Was habe ich über ihren Beitrag in der Berliner Zeitung vom 6.2.2010 gelacht. Denn ich hatte dieselbe Frage: Wie gelingt es einem Unternehmen, mit spärlichsten Angaben Journalisten dazu zu bringen, sich besoffen zu schreiben. Die Antwort: Jobs hat von Google gelernt. Und Journalisten sind Lebewesen zwischen Lämmern und Lemmingen. Mit ein paar großartigen Ausnahmen. Zum Beispiel Frank Schirrmacher, aber da benötige ich noch ein bißchen Zeit, um sein Ideenfeuerwerk ausführlich zu würdigen (Man muss nicht jede These teilen, aber zuweilen ist es schöner, gemeinsam im vernebelten Wald herumzulaufen und sich Durchhalteparolen zuzurufen als daheim zu hocken und über andere zu klug zu sch….., die da draußen im vernebelten Wald. ……).
Schirrmacher war es auch, der das für die Debatte richtige Bild ins Feld geführt hat: Nicht Orwells 1984, sondern Huxley’s „Brave new World“ ist die Erzählfolie für das Jetzt.
Mit hellwachen Wochenendgrüßen
N. Huss
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2010/0206/meinung/0055/index.html
Lieber Steve Jobs!
von Mely Kiyak, freie Autorin in BerlinWow! Eine Firma zu besitzen, deren Jahresumsatz verlässlich um die eineinhalb Milliarden Dollar Gewinn schaukelt, während die Ausgaben für Marketing nicht einmal den Gegenwert einer Bockwurst mit Schrippe ausmachen, is nothing to shame about.
Ich habe mir Ihre Pressekonferenz auf Video angeschaut, wie Sie in alten Klamotten dieses Gerät mit Patschfunktion vorstellten. Über eine Leinwand sah man eine Großaufnahme des iPad. Auf der Bühne: ein Mann, ein Sessel, ein Beistelltisch. Handwerbezettel, Fernsehreklame, Radiospots? No way!
In Amerika sagt man, you don’t shit where you eat, also, man macht keinen Haufen auf die Tafel, von der man speist, doch ungezogen wie ich bin, kann ich schwer an mich halten. Meine ausschließlich männlichen Journalistenkollegen sind vor Ekstase schier verrückt. Es sind treue Jünger Ihrer Sekte, die hallelujah und oh Lord stöhnend durch die Medien missionieren. In Deutschland wurden Sie als „Lichtgestalt“ (Rheinische Post) gepriesen. Ein anderer Kollege fand einfach keine weltliche Erklärung und fragte glotzäugig „Kann Steve Jobs zaubern?“ (Frankfurter Rundschau).
Noch toller wird es, liest man die Beschreibungen des neuen Produktes. „Wunderwaffe“ (Handelsblatt), „Pad der Hoffnung“ (Weltwoche) und „Neue Zeitrechnung nach iPad!“ (Welt), sind nur einige Beispiele testosteroner Besinnungslosigkeit. Wenn Sie übermorgen nur so aus Jux einen iErkocher und iErschneider auf den Markt würfen, die Kerle würden ohnmächtig vornüber fallen.
Meines Wissens war kein Kollege aus Deutschland in Amerika, noch hat jemand das Gerät angefasst, geschweige denn ausprobiert. Journalisten seriöser Qualitätsmedien schrieben einfach folgsam aus dem eineinhalbstündigen Vorführfilm ab. Ihnen kann man keinen Vorwurf machen. Sie sind ein fleißiger Typ mit Gespür für Zeitgeist. An Ihrer Stelle wäre ich längst größenwahnsinnig geworden.
Dabei kann das Dingen, das Sie dieses Mal erfunden haben, nichts, was bisherige Geräte nicht auch könnten. Es verschafft Zugang ins Internet, was unterwegs durch Deutschland jedoch wenig nützlich ist. Denn auf sämtlichen Bahnstrecken gibt es keinen Zugang ins Internet. Außer der Zug hält in Hildesheim zwei Minuten am Bahnhof.
Einzelne Verrückte glauben, dass Schönheit und Eleganz manchen Designs elektronischer Geräte auf den Benutzer abfärbten. Mitnichten, Gentlemen! Bislang war es keine sonderlich ästhetische Vorstellung, die Mitreisende boten. Männer mit groben Wurstfingern beim Befummeln ihrer winzigen Geräte zuzusehen, wie Sie, patsch patsch, ständig die richtigen Tasten verfehlen, ist nichts, was Appetit macht. Dass es demnächst so aussieht, als würden Horden von Zugreisenden an hässlichen Ticks leiden und hektisch Krümel von ihrem Schoß wegfegen, erhöht die Vorfreude auf eine optisch optimale Umgebung bei mir nicht.
Nun sind sogar Verleger begeistert und erhoffen sich eine Rettung ihres Geschäftes. Die Medienhäuser glauben, das Gerät würde das Zeitungslesen revolutionieren und aus Bürgern Abonnenten machen. iDerdaus! Meines Wissens ist der Toaster nur so gut, wie das Toastbrot selbst.
Good luck and kisses,
Yours Mely