Grün-Schwarz in Baden-Württemberg. Zum Ende der Politikgläubigkeit in Deutschland.

Ich wundere mich ja immer. mehr über die angeblich politisch interessierten MitbürgerInnen, die die Fahnen einer Partei hochhalten und über Unvereinbarkeiten streiten. So, als ob eine Landesregierung die Hebel komplett umlegen könnte. Polititstrategen phantasieren dann immer über „Framing“, „Agendasetting“, bemühen gar Gramsci’s Hegemoniebegriff. Danach wäre es von größter Bedeutung, die hegemoniale Selbstdeutung über die Gesellschaft übernehmen und prägen zu können. 

Damit dürfte es spätestens jetzt vorbei sein. Und das ist auch gut so. Politik hat seinen Stellenwert, aber wir leiden noch immer an den Phantomschmerzen politischer Selbstüberschätzung. Die Wirkmächtigkeit der Politik wird seit dem Aufstieg der SPD nach Brandt , der von den Grünen fortgeführt wurfde, noch immer überschätzt. Ältere von uns erinnern uns an die Idee der „Globalsteuerung“ des SPD-Wirtschaftsministers Schiller. Die Grünen, in ähnlichen Selbstüberhöhungen befangen, reden noch immer von einem Konzept der ökologischen Transformation. Als ob es so etwas im Gesamtpaket zu kaufen gäbe. 
Politik kann Weichen stellen, die Grünen haben das gezeigt. Wer sich den Gesamtprozess des Weichenstellens vor Augen führt, muss allerdings zugestehen, dass es über 30 Jahre gedauert hat, in Sachen nachhaltigen Wirtschaftens wenigstens begrifflich die Weichen neu zu stellen, eine Gesellschaft total umkrempeln, das kann Politik aber nicht. 
Das führt jetzt auch eine grünschwarze Landesregierung vor. Und weil und wenn (davon bin ich überzeugt, jedenfalls beim grünen Teil) es gelingt, eine Regierungsagenda zu formulieren, die die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft flankiert, den Ausbau der Erneuerbaren (Baden-Württemberg war in Sachen Wind ziemlich hinterher) weiter führt, den Prozess der Ernüchterung in Sachen Straßenbau (warum denken CDU-Leute immer, das ständige Reden über viele neue Straßen, die doch nicht gebaut werden, wäre Politik) weiterführt und den Schulen endlich die Ruhe lässt, die sie brauchen, damit sie ihre Arbeit machen können, der ist schon gut.
Handwerkliche Qualität. Mehr will kein Mensch!
Was Deutschland braucht, ist, dass seine politische Klasse versteht, dass sie die Welt alleine nicht ändern wird. Und dass sie besser daran tut, erst einmal ihre eigene Rolle im gesellschaftlichen Kontext zu verstehen (und dann neu zu interpretieren), bevor sie dann wieder die Backen aufbläst und erzählt, wie schön sie die Welt machen kann. 
Glaubt ja doch niemand mehr. 
Bei den Wahlergebnissen der AfD ist eines bemerkenswert: So wirkungsvoll hat noch niemand Politikmüdigkeit vertrieben. Spätestens das sollte den anderen Parteien zu denken geben. Weil sie die Bürgerinnen und Bürger in zunehmendem Maße nicht mehr erreichen. Weil die Unterschiede in der Politik verschiedener Parteien zu wenig erkennbar sind. Weil sie dadurch nicht mehr unterscheidbar sind. Das ist der Nährboden der AfD. 
Wer jetzt daraus den Schluß zieht, Politik müsse wieder radikaler und grundsätzlicher werden, verkennt, daass derzeit keine Alternative zur Markwirtschaft, zum Kapitalismus, aus deutscher Sicht, zur Öffnung und Globalisierung zu erkennen ist. Dass die politischen Konzepte, das ganze zu steuern, schon deswegen obsolet sind, weil die Institutionen, die das europäisch oder global steuern könnten, erst noch im Entstehen sind. Und die meisten Menschen werden erst dann eine neue Vorstellung von der Welt entwickelt, wenn sie stärker sichtbar wird. 
Wer also bejaht, dass die Welt sich globalisiert, die Rollenmuster natinoaler Poliitik damit nur stark eingeschränkt gültig bleiben, der muss sich zu dem Prozess des nüchternen Zusammenarbeitens bekennen. 
Ich bin ohnehin fest davon überzeugt, dass die Beschwörung des Links-Rechts-Schemas eher dazu dient, das eigene Personal einzuschwören als die breite Öffentichkeit zu gewinnen. 
Vielmehr geht es in Zeiten sich auflösender Bindungen und Vorstellungen darum, neue Begriffe und Leitideen zu finden und eine neue Öffentlichkeit für neu entstehende Formen des Zusammenhalts zu finden. Parteien, die hegemonial werden wollen ;-), müssen also erst ins Risiko gehen und neue Unterstützer mobilisieren und an sich binden. Dann werden sie erfolgreich. 
Aber das erfordert Mut. Und weil man sich im politischen Raum immer dreimal begegnet, ist die Angst, auszubrechen, Neues zu erkunden und neue Wege zu gehen, ziemlich groß. 
Kretschmann geht diesen Weg der Selbstentzauberung der Politik. Gut so. Eine Gesellschaft im Wandel muss sich selber wandeln. Die deutsche Gesellschaft, bin ich sicher, kann das auch!

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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