oder: Eine Antwort auf die Frage, wie lange er wohl noch Minister bleibt?
Auch mir geht die mediale Dauerpräsenz unseres Gesundheitsministers manchmal “auf den Zeiger”. Aber gefragt, ob Lauterbach wohl noch lange Minister bleibt, antworte ich: Ja, aber sicher. Weil er aus politischer Perspektive (was heißt: Aus der ihn parteipolitisch tragenden Sichtweise) seinen Job sehr gut macht.
Argumente zählen. Und wer über die Halbwertszeit unseres Gesundheitsministers spekuliert, sollte sich nicht von seinen Gefühlen leiten lassen.
Grundsätzlich: Viele Lobbyisten sind -und, um das klarzustellen, im Gesundheitsbereich ist jeder Lobbyist, Lobbyistin- genervt
- von der Dauerpräsenz des Ministers in Talkshows und auf Twitter
- von der Art, wie der Minister, die anstehenden Fragen angeht, also, dass er
- erst alles im Ministerium oder seiner Expertenrunde bespricht,
- wirklich nichts nach außen dringt,
- er dann mit Eckpunkten aufschlägt,
- und erst dann mit den Lobbyisten, neudeutsch Stakeholdern, und den Bundesländern redet
- dass er mit einer wilden, scharfen Rhetorik “Revolution im Krankenhausbereich” agiert, die alle, die sich der Komplexität des Themas bewusst sind, kalte Schauer über den Rücken laufen lässt.
Oberstes Gebot eines durchsetzungsstarken Ministers ist, dass er die Hackordnung klar macht
Und deswegen meine ich: Lauterbach wird bleiben. In Gegensatz zu seiner Ministerkollegin, unserer Verteidigungsministerin Lambrecht, steht er seinen Mann. Und zwar aufrecht! Frei nach dem Motto: Viel Feind, viel Ehr!
Scholz könnte nicht entspannter sein:
- ein Minister, der allen Unmut auf sich zieht, aber sich weiterhin knallhart zeigt, entlastet einen ohnehin überlasteten Kanzler,
- das Gesundheitsministerium will ohnehin keiner haben. Weil man tatsächlich was bewegen kann. Und dann die Prügel dafür kassieren muss. Das Ministerium steht unter Dauerbeschuss, auch die Bündnisgrünen haben zu Legislaturbeginn das Ministerium dankend abgelehnt. Lorbeeren hat da bisher niemand geerntet (und die Ehrungen, die es posthum gab, waren immer nur in Teildisziplinen; Bestes Küchenkabinett: Ulla Schmidt, bester Smoothie: Hermann Gröhe, bester Kommunikator und kommunikativer Disruptor: Jens Spahn.) Gesamtpreise werden in dieser Disziplin nicht vergeben.
- Ein Minister, der Weichenstellungen vornehmen muss, ohne dass er diese Weichenstellungen ständig mit Geld zu”schmusen” kann, hat ohnehin nur eine begrenzte Laufzeit. Und da ist der 24/7 Minister Lauterbach, Asket und scheinbar keinem verbalen Krawall abgeneigt, nicht die schlechteste Besetzung.
- Die linke Ministerrhetorik leistet das, was aus Scholz’ Sicht die Kernleistung ist: Es befriedigt die postrevolutionär sentimentale linke SPD, die sich mit Lauterbach einig zeigt, es “den Lobbyisten” mal richtig zu zeigen und das Ganze in die gutmeinende, wohlfahrtsgesonnene öffentliche Hand zu legen.
- Die Auswahl der Kommissionsmitglieder zeigt, dass der Minister sich zuvor eine eigene Meinung dazu gebildet hat, wem er vertraut.
- Die Disziplin, mit der Ministerium und Kommission die zahlreichen Punkte abarbeiten, ohne dass etwas nach außen dringt, zeigt dann doch, dass der Minister seine Vorstellung, wie die Arbeit zu machen sei, durchsetzen konnte.
Respekt, Professor Lauterbach!
Auch wenn ich nicht, und zwar gar nicht ihrer Meinung bin.
Und schließlich:
Lauterbach erntet das Chaos, das zwanzig Jahre mentaler Selbstbetrug und Selbstblockade dreier politischer Ebenen (Bund, Selbstverwaltung, Länder) angerichtet haben.
Aber dazu später mehr!