Konservativ? Oder erfolgreich? Über die Mühen der CDU mit sich selbst

Spannend, was sich jetzt in der CDU tut. Die Gründungspartei der Bundesrepublik, diese Insicht hat Heiner Geissler in seinem letzten Essay in der Welt wieder an das Tagslicht befördert, ringt mit sich selbst. Warum sich die scheinbar Konservativen so schwer tun. Und was zu tun ist.

Jetzt kommen sie wieder, die alten Recken. Nach Erwin Teufel, dem die FAZ in ihrem Feullieton am 9.8. ein kleines Denkmal setzt, hat Heiner Geissler in der Welt gegengelegt und einen der wenigen wirklich bemerkenswerten Beiträge geliefert.

Denn die CDU zeigt im Grunde nur Rudelverhalten, nach politischer Debatte klingt das alles nicht. Bestandsaufnahme nach dem letzten CDU Parteitag in Baden-Württemberg. Stephan Mappus, der Politikrambo, verabschiedet sich, mit einer kleinen Träne im Auge, von seiner Partei in Normalform. Keine politische Perspektive, die Gegner waren schuld, die GRÜNEN, natürlich, und die Journalisten, die ja allesamt (tatsächlich waren es nur drei oder vier) zur neuen Landesregierung übergelaufen sind. Null Selbstkritik. Und was man aus den Ministerien hört, sind alle froh, dass dieser cholerische, sprunghafte (gabrielgleiche) Mappus jetzt weg ist. Dieser phantasielose Mappus, das gilt es, sich bewußt zu machen, war der Ziehsohn des jetzt auf einmal hoch verehrten Erwin Teufels. Woraus wir folgern können, dass die Hoheit über die Stammtische nicht alles ist in der Politik. Das dicke Bretter Bohren bleibt die Königsdisziplin. Aber da sieht es halt mau aus in den gelichteten Reihen.

Die Reden der beiden Spitzenkandidaten Strobl und Mack zeigen, dass das Problem tiefer liegt. Mack konnte man einfach vergessen. Der Appell, die Basis stärker einzubeziehen, mag gut sein. Aber wenn er das einzige Aufbruchssignal ist, das von einem Kandidaten, der führen soll, ausgeht, ist das zu wenig. Vor diesem Hintergrund war das Ergebnis von einem Drittel ein mehr mehr als achtbar.

Strobl selbst hat eine bemerkenswert ordentliche Rede gehalten, zaghaft auch Inhalte angedeutet. Aber wenn Demokratie der Kampf alternativer Eliten um die Macht ist, dann hat die CDU jetzt den Bock zum Gärtner gemacht. Ein Strobl, der unter allen Herren seine Geschmeidigkeit bewiesen hat, wird wohl nicht der richtige Mann sein, um die Partei wieder zu beleben.

Die gibt sich im übrigen ganz lebendig. CDU Parteitage zeichnen sich ja immer dadurch aus, dass der eigentliche Parteitag vor der Türe stattfindet, vor diesem Hintergrund war das Ludwigsburger Forum mit seinem knapplichen Foyer schlecht gewählt. Dieser CDU Parteitag war anders, weil es auch im Saal trotz ständiger Mahnungen immer unruhig blieb. Wenn der Rest der Zuhörer allerdings, wie gefordert, auch den Saal verlassen hätte, wäre der Parteitag wohl übr lange Strecken ohne Teilnehmer verlaufen.

Strobls Rede war also ganz ordentlich. Aber hat eigentlich jemand diesen Mann schon mal näher betrachtet? Aalglatt, diese Bezeichnung beschreibt das ganze Problem neutral. Und trifft das Problem im Kern. Führung braucht Haltung. Und ein Parteivorsitzender, der unter allen gedient hat. müsste entweder seine dienende Rolle begreifen und dann andere für die anschwellende Debatte gut aufstellen. Oder er wird, was wesentlich wahrscheinlicher scheint, eine echte Pleite erleben. Nein, ich korrigiere mich, keine Pleite, ein Weiter so.

Was uns zu der Frage bringt, was die CDU eigentlich im Moment braucht. Alles mögliche, und dseshalb geht diese entweder-oder Diskussion in die falsche Richtung. Es geht nicht um das Entweder dieser oder dieser Flügel. Es geht darum, dass sich die CDU, Heiner Geißler hat das am besten begriffen, ihrer eigenen Geschichte vergewissert. Und gleichzeitig zukunftsfähig macht.

Tatsächlich ist es ja so, dass viele in der CDU Konservatives an strukturellen Fragen misst. Die Frage der Lebensform, also verheiratet in erster Ehe, hat sie ja bereits abgeräumt, nachdem ihre Ministerpräsidenten in dieser Frage keine echten Vorbilder mehr waren. Die Integrationsdebatte „geht doch wieder heim“ hat die Partei auch erst kürzlich, vierzig Jahre später mühsam überwunden, bleiben jetzt noch die Fragen, Rolle der öffentlichen Hand in der Erziehung, Wehrpflicht, Dreigliedrigkeit des Schulsystems, an der die Partei im Moment festhakt.Ach ja, und dann natürlich die spektakuläre Wende in der Atomenergie. In der die konservative Bundesregierung sozusagen die vier großen Energieunternehmen auf dem kalten Wege enteignet hat.

Seien wir ehrlich: Alles Konzepte von gestern, die in der Wirklichkeit nicht mehr taugen.

