Die Berliner Republik ist wieder auf das Modell des Rheinischen Kapitalismus verfallen. Doch anders als in der Nachkriegszeit, in der es darum ging, industrielle Strukturen wieder aufzurichten, geht es jetzt darum, im Wettbewerb mit jungen dynamischen Volkswirtschaften mit leistungsbereiter Bevölkerung und ehrgeizigen Führungsmannschaften, Innovationsführerschaft zu behaupten.
Der FAZ vom 27.4. ist ein besonderer Einblick in die deutsche Führungs-Un-Kultur gelungen. Es geht um die Plattform „Nationale Elektromobilität“. Und wer mit wem kann und mit wem nicht. Und wer weshalb in welchem Gremiums sitzt, das die tröpfelnden Innovationsgelder an die immersatten Marktführer verteilt.
Wird so Innovation organisiert? Sehen sie selbst in der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.04.2010 Seite 16. Oder kurzes Mail an mich, dann kommt der Artikel postwendend.
Alle übrigen müssen sich auf die Aufzählung der wichtigsten Fakten beschränken. Die beteiligten Verbände:
BDI, VDMA, VDA, BITKOM, ZVEI, BdEW, VCI. In diesen Verbänden jeweils noch spezifische Interessen der entsprechenden Marktführer überrepräsentiert. Zumindestens beim VDA belegt. Dann eine Handynummer von der Kanzlerin. Und enge Verbindungen zwischen Politik und den wirtschaftlichen Entscheidern. Ach ja, vergessen habe ich ja den Joker, akatech, Milberg, der später den Vorsitzenden machen wird.
Wird so Innovation gemacht? Von Männern über sechzig? In Unternehmen, die in gefestigten Märkten ihre Claims abstecken und abstecken wollen? Von Menschen, die sich in immer ähnlichen Konstellationen zu immer ähnlichen Runden einfinden und in diesen Runden INNOVATION definieren?
Ist das Innovationspolitik? Oder ist die Erhaltung des Innovationsdefinitionsmonopols. Als Schlüssel zum Geldzugang. Wenn man dann die Kanzlerin erlegt hat, sprudelt das Geld in nach feinzisilierten Regeln in vorab definierte Kanäle. Proporz.
Und versickert da.
Mal ehrlich: Findet Innovation eigentlich im Kanzleramt statt oder in den vornehmen Hinterzimmern der Repräsentanten, wo geschmeidige Lobbyisten und testorongeschwängerte Machomänner sich als Herren des Universums inszenieren? Zigarren gehören da immer zum Ambiente!
Nein.
Mal ehrlich: Wir erkennen, dass das Problem des Lobbyismus nicht Schmiergeld und Strippenziehen ist, sondern Stellungskriege, die noch dann stattfinden, wenn sich die Entscheidungsschlachten schon längst anderswo stattfinden.
Der echte Frontverlauf ist nämlich da, wo echte Innovation stattfindet. Wo Neues entsteht. In Garagen, Hinterzimmern, technoblinden zukunftsgeilen, selbstbezogenen, selbstverliebten, technikverliebten, kuriosen, ahnungslosen, visionären Gründer- und Entwicklerhirnen. Bei Menschen mit wenig Macht und viel Vision.
Bei Tesla zum Beispiel, die neben der Idee auch das Geld in der notwendigen kritischen Masse eingesammelt haben und jetzt verbrennen dürfen. Am Ende wird man sehen, ob dabei etwas raus kommt. Oder ob nur alle diejenigen, die fest daran geglaubt haben, eine Erfahrung reicher sind.
Während dort Entwickler entwickeln, neue Chancen entdecken, an die Wand rennen, Absagen kassieren, Zusagen kassieren, von sich überzeugt sind, die Welt erobern wollen, kurz vor dem Durchbruch sind, dann doch nicht vor dem Durchbruch sind,
……. tagt in Deutschland in der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom das erste Mal die Nationale Plattform Elektromobilität und macht die Präludien, um das Geld der Kanzlerin verteilen zu dürfen (wie viel ist das eigentlich? Und wie groß sind diese staatliche Innovationsalmosen in Relation zu Investmentfonds?)
…….. lädt der Energiemonopolist RWE alle Berliner Nichts- uund Wenigtuer und Auch-dabeisein-Woller ein, sich mal in einem echten Tesla (made in USA) mit RWE-Aufkleber einen echten Innovationsflash zu holen. Und freut sich, dass es seine alten Atommühlen, deren Entsorgung noch immer nicht geklärt ist, nochmal länger abschreiben kann. Dann muss man nur noch den regerativen Energien einige Steine in den Weg legen, zum Beispiel bei den Netzen und schon laufen die Atommühlen länger.
Und profitabel.
Wird so Innnovation gemacht? Nein, aber Börsenkursmaximinerung. Und während also die deutsche Politik und die Deutschen Innovationsgelderverteilungslobbyisten weiter für die Generalprobe ihrer neuesten Bühneninszenierung „Wir machen Innovationstheater“ proben, findet „draußen vor der Tür“ die echte technologische Revolution statt.
Die Arbeit machen die anderen. Die Gewinne auch. Aber Deutschland, das Land der Ideen, hat sich selber gefeiert. Schön wars. Aber am nächsten Morgen ist es vorbei.
Und vergessen.
Deutschland. Das Land der Ideeeninszenierungen.
P.S. Es gibt ja auch das Utopia der Ideen. Das heißt Europa. Die letzte EU-Kommission wollte mit ihrem Masterplan die EU zur Innovationsregion Nummer 1 in der Welt machen. Schon gemerkt? Geld ist geflossen. Innovation hat es anderswo gegeben.
Politik heißt nicht nur das Bohren dicker Bretter. Es sollte aber auch das Eingestehen von Machtlosigkeit sein, wenn man machtlos ist. PR geht anders billiger. Und hält Unternehmen dann nicht von ihrer Arbeit ab.