Ist es ein Traum? Oder ein Rausch? Der 30jährige Geburtstag der GRÜNEN ist Anlass, zu träumen. Von einer Partei neuen Typs, einer Bewegungspartei. Zu träumen von den GRÜNEN in dreißig Jahren. Mein Zukunftstraum.
Wenn ich eines liebe an den Grünen, dann die Widersprüche. Die Basispartei, die wie keine andere, von oben gesteuert wird. Wenn es eine Schwarmintelligenz gibt, dann ist sie grün. Erfreulicherweise werden die innergrünen Debatten nicht mit derselben Härte geführt wie bei den Sozialdemokraten. Der politische Gegner sitzt immer noch anderswo. Und selbst der wird inzwischen zum Konkurrenten und nicht dämonisiert.
Die Grünen werden auch in dreißig Jahren eine soziale Bewegung sein. Auch, und das ist nicht zynisch gemeint, wenn sie sich an den eigenen Widersprüchen abarbeiten. Denn die Sachlichkeit, mit der sie das machen, macht sie zu einem Katalysator der Gesellschaft. Zum Beispiel in der Friedensfrage, in der Grüne den Problemen nicht aus dem Weg gehen. Zum Beispiel in der Frage von Wachstum und Umweltschutz, in der die Partei längst einen Weg gefunden hat, mit den Widersprüchen zu leben. Und sie auszuhalten. Und neue Lösungen zu entwickeln. Weil sie sich umsieht.
Der Triumpfzug der Grünen ist ein Sieg des Realismus gegenüber der Ideologie. Es geht längst nicht mehr um Staat gegen Privat, das sind die Schlachten für die Dummen, es geht um das beste Arrangement zwischen den beiden. Was nur heißt, die Minimierung von Ungerechtigkeit, Reibungverlusten, Verschwendung, Fehllallokation.
Grüne sind auch, und hierin liegt der Kern des Bewegungspartei Arguments, ein Ausdruck dessen, das Politik längst das Parlament verlassen hat. Das nationale sowieso. Die europäische Bühne ist erst im Werden begriffen und die politische Welt ist dabei, ihr Arsenal von Werkzeugen neu zu ordnen. Wo kann in einem globalen, entfesselten Kapitalismus eine regulative Grenze gezogen werden? Wo sind politische Veränderungen mit Leistungsgesetzen zu machen und wo führen sie zu einer Entmündigung der Gesellschaft. Das Beispiel Hartz IV macht wieder einmal deutlich, wie schimärenhaft diese Diskussion geführt wird. Die Bildungspolitik ist ein Thema, an dem deutlich wird, wo die Grenzen des Gemeinwohls erreicht werden; – auch innerhalb des grünen Klientels. Denn wenn dem eigenen Nachwuchs Gefahr in den Schulen droht, helfen keine ideologischen Konstrukte. Das ist bitter, aber die Wahrheit. Wer traut der öffentlichen Hand heute noch zu (zumindest in einer Stadt wie Berlin oder auch in bestimmten Stadtviertel in Hamburg), dass sie die Zusammelegung der Schulzweige ohne Verlust von Qualität der Lehre für die schafft, die qua Bildungsbürgervoraussetzungen, das Gymnasium angepeilt hat. Gerade Grüne, die ja auch immer wieder in prekären Stadtvierteln wohnen, sind von solchen unterinstrumentierten REFORMKONZEPTEN ziemlich bedroht.
Für mich sind die Grünen Avantgarde. Das ist ein Privileg, das auch mit dem Bildungshintergrund zu tun hat. Avantgarde sein ist in einer Zeit massivster Umbrüche kein Zuckerschlecken. Denn die Umbrüche finden bei jedem von uns im Kopf statt. Und letztlich auch, ganz aktiv, in dieser Partei.
Ich träume davon, dass die GRÜNEN als Partei so eine Art „Impfungsimunität“ entwickeln werden. Jede der Herausforderungen, die auf uns zukommen, nehmen den Weg nicht an den Grünen vorbei, sondern durch sie hindurch. Das macht sie stark. Auch wenn sie sich manchmal schwach fühlen. Das führt dazu, dass sie nicht brüllen wie die Löwen oder die Liberalen, die dann, wenn sie oben am Felsen angekommen sind, verblüfft feststellen, dass es jetzt gar niemand mehr hören will.
Ich träume einen grünen Traum. Der ist mal lebhaft, mal nachdenklich, mal Attac, mal Künast, mal Trittin, mal Özdemir. Weil im Traum das ganze Spektrum von Kampf bis Beobachten, Reden und Verstehen bedient wird. Weil GRÜNE von den nächtlichen Augenklappen absehen, um sich für den nächsten Tag auszuhübschen. Weil sie ahnen, dass Politik auch machbar sein muss. Und dennoch träumen. Weil sie die Unsicherheit der Zukunft nicht durch lautes Pfeifen im Wald übertönen wollen. Deshalb GRÜN!