Es gibt so Überschriften, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen. Die zum Beispiel nach der NRW-Niederlage der großen und der Pünktchen Partei. „Rivalen drängen Merkel nach rechts“, titelte die Berliner Zeitung the day after. Was sie damit wohl meint?
Manchmal sollte man Überschriftenmacher und Leitartikler einfach mal nachsitzen lassen. Und nur zwei Absätze darüber fabulieren lassen, was das ist, nach rechts drängen. Steuer senken????? Frauen zurück an den Herd???? Ausländer raus???? Wenn man das so ausspricht und die katastrophale Planlosigkeit eben jener Frau Merkel und ihres liberalen Adjudanten sieht, kommen einem Zweifel. Rechts, Hmm. Nee, das klappt nicht. Auch nicht, wenn Koch die Bildung kürzen will (und dann dementieren lässt) und Mappus, der gemütliche Schwaben-Mappus, Probetrommelt. Das klingt eher wie das Pfeifen im dunklen Wald, weil man da jetzt steht, Ministerpräsident, und alleine und im Dunkeln steht (wenigstens sieht man dann nicht, dass der Kaiser nackt ist).
There is no alternative! Denkt man.
Die Bevölkerung schaut dem unwürdigen Schauspiel nur mit großer Distanz zu. Da hilft kein Leadership Gerede. Und Merkel, die gute Merkel, die noch unter schwarz-rot eine gute Figur gemacht hat mit ihrer pragmatischen Linie, zerrinnt uns, ihrem Wahlvolk, unter den Fingern. Ist Merkel ein Scheinriese, die nur durch das Brennglas der professionell agierenden Riege von SPD Politikern, Steinbrück, Steinmeier, Schmidt, ja auch Schmidt, als Moderatorin glänzen konnte. Weil doch ein Großteil der Mannschaft das Handwerk verstand. Und jetzt? Die Wunschkoalition ist ein Scherbenhaufen planlosen Scheiterns. Und einzig dem Gesundheitsminister wünscht man, dass ihm das absehbare Deseaster, das ihm mit seiner Softlinie (da helfen auch keine Bambus-Sprüche, der Feind sitzt hinten!) nicht zu weit im Ansehen herab ziehen. Das hat er, der ein eigentlich gewinnender Redner ist, nicht verdient. Die Regierung, hätte man die Möglichkeit, könnte man mit Fug und Recht aus dem Amt jagen. Mit Politik hat das nichts mehr zu tun. Und Schäuble, der in preussischer Disziplin sein Amt vollstreckt, kann da auch nichts richten. Wir hätten es ihm gewünscht. Aber hier hilft keine preussische Disziplin, auf europäischer Ebene muss finanzpolitisch ein Schwergewicht ran, Westerwelle kann es nicht, der Weinprinz auch nicht, preußisch wäre es, jetzt zurück zu treten, seinen eigenen Gesundheitszustand zu akzeptieren und damit Mut zur Zukunft zu beweisen. Preußisch ist es auch, zu erkennen, dass es gesundheitlich einfach nicht geht.
Womit wir beim Thema wären.
…. zu erkennen, dass es einfach nicht mehr geht. Die Rivalen fordern von Merkel mehr rechts. Aber woher soll sie wissen, was Rechts ist, wo nicht einmal Merz und Clement außer einem lauen Aufguss alter Thesen wissen, wo es lang geht (gut, etwas mehr Ordungspolitik, aber rechts ist das auch nicht).
In diesem Zusammenhang ist auch interessant zu sehen, wie die notwendigen Einsparungen zustande kommen sollen. Oder auch nicht. Denn die Arbeitsmarktpolitik, die, so lesen wir, soll von den Kürzungen ausgenommen werden. DIE ARBEITSMARKTPOLITIK, das Placebo der Regierung. Will denn Angela Merkel die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes tatsächlich bis zur nächsten Bundestagswahl ausdehnen? (Vorsicht, Scherz, nur bis zur Baden-Württemberg-Wahl, damit Mappus erpressbar bleibt). Greifen wir auf bewährte Bilder zurück, die Titanic sinkt, aber es ist noch ruhig an Bord.
Auf Deck der Titanic herrscht ein aufgregter Streit um die Frage, ob das Schiff denn mehr rechts herum oder mehr geradeaus steuer soll. Als ob das von langfristigem Wert wäre. …….
