Grün wohin. Eine Perspektivbestimmung für eine ziemlich unsichtbar erfolgreichen Partei.

Was von vielen übersehen wird: Die GRÜNEN sind die Sieger der letzten Bundestagswahl. Mehr Wählerinnen und Wähler als jemals zuvor, haben für Grün votiert. Nur ist das aufgrund des Zieleinlaufs als fünftgrößte -und damit kleinste- Partei weitehend ohne Machtoption kurzzeitig in Vergessenheit geraten. Die Grünen, das haben die baden-württembergischen Kommunalwahlen und die parallel stattfindenden Landtagswahlen gezeigt, haben sich etabliert. Einige Thesen, was zu tun ist.

Grüne Herausforderungen

Was aber erwartet uns, wenn wir weiter in die Zukunft sehen. Ich sehe einige große Herausforderungen, die die Grünen gemeinsam und streitbar lösen sollten.

1) Was bitte, ist grün. Wer sich die Parteitagsbeschlüsse der letzten Jahre genauer betrachtet, der erkennt einen verbalen Linksruck. Parteitagsbeschlüsse fordern klare Töne, positionieren sich für die Schwachen der Gesellschaft und zweifeln mehr denn je, dass Krieg, um was anderes handelt es sich in Afghanistan nicht, offensichtlich keine erfolgreiche Fortführung der Politik mit anderen Mitteln ist. Meine These: Der scheinbare Linksruck ist ein Resultat von Generationswechsel und dem Wunsch nach klaren Aussagen, einer klaren Positionierung. Wer darin bloß einen Linksrutsch sieht, irrt. Es ist mehr eine Art neuer Ortsbestimmung.

2 ) Die Diskussion ist eröffnet. Und sie sollte jenseits alter Fronten geführt werden. Wohin gehen die Grünen, diese Diskussion findet bereits seit längerem statt. Die Diskussion um Grundeinkommen, um unser kinder- und sozialpolitisches Konzept (Institutionelle Lösung oder mehr Geld für die, die weniger haben), lief bereits quer zu alten Fronten. Das wird so bleiben. Denn, was offensichtlich konsequent ignoriert wird, ist, dass die jüngeren Menschen sich wenig darum scheren, ob bestimmte Positionen Fundi und Realo sind. Sie wollen eher, dass man ihnen zuhört, die Diskussion geführt wird. Aber unter Reformern ist die große Stille ausgebrochen.

3) Aus meiner Sicht ist die Diskussion über die politische Perspektive keine Frage von links oder Mitte, sondern eine, die differenzierter stattfinden muss. Erhalten (oder zurück gewinnen) sollten sich die Grünen das Recht auf klare Analyse und deutliche Worte. Sowohl Renate Künast wie auch Jürgen Trittin entsprechen dem. Tatsächlich hat sozialdemokratische Undeutlichkeit und christdemokratisches Sozialdemokratisieren zu einer Beliebigkeit geführt, die ihrerseits für Politikverdrossenheit sorgt. Klarheit und Verständlichkeit sind oberstes Gebot. Zum Beispiel in der Aufarbeitung der Finanzkrise. Aus meiner Sicht ist die Frage, wer an der Krise „schuld ist“, ob Politik oder Finanzen bzw. Wirtschaft, völlig falsch. Denn beide haben, zumindest in den USA, ihren Beitrag am Entstehen der Krise.

Wenn man von den erfrischend klaren Inszenierungen von Peer Steinbrück absieht, war die Sanftheit, mit der Politik das wirtschaftliche Elitenversagen abgefedert und ohne ernsthafte, selbst sprachliche Konsequenzen erledigt bzw. in die Zukunft verschoben hat, ein Ausdruck dessen, dass sie sich eben in das Boot „derer da oben“ gesetzt hat. Die besondere Pointe dabei ist, dass die Sozialdemokraten darüber hinaus „für das Volk“ die Inszenierung aufrecht erhalten wollte, sie könne Opel retten. Das glaubten bei Anne Will nicht einmal mehr die Opel-Mitarbeiter, die sich das wünschen würden. Das dicke Ende kommt bestimmt, weil das Thema Opel auch weiterhin als politisches Thema in den Medien bleibt: Einschließlich aller wirklich notwendigen abzubauenden Arbeitsplätze.

