It’s the economy, stupid. Warum Unternehmen aber trotzdem den Prügelknaben abgeben.

Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts. Unternehmen zeigen sich zusehends verstört über die Politik. Unzuverlässigkeit, Wankelmut, Ratlosigkeit, Zaghaftigkeit, das sind die Schlagworte, mit denen die Fragen garniert werden. Zudem fühlen sich Unternehmen häufig von NGOs und Politik angegriffen. Was tun?

Eine Frage der Haltung. Unternehmen haben bisher oftmals gehandelt, als ob es eine „liebsame“ oder „unliebsame“ Regierung gäbe. Tut es nicht. Dem Laize faire der konservativen Regierung stehen als „Kosten“ eine erhöhte Portion Unberechenbarkeit gegenüber, während rotgrün in einem gewissen politisch motivierten Handlungsüberschusstrauma agiert. Gegen beides gilt es Vorkehrungen zu treffen. Mit beiden Regierungen gilt es, ein konstruktives Verhältnis zu gewinnen.

Vorwärts und nicht vergessen. Ein konstruktives Verhältnis, was ist das? Ich definiere das mal ad hoc. Es ist ein Verhältnis, das sich aus einer vorwärtsgewandten Sichtweise definiert. Was sind die Fragen, die in den nächsten vier Jahren anstehen. Dann zweitens, die das Primat der Politik akzeptiert. Politik ist da, um Rahmen zu setzen. Wenn das nicht passiert, siehe USA, wird mit viel Geld und wenig Hirn aufeinander geballert. Das Gemeinsame, das Gemeinwohl bleibt auf der Strecke. Dann gibt es eine systematische Perspektivverzerrung der Politik. Ich möchte das mit der Allmachtsfantasie der Parteien beschreiben. Parteien entwickeln Weltbilder, die Homogenität suggerieren; mehr Homogenität, als die Wirklichkeit zu bieten hat. Naika Foroutan hat für die Migrationsdiskussion den schönen Ausdruck Hybride Identitäten geprägt. Angewandt auf die gesamte Gesellschaft können wir sagen, dass Eingewanderte (und die nur zögerlich akzeptierten Söhne, Töchter und deren Nachkommen) oder die unsichtbaren Migranten aus den neuen Bundesländern sich mit dem Hybriden einfach weniger schwer tun. Deshalb denken sie wesentlich pragmatischer über Politik, Zusammenhalt, Identität. Auf einen Punkt gebracht: Politik denkt und handelt noch im Rahmen des Nationalstaats, den sie auch den Sozialkundebüchern mitgenommen hat. Der ist in der Hybriden Identität des Nationalstaats aber schon längst obsolet geworden. Es geht darum, vorrangige Issues, Themen und auch Schlachtfelder zu identifizieren. Dann die Kräfte zu bündeln. Und Lösungen zu finden. Politik ist nicht die Suche nach Konsens, hier irrt Jürgen Habermas, Politik und der Umgang mit Politik ist vielmehr die Formulierung eines Verhandlungsangebotes, auch seitens der Unternehmen, an die Politik. Das ist etwas anderes. Wir alle bewegen uns im institutionellen Neuland, weil alte Formen in neuen Umfeldern neue Funktionen und Rollen erhalten.

Verbände kommen dabei übrigens immer mehr ins Hintertreffen. Die werden nämlich nach dem Prinzip definiert, dass der langsamste den Kurs bestimmt. In einer gesundheitspolitischen Diskussion bei der Heinrich Böll Stiftung hat der Geschäftsführer des Verbands der Universitätskliniken, Rüdiger Strehl den schönen Ausdruck geprägt, die Deutsche Krankenhausgesellschaft,  das gälte auch für den PKV Verband und andere, wäre so etwas wie die Denkmalschutzvereinigung der Kliniken. Gut gebrüllt, Löwe. Wer zum Gestern schielt, wird das Morgen nicht ins Auge fassen können.

Jetzt kommt so ein Laberbegriff, ernst gemeint: Governance. Verbände, auch Unternehmen, brauchen Führung, Leitgedanke für sich selbst, die sie in der Diskussion mit Politik, aber auch NGOs durchsetzen. echt gemeinte Governance unterscheidet sich deshalb von den Selbstregulierungsgedanken der Wirtschaft, der immer nur so weit getragen hat, wie er eine Regulierung verhindert hat. Herr Cromme ist da nur ein Beispiel.