Am schlauesten stellen sich in dieser Situation übrigens die Grünen an. Ein echtes Phänomen der Selbstbeherrschung, wie die gesamte Partei, linker Flügel eingeschlossen, sichch den Streitigkeiten an Bord entzieht, das eigene Ego zurück nimmt und sich darauf verständigt, mal abzuwarten und nach vorne zu blicken. Das ist nicht Fatalismus, das ist Realismus, nicht wie die dummen Tanzbären in Uniform die Show zu machen, wärend das Schiff sinkt. Es hört und sieht ja doch keiner mehr zu. Und es ist auch klar, dass in der Zeit danach denjenigen Führungsqualität zugeschrieben wird, die vorher geschwiegen haben.
Is there any alternative?
Gestern war ich bei der Bertelsmann Stiftung, Thema Reformprozesse. Ein sehr aufgeräumter Verheugen, der darauf verweist, dass in der Politik viel zu oft über Strategie geredet wird, obwohl das Niveau weit darunter liegt. Ich meine, gesunder Menschenverstand würde reichen. Dann Material zum Thema Reformprozesse, das ziemlich brauchbar ist, zur Umsetzung aber leider, leider Personal braucht, das es ernst meint.
No Comment!
Es gibt übrigens schon Alternativen. Und die erste ist, dass man das, was man sagt und tut, ernst meint. Dass man ins Risiko geht für seine Politik und nicht nur über das Risiko redet, das die anderen eingehen (müssen/sollen/dürfen). Die Rollentheorie stößt, das mehrkt man jetzt deutlich, stößt dann an seine Grenzen, wenn sich die Rahmenbedingungen verschieben, aber alle mit Verweis auf die Rollen und die Spielregeln und die Sprechtexte sich noch an die alten Rollenbeschreibungen halten. Da hilft es auch nichts, wenn die B-Besetzung jetzt die alternativen Scripte VON GESTERN hervorholt und rechthaberisch darauf verweist, dass die doch viel besser wären. Sie fordert das, um bei mangelndem Applaus dne Abtritt der A-Besetzung zu fordern. Und dann noch bravoröser zu scheitern. Wie man das schafft, hat die „Wunschkoalition“ schon gezeigt. Und wir haben gelernt: Sage nicht, dass es nicht noch schlechter ginge.
There is an alternative!
Wenn wir darüber reden, wo es lang geht und wo es hin gehen soll, gibt es schon einige Ideen.
Die erste Idee ist, dass man sich die Gesellschaft endlich mal genau anschaut. Die Politik macht eine Politik, die noch immer von Wachstumsmodell der Nachkriegsgesellschaft ausgeht. Zuwachs wird für mehr öffentliche Hand und mehr Staat angeeignet, mit der Illusion, dadurch Gerechtigkeit zu schaffen. Tatsächlich schafft die Politik nur, dass immer mehr Ansprüche an sie, die Politik gestellt werden, die sie längst nicht mehr erfüllen kann. Es muß ein Ruck gehen durch Deutschland. Und alle sollten begreifen, das es nicht darum geht, die letzten kümmerlichen Privilegien zu verteidigen, die es zu verteidigen gibt (einen desolat organisierten öffentlichen Dienst, dessen Dienstrecht alle einschnürt, der älteren Generation ihre Privilegien erhält, die Jüngeren abstuft und insgesamt dafür sorgt, eine Loose-Loose-Situation zu schaffen, ein Gesundheitswesen, in der die sogenannten „Freien Berufe“, kammermößig organisiert, ihre Pfründe verteidigt, obwohl das Ganze immer dysfunktinaler wird, Schulen, die selektieren, Lehrer auslaugen, anstatt sich zusammen zu rotten und einfach zu sagen, dass man jetzt endlich besser und befriedigender arbieten will, usw….).
Ich habe meine marxistische Phase lange hinter mir, aber man könnte tatsächlich sagen, dass wir, stärker denn je, in einer Klassengesellschaft leben, in einer Klassengesellschaft der weißen, mittelschichtigen White-Collar Minderheit. Und die Ironie dabei ist, dass die Salonmarxisten vom Schlage Lafontaine mit ihren rituellen Umverteilungsforderungen längst Teil dieser herrschenden, staatsnahen Klasse und ihrer Illusionen sind. Man könnte meinen, die von Merkel mehr rechts fordern, hätten sie klammheilich links finanziert.