Meine Schlussfolgerung für die Grünen lautet deshalb: Klar in der Analyse und Benennung der Tatsachen. Mutig und intelligent bei der Diskussion und Entwicklung neuer Ideen und Konzepte, die aus der Krise führen.

Ein neues Bild der Gesellschaft tut not. Und eine neue Institutionenpolitik.

4) Intelligent in der Entwicklung von Ideen und Konzepten, diese etwas blasse Aussage will ich weiter erläutern.

Meine These: Wir sollten unser Bild von der Gesellschaft überprüfen. Denn noch immer denken wir in den Institutionen des alten Nationalstaats. Aber den gibt es aber schon lange nicht mehr. Es liegt deshalb an den Grünen, ein neues Bild vom Wirken gesellschaftlicher Institutionen zu entwickeln.

Die Grundidee ist einfach und liegt den Grünen nahe. Politische Erfolge werden auch in Zukunft immer weniger einfach „vom Staat“ für seine Bürger und Bürgerinnen organisiert, sie werden in Zukunft immer mehr von einer Bürgersellschaft erstritten – und umgesetzt- werden. Wir alle kennen das Versagen klassischer Institutionen, wenn es um die Lösung wichtiger Fragen geht: Die Schulen sind ein Beispiel. Auch wer seine Kinder in der Staatsschule hat, weiß doch, dass Engagement in der Schule oftmals trotz, nicht wegen der institutionellen Bedingungen stattfinden.

Denn viele Institutionen, die Probleme lösen müssten, sind längst zu Befehlsempfängern mutiert, unfähig, im starren Institutionskonzept etwas zu bewegen oder wirkliche Verbesserungen zu erzielen. Das wissen einerseits alle. Um andererseits von diesen Institutionen immer neue Wundertaten zu erwarten.

So wird inzwischen, befeuert von der Corporate Governance-Diskussion, eine Politik des oberflächlichen Symbolismus betrieben.

Die Bundesagentur für Arbeit ist dafür ein Beispiel. Noch völlig unbeleuchtet ist, wie in der größten aller Behörden, der fäschlicherweise zur Bundesagentur mutierten Pseudo-Dienstleistungsorganisation, mit freundlicher Unterstützung von hochbezahlten Unternehmensberatern fröhlich potemkinsche Dörfer des Erfolgs schafft. Zielvereinbarungen, Corporate Governance, die jüngsten Trends der Politikberatungsfeuilletons werden in der Arbeitsagentur in aller Breite ausgelebt. Die Ergebnisse bleiben im Übrigen gleich. Wenn die Konjunktur schlechter wird, steigen die Arbeitslosenzahlen, Arbeitslose werden in ALG I und II geparkt, bis sie wieder auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt werden. Eingeschoben werden Quick&Dirty Maßnahmen, die die Arbeitslosen aus ihren Fernsehsesseln vertreiben sollen. Aber wirkliche Erfolge in der Vermittlungsarbeit hat noch keiner der angeschlossenen IAB-Wissenschaftler feststellen können. Stattdessen wird daran gearbeitet, die institutionelle Macht auszubauen. Mehr Berater, einen verbesserten Beratungsschlüssel, etc. Aber eine ernsthafte Frage: Wie sollen Menschen, die ihr Leben lang auf einem Amt gesessen haben, Arbeitslose beraten, wie sie besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren seien?

Wer weiß, wie sich die Förderpolitik in den letzten Jahren verändert hat, der weiß auch, dass der Trend zur Kurzmaßnahme geht. Da werden Migranten zum vierten oder fünften Mal in irgendwelche Maßnahmen ohne Ziel gesteckt, damit sie es sich (angeblich) zu Hause nicht zu bequem machen und schwarz arbeiten. Aber mit den hochtrabenden Sonntagsreden von der Qualifizierung der Menschen haben diese Maßnahmen schon lange nichts mehr zu tun.

Die Unkultur der Zielvereinbarungen ist deshalb problematisch, weil keine Freiheitsräume geschaffen werden, die Platz für neues Handeln schafft. Weil der Prozess ja gesteuert werden muss. Tatsächlich entsteht dadurch ein institutionelle Second Life. Es geht nicht um Erfolg, sondern um Erfolgsinszenierung. Um das Bild von Watzlawik fort zu führen: Man nicht nicht kommunizieren. Man kann aber kommnizieren und inszenieren ohne zu tun. Die Inszenierung findet auf der Bühne statt. Aber dar reale institutionelle Leben kann jenseits der Bühne davon ganz verschieden sein.

