Intelligentes Marktregime. Das reicht! Energiepolitik, Gesundheitspolitik. Und die Frage, was wirkt.

Wer die politischen Sonntagsdebatten hört, vernimmt immer wieder, dass es um Markt oder Staat geht. Das täuscht. Am Montag singen nämlich die schärfsten Marktliberalen das Lied der Schutzzäune und ökonomischen Austragswiesen. Der liberale Gesundheitsminister ist dafür nur ein Beispiel. Bewegung findet nur langsam statt, weil Politik, zumindest in Deutschland, ängstlich, zaghaft ist. Und die Intellektuellen, die Forscher und Thinktanks auch. Geschmeidig und wendig stehlen sie den scheinbaren politischen Entscheidern das Wort aus dem Mund und machen eindimensionale „Mental Forecasts“, Gedankenspiele in die Zukunft, wie alles sein könnte. Quick and dirty.

Am besten ist das übrigens in der Gesundheitsbranche zu beobachten. Was gab es da alles für Trends. Integrierte Versorgung, MVZs, Evidenz based Medizin, jetzt neu im Rennen „Pay for Performance“, Wertschöpfungskellen der studiengeilen Wissenschaft.

Was es bringt? Wenig bis nichts. Denn morgen wird wieder eine andere Sau durchs Dorf getrieben: Und als Gegenspieler des neuen Approachs agieren zählebige Lobbyisten, die neue Ansätze, Begriffe und Konzepte so zermürben und zerreden, bis sie, verdorrt, zerredet, verenden. „Staub bist du und zum Staub kehrst du nun zurück“, der feierliche Gedanke der Entsorgung, des Nachrufs, er ist beim politischen Trend untersagt, es gilt die Vorwärtsorientierung.

Wenn das aber alles nichts mehr nutzt? Wenn die fruchtlosen Gedankenspiele, eindimensional, nicht mehr greifen, weil die Politik und die geradeaus denkenden Teile der Gesellschaft, Intellektuelle, Journalisten, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik mal Real Life Denken einfordern? Weil isolierte Gedankenspiele (Radikalmarktwirtschaftliche Phantasten und abstraktsozialistische Gutmenschplaner) nicht nutzen, weil die Realität schon längst unrein ist? Markt und Staat? Wettbewerb und Kooperation? Oligopol und Wettlauf der Freien Kräfte? Dann sind die Forscher mit ihrem Latein am Ende. Nur ein Beispiel: Die Energiewirtschaft.

Nachdem zwanzig, dreißig Jahre die saubere und kostengünstige Atomenergie der Gral der Modernisten war (und ihnen mit Tschernobyl, Fushushima und den wachsenden Kostenberechnungen ihre Konzepte buchstäblich um die Ohren geflogen sind), hat sich zumindest Deutschland auf den regenerativen Energiepfad verständigt.

Rotgrüne Grundlegung hat das EEG geschaffen, Forschungs- und Entwicklungsförderung auf Verbraucherkosten, nicht schlecht konstruiert, mit absenkbaren Einspeisevergütungen, dennoch: Menschenwerk. Die Schwachstellen liegen auf der Hand: Der Aufbau eines wettbewerbsfähigen Regenerativen Energiewirtschaft in Deutschland, den man zum Ziel hatte, ist, zumindest, wenn man in Baukapazitäten denkt, mißlungen. Auf dem Weltmarkt ist China mit deutscher Maschineningenieurshilfe durchgestartet und hat, ganz bürokratisch administrierte, auf Kampf ausgerichtete Nationalökonomie, den Weltmarkt geflutet. Wer überlebt, weiß man nicht, aber ein wesentlicher Teil der unternehmerischen Kapazitäten wandert ab. Solarindustrie wandert aus Deutschland ab, und wenn ich einen Beitrag über Vestas in Dänemark richtig gelesen habe, findet in der Windenergie dasselbe statt. Renewables goes China (den Trend übrigens verschläft Indien).

Neben dem nationalen EEG stehen andere Instrumente. Die Strombörse, auf der freie Kapazitäten nach einem kunstvoll ausgeheckten Preisbildungsmodell verhandelt werden, der Emissionshandel, der als eine Art Glasperlenspiel betrieben wird. Der Zertifikatsmarkt wird mit kostenlosen Zertifikaten geflutet, alle dürfen mitspielen, aber niemand weiß, wann das System scharf geschalten wird. Der rasche Zubau regenerativer Energien führt dazu, dass die Emissionsbörse immer weniger funktioniert. Es wird schlicht nicht gehandelt, weil zu wenig Nachfrage da ist.