Apropos NGOs. Wir befinden uns im Jahre 2012, einem Jahrzehnt, in dem die Betroffenheitsindustrie große Konjunkturen hat. NGOs, wir nehmen mal Transparency als Beispiel, LobbyContol würde aber genauso gut passen, schießen Unternehmen an, manchmal reif, um dann mit einem Zertifizierungsprogramm dasselbe Unternehmen wieder weiß zu waschen. Ein Geschäftsmodell. Nun bezweifle ich nicht, dass der Umgang mit Korruption ein wichtiges Thema ist. Ich glaube aber nicht, dass man das so innenpolitisch lösen kann, wie das passiert. Die Koalition der auf Deutschland beschränkten und Naiven regelt das alles innerdeutsch. Für jedes global denkende Unternehmen im Geschäft mit China oder anderen totalitären Systemen ist aber der aktive Umgang mit Korruption ein Issue. Aber da helfen Weisswaschprogramme nichts, andere Ideen sind gefragt. Nur lässt sich da halt kein NGO Geschäftsmodell daraus stricken.

Was ich sagen will: Wenn sich Unternehmen nicht auch ernsthaft mit NGOs beschäftigen und damit den begrenzten Handlungsmodus von NGOs zum Thema machen, riskieren sie ihre nächste Niederlage. Denn die Lufthoheit der Gutmenschen ist erdrückend. Wenn jungen Menschen denken, sie würden die Welt verändern, wenn sie Politk machen, täuschen sie sich. Frei nach Marx interpretieren sie diese nur. Die Welt verändern Forscher, Ingenieure, auch Manager, die neue Wege gehen, ausloten und, ja, sich die Hände schmutzig machen. Diejenigen, die in NGOS die Rettung sehen, erinnern mich immer an die Mütter, Sorry, aus den Vorstädten, die mit ihrem SUV zum Biomarkt fahren, um das Beste für ihre Kinder zu tun. Sie möchten halt ihre Idylle nicht zerstören. Damit wir uns nicht mißverstehen: NGOs sind wichtig, um beispielsweise Konzerne zu substanziellen Zugeständnissen zu zwingen, NGOs sind Gradmesser des gesellschaftlichen Bewusstseins. Aber wir leben in einer Epoche, in der NGOs (bei WWF hat das schon angefangen) den Schleier der Unschuld verlieren sollten. Es gibt, frei nach Marx, keine Unschuld, wenn man auf Kosten anderer Generationen und Kontinente lebt, es gibt nur bessere und schlechte Wege, mit dieser Situation umzugehen.

Pragmatik ist gefragt. Und noch eines: Was sind aus meiner Sicht die größten Herausforderungen für Unternehmen und Gesellschaft? Der Verlust kompetitiver Dynamik. Weil sich unsere Gesellschaft weiterhin in einer Auseinandersetzung darüber befindet, wie wir uns im globalen Maßstab behaupten. Deutschland, so auf nüchtern getrimmt, steht da nicht so schlecht da. Aber ich beobachte eine wachsende Interessensidentität von Konzernen und der Politik. Beide können Konsense monopolisieren und inszenieren, der Mittelstand, der sich um sein Geschäft kümmert, hat dazu keine Zeit. Deshalb Bedarf es von Seiten der Wirtschaft eine Differenzierung. Was müssen wir tun, um kompetitive Wirtschaft zu entwickeln. Ein Bekenntnis zum gesellschaftlichen Zusammenhalt, Leistung, Aufstieg und fairen Rahmenbedingungen für Menschen gehören dazu ebenso wie bessere Strukturen und Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung. Das wäre mehr als alle staatlich geförderte Forschung, die Großunternehmen zugute kommt, die das selbst stemmen könnten. Bespiel eMobility: Schaufensterpolitik ohne Effekt.

Unternehmen benötigen eine Haltung gegenüber der Politik und dann eine Aufstellung im Verhältnis zur Politik. Mit wem kann ich welchen Schritt gehen. Welcher Politik ist „belastbar“, bleibt also auch in Konflikten stehen. Alles Kriterien jenseits der parteilichen Grenzen. Es gibt viel zu tun. Packen wir es an!

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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