Das Institutionsversagen ist nicht nur in den Jobcentern und Schulen, es ist auch in Hochschulen festzustellen. Richard Münch hat in intelligenten Analysen nachgewiesen, welcher Unsinn auf der Suche nach Exzellenz produziert wird.

Was ich damit sagen will: Das Vertrauen in die klassischen Institutionen, die „aus einer Hand“ Lösungen produzieren, ist vorbei. Die einzigen Arbeitsplätze, die die Bundesagentur für Arbeit schafft, sind solche in ihrer eigenen Institution. Deshalb ist eine Entinstitutionalisierungspolitik das Gebot der Stunde. Behörden schaffen keine Vermittlungsfähigkeit, sondern verwalten. Und wenn eine Zentralbehörde wie die Bundesagentur für Arbeit im Doppelpass mit der Bundespolitik aus Erfolg hin evaluiert, egal wie die Realität aussieht, ist das eine Konsequenz einer Oligo-, oder Monopolstruktur. Deshalb sind alle Überlegungen, die Arbeit zu dezentralisieren, die Bundesagentur zu zerlegen und auch die Zuständigkeit für Akademiker ersatzlos zu streichen, richtig. Denn auch so lässt sich der Beratungsschlüssel für die zuständige Klientel erhöhen, ohne dass eine neue Stelle geschaffen werden muss.

Was in der Politik nottut, ist eine monopol- und oligopolkritische Institutionenkritik (und –politik). Und zwar auch und gerade mit Strukturen gerade, wenn sie staatlich und öffentlich getrieben sind. Darin liegt die Herausforderung der Stunde.

Ich will das an einem weiteren Beispiel deutlich machen: Der umstrittenen Privatisierung von Kliniken. Ich halte diese Privatisierungen für richtig, weil sie auf dem erstarrten oligopol politisierten Markt der Kliniken für Bewegung gesorgt hat. Und zwar für echte Bewegung. Es werden Kosten sichtbar gemacht. Es wird für unternehmerische Leitung gesorgt. Es wird entschieden und nicht wegdiskutiert.

Frage: Welche Klinik in dem üblichen politischen Verhau (jeder Politiker will Erfolge feiern, keiner will für notwendige Schließungen oder Kürzungen einstehen) hatte früher eine leistungsfähige Leitungsstruktur, die Entscheidungen auch durchsetzen kann?

Erst mit der Entstehung privater Klinikkonzerne hat sich die Qualität in der Führung von Gesundheitsunternehmen und Kliniken gesteigert und formiert. Das ist eine echte Leistung. Auch wenn diese Leistung mit Lohndumping erkauft wurde, inzwischen manche Pfleger im Mindestlohnbereich arbeiten. Dieses Problem ist traurig und nicht hinzunehmen. Aber ist eben auch eine Frage, wie viele Ressourcen man in das Gesundheitssystem reingeben will. Und ob man mehr Klinken mit schlechterer Ausstattung und Löhnen oder weniger Kliniken mit höhererem Einkommensniveau erhält.

Das Beispiel zeigt meines Erachtens aber auch, dass es nicht um eine prinzipielle Frage von Markt oder Staat geht, sondern um die Frage, welche Entscheidung wie viel Bewegung wo auslöst. Vor diesem Hintergrund verstehe ich manche Diskussion über manche feinsinnige Konzepte nicht. Denn der Aufwand, der in manche selbstverliebte Diskussion (Bürgerversicherung) gesteckt wird, wäre besser in die Frage investiert worden, wen wir noch in unsere Strategie einbinden könnten, um Bewegung in die richtige Richtung zu gewinnen. Öffnung in der Auseinandersetzung nicht Schließung von Diskussionen in exklusiven Parteizirkeln ist die Maxime. Und Konzepte sind Orientierungen für politisches Handeln. Und keine Glaubensbekenntnisse, die für alle Zeit gelten.

Die Frage der Privatisierung von Kliniken zeigt übrigens auch, dass es sinnvoll sein kann, die Stellschraube der Privatisierung wieder zurück zu drehen. Wenn man dem Druck zur Kostensenkung beispielsweise nichts mehr entgegen stellen kann.