Chaos allerorten. Obwohl über dem Ganzen nicht verloren gehen sollte, dass der Weg zur Regenerativen Energieversorgung auf großen Schritten erfolgt. Worüber wir diskutieren, sind die Nebenfolgen einer Übererfüllung. Und da kommen zusätzliche Kriterien ins Spiel. Zum Beispiel Effektivität und Effizienz. Und damit auch die Frage, wer das ganze wie lange bezahlen muss, die Frage, wer auf dem Energiemarkt der Zukunft welche Rolle hat (die großen EVUs haben auf dem deutschen Nichtmarkt nämlich im Moment überhaupt keine klare Rollendefinition mehr, aber als Oligopole haben sie natürlich die Macht, das „Framework“ wieder nachhaltig umzukrempeln).

Jetzt kommen neue Modelle auf den Markt (Oder vielmehr, es werden alte recycelt). Die Quotenregelung, nachdem Planziele für verschiedene Energiearten festgeschrieben werden sollen. Dann gibt es eine Neuentwicklung, die Bereitstellungsvergütung, mit der die großen EVUs ihr Restgeschäftsmodell absichern wollen, Pay for Nonperfomance sozusagen. Mehr Staat statt Markt.

Tatsächlich ist es so, dass alle Ideen auf immer mehr Regulierung und (kostenträchtige) Eingriffe und nur wenige Ideen auf eine dynamische, anpassungsfähige Marktordnung setzen (neben dem Nebeneinander der verschiedenen Ebenen, Länder, Bund und EU, die mit unterschiedlichen Instrumenten gegeneinander arbeiten).

Und so wühlt auch die Wissenschaft nur in den jeweiligen Schützengräben. Sogenannte „marktliberale“ Forscher präferieren ein Quotenmodell (was ist daran marktwirtschaftlich?), während die Gegenseite noch konsterniert wirkt. Es fehlt eine offene Bilanzierung des Grenznutzen des EEG, eine Neubestimmung der Rahmenbedingungen eines entschiedenen, aber flexiblen Rahmens für den Weg zu einem 100% regenerativen Energieziel. Es fehlt eine nüchterne Auflistung der Kosten und eine offene Diskussion über verschiedene Pfade. Stattdessen gibt der politische Begleitschutz der Regenerativen, die GRÜNEN, neue Ziele aus, frei nach dem Motto, wenn der politische Gegner jetzt unsere Ziele übernimmt, legen wir eine Schippe drauf. Das macht man immer so, bis die Stimmung kippt und der Trend dann in die andere Richtung läuft. Weil die Kosten davon laufen. Weil der Stromausfall droht. „The Tipping Point“, jeder weiß es irgendwie, dass es so nicht weiter geht, aber keiner hat den Mut, das zu sagen, bis die Kugel dann in die andere Richtung läuft.

Was fehlt, ist also die Diskussion über Intelligente Marktregie. Ein wissenschaftlich interdisziplinäres Konzept, das Entscheidern hilft, in die Zukunft zu blicken. Eine Kosten-Nutzen-Abschätzung politischer Konzepte. Das Instrumentarium heißt ua. Szenarienanalyse. Sie würde helfen, die Funktionsweise von Konzepten (im Realmodus) mit der Funktionsweise alternativer Stategien zu vergleichen. Und am Ende Bilanz zu ziehen.

Die Energiepolitiik ist nur ein Feld dafür. Anwenden könnte man eine solche Methode auch in der Gesundheitspolitik, Deutschlands größtes als Markt getarntes Bewirtschaftungsfeld, in der Forschungspolitik (Wie die Repräsentation von Exzellenz die Herstellung von Exzellenz verhindert), der Arbeitsmarktpolitik (Wie ein Monopol sich seinen eigenen kommunikativen Markt schafft), des Telekommunikationsmarktes (Wie die Miteigentürmerschaft eine entschiedene Aufstellung eines dynamischen Marktes verhindert) und vielen anderen Bereichen.

Denn Tatsache ist, dass es „den Markt“ schon längst nicht mehr gibt. Am Montag. Dem Tag nach dem Sonntag.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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