Darauf hat Angela Merkel in einer bemerkenswerten Rede hingewiesen. Angela Merkel wird, auch redetechnisch, unterschätzt. Wer ihr einmal bei einer Parteitagsrede, bei der sie ausgeschlafen ist, zugehört hat, weiß um ihre Qualität. Sie hat eine glasklare, menschliche Sprache, die jeder versteht, sie rekurriert auf alltagslogische Überlegungen, sie kennt keine Tabus, wie viele dieser Lau Bader in der Politik, sie spricht von Guttenberg genauso wie ihren Überlegungen in der Nacht nach Fukushima. Und wenn man sie reden hört, erkennt man, daß Führung nicht immer über Inhalte, sondern über persönliche Glaubwürdigkeit funktionieren kann. So menschlich, so deutlich, so greifbar ist sonst niemand aus der Führungsriege der CDU.

Das Problem ist aber, dass dieses Führungsprinzip nicht reicht, um die CDU wieder nach vorne zu bringen. Merkel argumentiert ja einfach so: Es kann schon sein, dass konservativ was anderes ist, aber wir müssen mal die Realität betrachten…… Was explizit ja heißt, mit dem Programm der CDU kann man keine Politik machen. Oder: jetzt pfeift mal auf euer Denken, ihr habt ja mich, also lauft einfach mir nach.

Vor dem Hintergrund des Merkel’schen Führungsprinzps machen ja auch die Regionalkonferenzen Sinn. Jeder darf mal meckern, am Ende macht Mutti den Sack zu und wandert weiter. Petitionsausschüsse funktionieren so, Monarchien funktionieren so, aber die Idee der Moderne, Debatte und Argumente, die war irgendwie anders. Ist die CDU so etwas wie ein Familienersatz für Konservative?

Soll heißen, mit diesem Konzept kann man sich noch über den nächsten oder übernächsten Parteitag retten, zumal, wenn man alle anderen Nebenfürsten längst erledigt hat. Aber Führung, die nach vorne, in die Zukunft weist, sieht anders aus.

Wir könnnen also gespannt verfolgen, was aus dem Stellungskampf Teufel gegen Geißler wird.

Aus meiner Sicht braucht die CDU eine erbitterte Debatte. Eine, in der die führenden Personen Haltung beweisen müssen, um Positionen ringen, bei dem Parteimitglieder und Öffentlichkeit gebannt zusehen und mitmachen. In der die Belanglosigkeiten und Oberflächlichkeit, die sich in der CDU breit gemacht hat, weichen und wirklichen Argumenten Platz macht.

Denn letztlich bleiben für eine liberalkonservative Partei nicht so viele Möglichkeiten, sich für die Zukunft zu positionieren.

Der Kern der CDU Identität ist, da hat Heiner Geißler recht, das soziale Sicherheitsverspechen, der aktive Rückgriff auf einen Werte- und Verantwortungshorizont (nichts wäre leichter, als die ökologische Frage als Verantwortungsffrage neu zu interpretieren), und das personale Element, also dass die verantwortlichen Politiker der CDU Vorbildcharakter haben. Letzteres ist das, was alle an Erwin Teufel so toll finden. Er ist sich treu geblieben. Dummerweise ist sein Enkel Winfried Kretschmann. Und der befindet sich in einer anderen Partei und hat mit es mit diesser Haltung zum Ministerpräsidenten dieses Landes gebracht, zu dem das passt.

Tja, so ist die Welt. Positionen fallen einem heute nciht mehr zu, man muss sie sich erkämpfen.

Wie geht es also weiter mit der CDU? Das weiß ich natülich auch nicht. Aber es gibt ein paar hoffnungsvolle Zeichen, Heiner Geißler zum Beispiel, wenn der tatsächlich gerade ein Buch über das Erbe der CDU schreibt, wird das einen wichtigen Impuls geben. Bei Teufel ist der alberne Konservativismus, wenn er institutionell daher kommt, ein Element, das in die Irre führt. Wenn es aber um das Haltungs-Argument geht, also, bispielsweise, dass die CDU nicht immer nur ganz weichgespült zu allem, was aus der Wirtschaft an Verwerfungen kommt, ja und Amen sagt, sonder sich auch mal traut, Position zu beziehen, trifft sich Teufel mit Geißler. Das könnte ein Weg sein.

Und dann darf man nicht übersehen, dass die Frage, ob eine solche Debatte die Partei nach vorne bringt, auch danach entschieden wird, ob sie Begriffe etablieren kann, mit denen die Partei eine Perspektive in Richtung Zukunft entwickeln kann. Flügelübergreifend. Von Guttenberg konnte so etwas über reden herstellen, bei den anderen habe ich so meine Zweifel, ob sie begrifflich so stark sind, dass sie diese produktive Debatte nach vorne treiben können.

Was heßen soll: Die CDU zukunftsfähig zu machen, gelingt Angela Merkel nur, wenn sie Bewegung neben sich zulässt. Oder sie macht es mit der Radikalkur schwarzgrüne Bundesregierung. Das produktive Element daran wäre, die Grünen müssten mehr Haltung und Überzeugung und weniger Instrumentenkoffer freisetzen. Und die CDU könnte ihre moralische Haltung nach vorne entwickeln. Indem sie den Kapitalismus, zu dem es im Moment ja keine Alternative gibt, gestalten will. Vereinbarkeit mit der Schöpfung, neue Technologien, die dem Menschen nützen. Und ein Lebensstil, der bewußt gemacht wird und ein Ende der Entpolitisierungsstrategie bedeuten würde, die Kirch und Kohl gemeinsam begonnen haben.

Die CDU könnte spannenden Zeiten entgegen gehen. Wenn sie sich die Zeit nimmt, in den Spiegel zu sehen, sich selbst wahr zu nehmen. Und die Welt in ihrer ganzen Dynamik. Gesundbeten hilft da nicht. Auch nicht in einer konvervativ-christlichen Partei.

Position:Gneisenaustraße,Berlin,Deutschland

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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