Und: wäre es nicht auch sinnvoll, über Hartz IV und Agenda ähnlich zu reden. Es war notwendig, in die Behäbigkeit der Arbeitsmarktpolitik Bewegung reinzubringen, den Betroffenen zu sagen, dass sie Teil des Problems, aber auch Teil der Lösung sein müssen. Aber wenn sich jetzt zeigt, dass als Risiko und Nebenwirkung eine ganz starke Polarisierung der Einkommen gefolgt ist, rückt eine neue Frage auf die Tagesordnung: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Wie viel Ungerechtigkeit next door akzeptieren wir? Und wie könnten wir diesen Prozess der Entsolidarisierung stoppen und umdrehen?

Meine These: Grüne können ihre innovative Kraft bewahren oder weiter ausbauen, wenn sie für die Lösung der anstehenden Aufgaben ein neues Bild von Gesellschaft in die Hinterköpfe bringt. Also: Politik arbeitet im 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß, indem sie staatliche Lösungen für anstehende Probleme entwickelt, sondern indem sie nachdenkt, wie das Zusammenwirken von Staat, Bürgergesellschaft und Unternehmen beschaffen sein muss, damit es effizient und effektiv ist.

Bei der Böll-Stiftung und anderen Stiftungen wird darüber schon lange diskutiert. Aber gerade bei manchem „Reformpolitiker“ erkenne ich, dass er sich lieber im Klein-Klein des politischen Alltag (und rituellen Positionierungskampfs) aufreibt, anstatt den Blick auf übermorgen zu richten.

In einigen Fällen, beispielsweise dem Emissionshandel oder der Subventionierung von Solarenergie, haben sich, mit Unterstützung der GRÜNEN, schon neue Lösungen etabliert, in anderen Fällen noch nicht. Ich nenne ein paar noch offene Arbeitsbereiche:

Das Thema Dezentralität/Zentralität: Der Föderalismus ist doch deswegen eine alte Kamelle, weil die einen ständig die Abschaffung predigen (die aus Selbsterhaltungsgründen nicht stattfinden wird), den Ländern tatsächlich aber keine echten Handlungsspielräume zugebilligt werden. Die Landesregierungen und Landesparlamente sind deshalb wie teuer bezahlte politische Sandkastenspieler und ein Nachwuchszuchtbecken der Politik. Sieht so politische Vernunft aus? Wäre es nicht sinnvoll, den Ländern einen klaren Handlungsrahmen zu geben, also auch Einnahmenautonomie, damit sie Verantwortung übernehmen können. Aber die Diskussion, da nicht einfach, wird einfach ausgespart. Stattdessen puzzeln Föderalismuskommissionen an Pseudobaustellen rum, weil sie wie die Maulwürfe nur den nächsten Schritt im Blick haben, aber keine Gesamtorientierung, wo es hingehen soll. Man hat sich eingerichtet.

Die Frage, wie Lösungen organisiert werden können, rückt auf die Tagesordnung. Die Globalisierung trägt ganz andere Früchte als wir vermuten. Sowohl die Idee der Microkredite als auch die Idee des Sozialunternehmens sind Lösungsansätze, die für gesellschaftliche Anliegen neue Lösungsformen, neue Institutionen suchen. Wie überhaupt die Wissenschaftler aus den Schwellenländern sehr viel originellere Ansätze benennen als vielfach wahrgenommen wird. (Ursache ist sicherlich, dass die traditionellen Institutionen, teilweise kolonalistisch vererbt, ohnehin nicht richtig greifen). Ein durchgängiges Merkmal dieser Ansätze: Sie gehen von den Interessen der handelnden Personen aus, sind sozusagen von unten nach oben entwickelt anstatt, wie im Falle der ganzen Gouvernance-Diskussion, von oben nach unten. Und die Idee des „von unten“ sollte auch grüne Diskussionen befeuern.

Oder die Ansätze der neuen Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom. Sie untersucht, wie Gemeinschaftsgüter bewirtschaftet werden können. Die Lösungsansätze sind oftmals eine institutionell neu organisierte Form Wettbewerb. Hier ist Phantasie gefragt. Und welche Partei könnte diese neuen institutionellen Formen besser diskutieren als Grüne, die sich aus den ideologischen Löchern von gestern befreit haben.

Um den Blick auch noch auf ein anderes Feld von Politik zu lenken, die Innovationspolitik. Noch immer scheint mir, dass der Grüne Weltgeist hier davon ausgeht, dass der (grüne) Politiker laserscharf erkennt, wohin die Reise geht. Und in welchen Bereich man deshalb Innovations- und Forschungsmillionen schütten müsste, damit darauf neue bunte Blumen wachsen.

