Der Ex-Oberpirat Christopher Lauer und Sascha Lobo haben heute bei www.sobooks.de ein Buch veröffentlicht über Aufstieg und Untergang der Piraten. Darin geht es auch um Schwarmintelligenz.
Die Piraten haben immer drüber geredet. Die Grünen verfügen über dieselbe. Das ist der Unterschied.
Man muss nicht unbedingt wissen, warum man erfolgreich ist (wobei: irgendwann sollte man es schon verstanden haben), Hauptsache ist, dass es funktioniert. Zumindest bis zum nächsten Mal.
Grünes Chaos.
Was ist darüber geredet worden, dass grüne Leader fehlen. Dann haben sich die Grünen Begriffe um die Ohren gehauen, Waziristan, Yogamatten, die man nach dem Irak schicken wollte (oder mehr). Das sah ziemlich nach Chaos, Führungslosigkeit, Untergang aus.
Keine neue grüne Idee in Sicht. Kein neuer grüner Führer.
Und dann dieser Parteitag.
Vorab war ich ja immer der Meinung, es müsse auf diesem grünen Parteitag richtig krachen. Die Öffentlichkeit verlangt nach einem Bild, wozu es Grüne noch braucht.
Die Grünen selber verharren noch immer in dem Bild, man brauche sie wegen der Energiewende. Bullshit! Wegen der Umsetzung dessen, was sie auf die Tagesordnung gesetzt haben. Auch das ist ein Irrtum.
Es geht jetzt nicht mehr ums ob, sondern ums wie. Und das bedeutet, dass man künftig nicht mehr Grün wählt, weil es die richtige Richtung vorgibt, sondern man muss grün wählen, weil einem grüne Inhalte, grüne Haltung, was immer das sei, wichtiger ist, als das, was es kostet.
Oder weil Grüne die richtigen Sachen zum richtigen Zeitpunkt besser machen.
Und da ordnet sich dann das Bild vom Grünen Chaos. Zum Beispiel, wenn Winfried Kretschmann einfach weiter denkt und sagt, scheinbar richtige Beschlüsse auf Parteitagen helfen mir nix, wenn sie dazu beitragen, dass die Unterbringung von Flüchtlingen vor Ort blockiert wird. Er weiss, dass er die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger und der CDU braucht. Letzteres zumindest in Teilen.
Dann verzichtet er lieber auf die Zustimmung der linken papierernen Gesinnungsethiker.
Oder Cem Özedemir, der, weil er sich vor Ort auskennt, zu den Kurden reist und sich ansieht, was los ist. Und dann nicht gesinnungehtisch wie Claudia Roth zurück kommt und weiter Yogamatten und Decken schicken will.
Aber ausblendet, dass die nur noch für die Überlebenden da sind.
Und Andererseits: Claudia Roth hat die mitreißendste der Parteitagsreden gehalten. Sie hat gesagt, es gibt kein Konzept für den Nahen Osten. Punkt.
Da hat sie Recht. Aber konzeptlos sind sowohl Yogamatten als auch irgendwelche Waffen.
Schwarmintelligenz bedeutet, dass man die Widersprüche und die Ratlosigkeit westlicher Politik als Partei widerspiegelt. Und trotzdem zusammen bleibt. Wer sich auf dem Parteitag angehört hat, wie differenziert alle Redner gesprochen haben, war beeindruckt.
Auch ich, der große Nöhler.
Dass sich Cem Özedemir aus der Deckung gewagt hat und dass man jetzt im Fernsehen wieder einmal sehen kann, was für ein großartiger, für alle verständlicher Redner er ist, war seine Chance.
Nur wer existentielle Situationen kenn, weiß, was er risikiert hat. Jetzt steht er erst einmal als Sieger da. Daüber vergisst man leicht, dass er vorher sicher Angst hatte. Realos sind halt mal keine stramme Bedentruppen, sondern jeder kühlt sein Mütchen gerne hier und dort. Und im Ernstfall bleiben sie schön in Deckung.
Es ist der Arbeit einiger Weniger geschuldet, dass dieses Zerbröseln realistischer Politik gestoppt wurde und auch realpolitische Ansätze plötzlich mehrheitsfähig werden. Die, die gemeint sind, wissen, dass ich sie meine. Gutes kommt vom Süden.
Es war kein Plan, sondern Schwarmintelligenz mit Richtungsvorgaben. Das Nachsehen haben jetzt die, die sich immer im Ungefähren tummeln. Aber nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Nicht vergessen!
Deswegen: Noch immer fehlt, von außen betrachtet, ein Bild, wozu es Grüne noch braucht.
Ich sage: Weil sie radikaler als andere wahrnehmen, was los ist. Und dann auch klar und deutlich die Auseinandersetzung darum suchen, was die nächsten Schritte sind.
Schwarmintelligenz mit Richtung. Praktisch gewendet.