Wenn wir uns also zweitens einen nüchternen Blick auf die Wirklichkeit gegönnt haben, könnten wir uns den notwendigen Maßnahmen zuwenden. Da wird es politisch eng, weil auch die grüne Programmatik im nachkriegsdeutschen Gutmenschentum dahindümpelt, während es darum geht, das Land kompetitiv aufzustellen, die Kräfte zu mobilisieren, die Neues in die Welt setzen, es ernst meinen, statt Kulissen zu schieben und die Dinge tun, die notwendig sind (und nicht nur die, in denen man auf Veranstaltungen suggerieren kann, dass es Win-Win-Situation gibt). Da geht es nicht um Staat statt Markt oder umgekehrt, sondern um eine intelligente Kombination von beidem. Und statt Leistungsgesetze mehr Ordnungspolitik und Rahmensetzung, damit die Gesellschaft, Unternehmen, Arbeitnehmer, wieder mit im Boot sind.
Es sind Maßnahmen gefragt, die die Menschen einbeziehen, anstatt Einbeziehung zu suggerieren. Insofern ist Hartz IV übrigens die am grandiosesten gescheiterte Reform. Denn der richtie Slogan „Fordern und Fördern“ wurde begleitet mit der teuersten aller Arbeitsmakrtreformen. Obwohl eigentlich Geld gespart werden sollte, wurde Hartz IV teurer als die Situation vorher war. Und 1/3 oder die Hälfte aller Bescheide wird beklagt und die Menschen fühlen sich ungerechter behandelt als jemals zuvor. Da wird auch Frau von der Leyen nciht wirklich was ändern können. Denn eine Bürokratie wie die der Bundesagentur schafft nicht mehr Arbeit, auch wenn sie ihr Personal jetzt von 80.000 auf 100.000 aufstockt, wie jetzt geschehen. Deshalb wäre es erst einmal vernünftiger, nichts zu tun als die alten Instrumente nochmal zu bespielen. Schade drum.
Vor dem Hintergrund habe ich tatäschlich große Hoffnungen in die Menschen mit Migrationshintergrund. Die nutzen den Sozialstaat ganz nüchtern und bauen ihre Geschäftsmodelle auf einer staatlichen Grundfinanzierung auf. Die darüberliegenden ideologischen Modelle haben sie, Versagen des deutschen Bildungswesens, nicht erreicht. Das macht sie tatsächlich zu ernsten und überlegenen Konkurrenten für ihre deutschen Mitbewerber aus denselben Wohngegenden. Realität, das sollten sich auch Politiker meken, findet statt, auch wenn man nicht darüber redet. Aber wie sieht Teilhabe in einer Gesellschaft aus, in der die öffentlichen Institutionen systematisch immer mehr abgrenzen und stillstellen?
Bin ich zu pessimistisch? Zu negativ? Nee, bin ich nicht. Denn abseits der Politik räumt sich die Gesellschaft tatsächlich selber auf. Die deutschen Mittelstandsunternehmen sind zwar nicht die schnellsten, wenn es um Innovation geht, aber die gründlichsten, wenn es darum geht, die Innovation zu nutzen. Hier in Berlin macht sich eine junge Generation, global befeuert, auf den Weg, für sich die Perspektive zu entwickeln. Die Gesellschaft macht sich auf den Weg, reflektiert, zumindest im Leistungsträgerteil, dass es auf sie ankommt, macht ernst mit Zukunft und die einzigen, die das nicht erkennt, ist die Politik in ihrer großen Mehrheit. Schelsky hat das einmal die Priesterherrschaft der Intellektuellen genannt. Und jetzt erkennen wir die tiefe Weisheit, die in diesem Buchtitel steckt (das Buch selbst habe ich nie gelesen).
Deutschland hat sich auf den Weg gemacht. Wenngleich ohne seine Politiker, die darauf warten, die Pensionsberechtigung zu erlangen und dann auszuscheiden. Vor diesem Hintergrund erscheint mir Politikverdrossenheit eine Art von Politikerempathie: Man spürt, dass es in Berlin nicht ernst zu geht. Und deshalb kriegt die Politik die Quittung. Leistungsprinzip wäre, wenn es nur für abgegebene Stimmen 5 € in die Kassen der Parteien gäbe.
Und während die politische Klasse immer noch darüber streitet, ob man althergebracht weitermacht oder, bitte mehr rechts!, die Klamottenkiste des Nachkriegsdeutschlands bedient, zeichnen sich unter der Wasseroberfläche Veränderungen ab, die bald für ziemlich viel Aufruhr sorgen werden. Denn nicht jede überzeugende Inszenierung findet auf der Bühne statt. Aber das haben die Kulissenschieber noch nicht verstanden. Die von der A-Besetzung nicht. Und die von der B-Besetzung auch nicht.