Dem ist aber nicht so. Denn Politiker können, weil Neues eben nicht immer von Anfang an als erfolgversprechend oder gut zu erkennen ist, nicht besser als andere erkennen, wo Innovation drin ist und wo nicht. Sie können nur einen Flaschenhals bilden, durch den Innovation durch muss, wenn sie als solche akzeptiert (und damit staatlich bezuschusst). werden sollen Und dieser Flaschenhals ist zu eng, als dass er Innovation befördert.

Das ist der größte Wettbewerbsnachteil Europas gegenüber Asien und den USA: Während das angelsächsische Modell von Innovation auf Risikokapital setzt, damit das Entwicklungsrisiko outsourced und gleichzeitig die Innovationsfront verbreitert, bleibt, das müssen Grüne selbstkritisch einräumen, auch grüne Innovationspolitik altbacken. Weil sie sagt, dass wir Investitionsprogramme zum Thema Klimaschutz brauchen (was richtig ist), aber nicht darüber hinaus denkt, wie auf breiter Front, „das Neue in die Welt kommt“, und Deutschland in Sachen echter Innovation wieder weiter nach vorne kommt.

Um der Gefahr vorzubeugen, als letzter Neoliberaler stigmatisiert zu werden: Es geht auch bei politischen Fragen darum, Effizienz- und Effektivitätsmodell für die Lösung gesellschaftlicher Fragen zu entwickeln. Ich meine, wir sollten dabei überprüfen, ob unsere Bilder von der Welt noch stimmen. Ulrich Beck mit seiner fröhlichen Analyse der aktuellen Ungleichzeitigkeit hilft hier weiter. Weil er ein unvoreingenommenes Bild zeichnet. Auch Gabor Steingart, Die Machtfrage, ist übrigens ein nicht zu unterschätzendes Buch. Weil er sehr schön zeigt, wie sich die Parteien als Oligopolisten des Machtspiels etabliert haben .Zum Schaden des Gemeinwohls. Und er zeigt im übrigen auch, warum Volksabstimmungen durchaus ein adäquates Mittel sind, um Politik auf die richtige Spur zu bringen. Weil sie den Diskurs der oligopolen Eliten zerschlagen. Weil sie den Blick „derer da draußen“ mit ins Spiel bringen: Der WählerInnen, der BürgerInnen, der MigrantInnen (das wird noch brauchen), kurz, der Gesellschaft. Und Politik nicht auf den Blick der Parteien verengt bleibt.

Soll heißen: Grüne sollten nicht davor zurück schrecken, zu provozieren, klare Aussagen zu treffen, zu streiten und weiter unkonventionell sein. Soll aber auch heißen, Grüne sollten ihren Blick auch darauf richten, eine neue Institutionendiskussion anzufangen. Wir brauchen nicht mehr Wünsch dir was in der Politik. Sondern eine Diskussion, wie wir Gerechtigkeit und Leistungsfähigkeit unter den Bedingungen von Globalisierung neu denken und machen können.

Es kann spannend werden. Auch intellektuell. Aber nur, wenn Grüne von alten Schlachtordnungen ablassen. Mit dem Green New Deal und allen seinen Vorläufern ist es den Grünen gelungen, die ökologische Kompetenz auf die Frage einer wirtschaftlichen Lösung auszuweiten. Diesen Weg der Perspektivbestimmung sollten wir weiter gehen. Die Menschen erwarten eine grüne Antwort, wie wir unsere Zukunft meistern werden. Und sie sollten darüber nachdenken, wie das besser,also effizienter und effektiver gemacht werden kann.

Eine kleine piratentechnische Nachbemerkung:

TNS Infratest hat ausgerechnet, dass 1,5% der Grünwähler zu den Piraten abgewandert sind. Meine These: Da entsteht eine neue Soziokultur rund um die Hauptschlagadern der Wertschöpfung des 21. Jahrhunderts. Gelingt es den GRÜNEN, die Faszination, die für viele Piraten-Nerds von neuen Technologien ausgehen, auch für sich zu entdecken? Den Widerspruch auszuhalten, dass der Technologie einerseits Orwell und andererseits das Wissenschlaraffia innewohnt? Aber das ist nochmal eine ganz andere Diskussion.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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