat man ja aus der Partei nichts gehört, wie sie sich den griechischen Weg vorstellen würde. Außer, unvereinbares zu fordern, nämlich im Euro zu bleiben, aber trotzdem von den anderen Euro-Staaten alimentiert zu werden. Es würde mich wundern, wenn ihm seine Partei bei der bevorstehenden Debatte nicht um die Ohren fliegen würde.
Politik beweist ihre Ernsthaftigkeit in Krisensituationen. Über Gabriel haben wir schon gesprochen. Wir haben dann ja noch zwei Oppositionsparteien. Und wie verhalten die sich? Tapfer fährt die Grünen-Spitze an den Ort des Geschehens, was wirklich mutig ist, weil es schiefgehen kann. Was macht man vor Ort, wenn man sich zwischen Skylla, der eigenen Regierung in den Rücken zu fallen, und Charybdis, in Athen dann doch den hässlichen Deutschen abzugeben, entscheiden muss? Wir werden sehen. Die Formulierungen mit denen sich Grüne rumschlagen, zeigen, dass es mehr darum geht, nichts zu sagen. Oder wie will man eine Außerung bewerten, wenn Katrin Göring-Eckardt im Blick auf Schäubles Verhandlungsgebaren meint, sie sei „auch für Härte, aber nicht für Kälte“. Alles klar? Bütighofers Wutanfall teile ich zwar nicht, aber wenigstens schaut da echt europäisches Herzblut raus. Ist schon mal was, aber jetzt wird zurückgerudert.
Die Linke eiert ja auch genauso rum. Ihr Star Tsipras ist für sie natürlich gefallen, jetzt spalten sich die linken Lager in die, die die Unterwerfung mitleidig entschuldigen und „das Ehepaar aus dem Saarland“. Dummerweise schließt sich da der Kreis zwischen links und rechts (wenn man bei diesen Kategorien bleiben will), weil der Grexit ja auch von dem Ökonomenpaar als echte Option betrachtet wird. Wer genauer nachlesen will, kann das in der heutigen FAZ tun.
Es geht mir bei all meinen Schilderungen nicht darum, hämisch über Politik zu schreiben, im Gegenteil. Was mich nur immer wieder wundert, ist, wie sehr Politiker dieser institutionellen Bühne verhaftet sind, auf der sie tagtäglich auftreten. Sie spielen ja nicht für sich selbst, sondern für ein sehr gemischtes Publikum, man könnte europäisch sagen, für 28 verschiedene Publikas.
Wer sich die Unterschiedlichkeit dieses Europas vor Augen führt, dem könnte schon klar werden, dass ein Einheitsmodell für Europa, also überall dieselben Maßnahmen, nicht funktionieren kann. Es geht um Konvergenz, es geht darum, in der Atemlosigkeit, die die Globalisierung und die Digitalisierung der Welt mit sich bringt (und die dann von der linken Seite des politischen Spektrums als Neoliberalismus mythifiziert wird) einen europäischen Korridor zu definieren, der ein vernünftiges Abwägen der unterschiedlichen Aspekte, Friede in Europa, aber auch eine nachhaltige belastbare ökonomische Aufwärtsentwicklung für alle Länder Europas zu ermöglichen. In manchen Ländern müsseen dazu die institutionellen Voraussetzungen erst noch geschaffen werden. Blockierer sind ja übrigens nicht die neu hinzugekommenen Länder im Osten Europas, Blockierer sind die Länder im Südwesten bis hin zu Frankreich, die sich abenteuerliche Irrealität leistet. Wie Deutschland vor 2005.
Das alles, so meine These, spielt sich nur deswegen so ab, weil Europa, der Westen, immer so tut, als wenn alle Probleme einfach politisch zu lösen wären. Die Frage, ob man für Griechenland und für Europa ist, wird einfach damit gleichgesetzt, ob man bereit ist, nochmals Schecks an die zu schicken, die nicht anerkennen wollen, dass sie vom Geld anderer Länder leben. So simpel ist politisches Denken gestrickt: Zwinge alle in deine Entweder-Oder Logik. Wenn es dir gelingt, die Mehrheit in dein Entweder-Oder Schema zu pressen, dann hast du hegemoniale Macht. Neudeutsch wird jetzt auch vom politischen Narrativ gesprochen, also den Märchen, mit denen man die Menschen gewinnen will. Über die Vorgänge im Maschinenraum spricht man lieber nicht, das überlässt man Wolfgang Schäuble.
75% aller Grünen stimmen Schäuble und Merkel zu. Ich finde ja, Umfragen wird zu viel Wert beigemessen. Dennoch sollte so ein Wert auch die politischen Führungen der Mitte-Links-Parteien SPDGRÜNELINKE zum Nachdenken bringen: Viele ihrer Wähler denken längst nüchterner, differenzierter und abgeklärter über Politik als uns die ChefproduzentInnen politischer Narrative erzählen möchten.
Ja, in Griechenland ist das Modell Demokratie erst mal gescheitert. Es gibt keine Partei, die politische Verantwortung im eigentlichen Sinne übernimmt. Das ist traurig und wäre Anlass für substanzielle Debatten. Stattdessen wird weiter über Narrative geplaudert. Ganz schön närrisch!