Hat sich die Umweltbewegung zu Tode gesiegt?

Wenn jetzt statt Risikobewusstsein Risikoscheu und Sanftmut die politische Diskussion bestimmen, ist das gefährlich für unsere Gesellschaft.

Die Umweltbewegung, soweit zur Klarstellung, war und ist wichtig für unsere Gesellschaft. Wenn Sie ihre Rolle und endlich ernsthafte Gegner findet. Aber daran mangelt es zusehends.

Aber nochmal von vorne.

Seit den siebziger Jahren hatte die Umweltbewegung eine wichtige Rolle eingenommen. Wenn Wirtschaftswachstum alles ist, Politik und Wirtschaft die Nebenfolgen ihres Handelns leugnen, Flüsse verschmutzen, die Luft verpesten und die Begrenztheit der Ressourcen leugnen, war es Zeit für eine neue Kraft auf dem politischen Spielfeld. Die Umweltbewegung hat diese Rolle übernommen und gut ausgefüllt.

Die Debatte um Tschernobyl, das Phänomen nicht revidierbarer Technologien wie der Atomenergie, das zweite Tschernobyl, Fukushima, hat Deutschland, ganz Deutschland, auf einen nachhaltigen und, wie es scheint, sanften Weg einer Energiewende gebracht. Mit natürlichen Energien, Solarzellen und Windrädern soll es gelingen, einen harmonischen und mit Umwelt und Mensch verträglichen Weg in eine bessere Zukunft zu gehen.

Wenn das nicht ein Irrtum ist.

Auch hier: Der Weg in Richtung regenerativer Energiewirtschaft ist richtig. Auch die Leitidee einer kleinräumig strukturierten, sanften, regenerativen Energiewirtschaft ist als Leitidee schon ok. Bei der Umsetzung der Energiewende sollte man aber schon darauf achten, dass einem nicht der Idyllengaul durchgeht. Nicht alles wird dezentral machbar sein. Das Thema Offshore kann man sich wegwünschen, schon wegen der Leitungen, die dafür vielerorts verlegt werden müssen, aber bei der Umsetzung einer robusten Energieversorgung ist es gut, sich nicht ideologisch auf einen Weg zu versteifen, sondern eine Varianz zuzulassen. Schließlich hat sich immer wieder gezeigt, dass auf dem Weg zum Ziel noch manche Hemmnis zum Vorschein kommt. Und wenn es nur Weltkriegsbomben sind, die den Netzanschluß eines der Offshore-Windparks blockieren.

Politische Konzepte verlieren auf dem Weg in die Realität an Unschuld. Das Kleinräumige, Unschuldige, Idyllische, das die romantischen Deutschen auch politisch immer wieder heimsucht, Wunsch, nicht Wirklichkeit ist. Biobauernhöfe sind längst keine Kleinbetriebe mehr, sondern betriebswirtschaftlich und effizient zu führende mittelständische Betriebe, regenerative Energie in Bürgerhand klingt gut, aber das bittere Erwachen könnte folgen, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob man zugunsten günstiger Energiepreise weniger ins Netz investiert oder doch besser die Infrastruktur ausbaut. Vom Risiko der Vetternwirtschaft ganz zu schweigen.

Was ich sagen will: Viele von uns, den biodeutschen Mittelschichten, und zwar inzwischen unabhängig vom politischen Standort, träumen den Traum von entspannten guten Leben. Und blenden aus, dass viele Menschen ohne höheren Bildungsabschluss dieses gute Leben nicht leben können, hart kämpfen, um ihren Lebensstandard halten zu können, dass ganz unterschiedliche Lebensentwürfe und Lebensperspektiven in der Bundesrepublik nebeneinander existieren und damit diese Gesellschaft zustande bringen.

Was ich vermisse, ist, dass Politik sich für Menschen mit solch unterschiedlichen Lebensstilen interessiert, sie auf der politischen Bühne sichtbar macht, repräsentiert, für ihre Repräsentanz sorgt, Anerkennung schafft, Respekt, Sichtbarkeit, alles keine Dinge, die Geld kosten. Aber den Politikern die Mühe machen, aus ihren eigenen Milieus heraus zu gehen, Interesse am Leben anderer Menschen zu zeigen, nein, nicht um den deutschen Rettermodus anzuwerfen, sondern einfach, um diesen Menschen Respekt zu zollen.

Zurück zum Risikobewußtsein, auch darüber zu reden, dass eine Energiewende auch bedeutet, dass jeder von uns seinen Beitrag leisten muss. Weil Leitungen verlegt werden müssen, weil sich nicht in allen Fällen unschöne Folgeerscheinungen nicht vermeiden lassen, weil wir manchmal auch auf Technologien zurück greifen, bei denen nicht alle Folgeerscheinungen bekannt sind. Solange die Risiken irgendwie beherrschbar bleiben, muss man das abwägen. Und, um auch mal ein unbeliebtes Beispiel anzuführen, auch Biolandbau kann töten, weil eine extensivere Wirtschaftsweise mehr Fläche braucht, Fläche, die für andere Lebensmitel dann nicht zur Verfügung stehen. Ich sage, dass man das einräumen muss und eine Güterabwägung treffen muss. Aber bitte offen und ehrlich.

Das wäre Führung.

Hat sich die Umweltbewegung zu Tode gesiegt? Das politisch korrekte umweltfreundliche Weltbild, das Politiker aller Farben mehr und mehr zeichnen, gerät mehr und mehr in Schieflage. Man redet sich die Welt schön, man blendet den ökonomischen Alltag, den Kampf um Weltmärkte, um neue Technologien und Entwicklungen aus dem politischen Diskurs aus, man stilisiert die Unternehmen oder Industrie, die man braucht, zum Feind als ob die „etwas anderes“ wären und nicht die Unternehmen, in denen viele von uns arbeiten, Überschüsse erwirtschaften, auch manchmal mit Gütern, die nicht in unser sanftes, risikoscheues Weltbild passen.

Mehr Nüchternheit und Realitätsbezug, das wünsche ich politischen Debatten, auch dem aktuellen Wahlkampf. Die aalglatte Politisprechtextur, die man aktuell erleben kann, wirkt da fremd, wie eine künstliche Decke, in der sich die Politik eingewickelt hat, um sich gegen die Wirklichkeit zu schützen.

Schöne, alte Wirklichkeit.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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