Grün nach Hamburg. Rück- und Ausblick

Was hat der Hamburger Parteitag gebracht?

Die Grünen haben sich ein Stück weiter auf Konsolidierungskurs begeben. Der zuvor innerparteilich hochumstrittene Asylkompromiss Winfried Kretschmanns wurde mit großer Mehrheit bestätigt. Mit dem Thema Ernährung und Landwirtschaft haben sie ein wichtiges und einigendes Thema auf die Agenda gesetzt. Und die Frage, ob Waffenlieferungen an die Kurden von Grünen unterstützt werden, wurde zwar nicht entschieden, kann aber weiter diskutiert werden. Und, wichtiges Ergebnis in der innnerparteilichen Auseinandersetzung: Cem Özdemir, der diese Diskussion engagiert und risikobereit vorangetrieben hat, konnte mit diesem Ausfallschritt sein Profil gegenüber seinen Konkurrenten im Kampf um die Führung weiter ausbauen.

Lager gruppieren sich um

Zu beobachten ist freilich auch, dass sich die innerparteilichen Lager umgruppieren. Erstmals hat nicht das linke Lager die Diskussionen dominiert, sondern Personen und Positionen, die eher dem realpolitischen Spektrum entstammen. Unverkennbar ist aber auch, dass die Machtstrukturen in der Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern, zwischen Bundesvorsitzenden, Fraktionsvorsitzenden und den exekutiv aufgestellten Ländern noch nicht entschieden ist. Insbesondere die Bundestagsfraktion und ihre Spitze hat ihre Rolle noch nicht gefunden.

Das „Strukturproblem“ ist Folge substanziell unterschiedlicher Orientierung

Was in internen Diskussionen als Problem der Bund-Länder-Verhältnisses diskutiert wird, kann man auch inhaltlich auflösen: Die exekutiv orientierten Länder, insbesondere durch Winfried Kretschmann oder die profilierten Landesminister Tarek Al-Wasir und den schleswig-holsteinischen Minister Robert Habeck in der innerparteilichen Meinungsbildung präsent, reflektieren die Relevanz politischer Entscheidungen eher aus dem Blickwinkel realer Wirkungen, während in Berlin noch immer Vorschläge und Vorstöße im Panorama grüner Programmatik und im Grundsätzlichen verortet werden.

Trotz allem: Die Selbstverortung der Grünen im „hier und jetzt“ nimmt zu. Auch, wenn dieser Prozess, wie am Wochendende, eher unbewusst stattfindet als dass er in den Diskussionen thematisiert wird.

Realos nicht länger nur Realos

Interessante Entwicklungen zeigen sich dabei auch im Lager der Realpolitiker. Dort bilden sich zwei Gruppen heraus, eine Gruppe, die eher inhaltliche Auseinandersetzungen vorantreiben möchte und sowie eine Gruppe von Abgeordneten um die Fraktionsvorsitzende Kathrin Göring-Eckardt, Konstantin von Notz und den Energiepolitiker Oliver Krischer, die eher verhalten und innerparteilich taktisch agieren und über diesen Weg innerparteiliche Hegemonialität erringen wollen.

Eine Aufgabe ist allerdings noch nicht gelöst: Wie beschreiben sich Grüne künftig, da. mit Ausnahme der AfD, alle Parteien ähnliche Ziele definieren, ihre Rolle in einem künftigen Parteiensystem. Die bisher konsensuell vorgetragene Formulierung, man müsse sich wieder stärker auf seine Themen und Inhalte konzentrieren, hilft hier nicht weiter. Eine Partei, die einen Regierungsminister stellt und zwischenzeitlich auf mehr als 20 Prozent Zustimmung gekommen ist, wird mit anderen Maßstäben gemessen als eine Partei, die als Protestpartei oder aus Gründen des Richtungswechsels gewählt wird.

Jetzt, da es der grünen Partei gelungen ist, ihre Sicht der Dinge in Sachen Klima- und Umweltschutz, Vielfalt der Lebensformen als deutschen Mainstream zu etablieren, muss sie weiter daran arbeiten, ihre eigenen Erfolgsformeln und ihre künftige Rolle neu zu definieren.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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