Max Weber und der Freiherr

Warum sich der Fall von Guttenberg langsam zu einer Legitimitätskrise der christlichen Volksparteien ausweitet.

Das Chaos geht weiter. Während sich der neue Innenminister, der künftig eine Islamkonferenz moderieren soll, jetzt inhaltlich Pflöcke einschlagen will, rumort es rund um die CDU/CSU weiter. Die Zustimmungsquoten zu Guttenberg bleiben hoch, die Anhänger formen sich. Die politische Klasse, allen voran die Kanzlerin, verhält sich irritiert. Ein Griff in den Bücherschrank. Und eine Zukunftsvision.

Der Freiherr ist tot. Es lebe der Freiherr! Das Phänomen von Guttenberg führt längst über die Person hinaus. Es geht, frei nach Max Weber, um das Legitimitätsmodell von Herrschaft. Es geht um die Frage, ob Legitimität durch Verfahren oder Legitimität durch Charisma die notwendige Bindungskraft, den Leim des Zusammenhalts, entwickeln kann, um das Land, oder die Reste wenigstens einer der ehemaligen Volksparteien wieder zu einigen.

Ich denke, das kann es nicht. Denn tatsächlich treibt die Causa Guttenberg, von den politischen Kommentatoren weitgehend unbemerkt, den soziokulturellen Spaltpilz in die CSU. Und damit auch in die CDU.

Das Modell von Guttenbergs ist in der Deutschen Geschichte bisher einmalig. Selbst Franz Joseph Strauß, der große deutsche Populist, hat seine royalistischen Züge erst im Spätherbst seiner Herrschaft entfaltet. Von Guttenberg tut es von Anfang an. Er inszeniert den charismatischen Herrscher, der seinen Untertanen Gunstbeweise zukommen lässt. Der Truppenbesuch mit blonder Gattin und Kerner: Eine Inszenierung des Hofes, die zeigt, dass auch diejenigen, die den Hof verteidigen, Teil des Ganzen ist. Noch ein Beispiel: Während die FDP mit holbrigen Begriffen wie einem mitfühlenden Kapitalismus (oder war es Liberalismus???) redet, was in etwa so klingt wie Herz-Jesu-Kapitalismus oder Kapitalismus mit Almosen oder Brot und Spiele, macht der Freiherr ernst. Die Überlassung von 30.000 Euro für die Angehörigen der Gefallenen ist eine Geste des mitfühlenden Kapitalismus, denn bei der Anzahl der Gefallenen tut das nichts zur Sache, liest sich aber gut.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Das ist kein Verriss des von Guttenberg’schen Herrschaftsmodells. Das ist der zarte Hinweis darauf, dass das populistische Herrschaftsmodell, das hier gerade erwächst, inmitten der christlichen Volkspartei CSU heranreift. Einer Partei, die mit Seehofer an der Spitze auch einen der großen gescheiterten Populisten auf den Thron gesetzt hat. Die eine Tradition des volksnahen Populismus hat. Wir erinnern an FJS, der das Bündnis des kleinen Mannes mit der Macht visualisiert hat.

Die Figur des charismatischen Herrschers, die hier heranreift, wenn er sich entschließt, sich mit Unterstützung der Bildzeitung auf diesen Weg zu machen, wird dem bisherigen Legitimationsmodell weiter den Boden entziehen. Einerseits ein wichtiger und richtiger Prozess, da die politische Klasse, die sich in den Talkshows breit gemacht hat, ohnehin unter rapidem Vertrauensverlust zu leiden hat, der ein soziokultureller Vertrauensverlust ist. Denn die Ausgegrenzten, die nicht gebildeten, die Opfer des dreigliedrigen Bildungswesens, klammern sich an Machtinszenierungen und medialen Inszenierungen, die sie zum Teil des höfischen Zerimoniells macht; -egal, ob bei Kerner in der Talkshow an der Front in Afghanistan, bei Heidi Klum als Rohstoff der Erregungsinzenierung von Drinnen und Draußen, bei DSDS, das die Hoffnung auf irrationalen Aufstieg pflegt und das Dschungelcamp, dem Abklingbecken der Abgeschriebenen. Hier entstehen neue Öffentlichkeiten, die das Herrschaftsmodell des Nachkriegsdeutschlands, die bildungsbürgerlich-mittelständische Durchschnittsbiographie mit lebenslangen Arbeitsplätzen und durch die Gewerkschaften garantierten Arbeitsplatzgarantien ablöst durch neue, fraktale Inszenierungen. Hier die Inszenierung für das einfache Volk.

Das Modell des uninspirieren „Muddling Through“ Angela Merkels geht zu Ende. Oder es muss sich im innerparteilichen Kampf behaupten. These: Wenn von Guttenberg die Herausforderung wagt, seinen Handschuh in den Ring wirft, wird alles innerparteiliche Kompromiss- und Konsensgerede nicht mehr lang andauern. Es geht dann nämlich um die Frage, ob bürgerliche Werte wie Anstand, Ehrlichkeit weiterhin Bedeutung haben, was für viele bürgerliche Wähler nach Stuttgart 21, Angela Merkel und vieler schlitzohriger Merkeleien die letzten Rettungsanker sind, um ihre Zugehörigkeit zu einer der christlichen Parteien zu rechtfertigen. Oder ob sich die schlitzohrige Selbstinszenierung und -überhöhung nicht zu einer Herrschaftsform neuen Typs herausentwickeln wird.

Das ist nicht lustig, aber erscheint mir durchaus real. Denn in dem Zustand inspirationslosem Weiter so, in dem sich diese Regierung befindet, kann es nicht weiter gehen. Und trotz einer solideren Grundaufstellung kann man auch dem „Fortschrittslager“, also denjenigen, die einer Debattenkultur, Gerechtigkeit und dem Anspruch, Gesellschaft üer staatliche Instanzen zu regeln und zu regulieren, nicht wirklich eine gute Aufstellung attestieren. Zu sehr vagabundieren die Ideen umher, denn Gerechtigkeit lässt sich heute nicht mehr ganz so einfach über den Staat herstellen, Umverteilung ist, wenn die Möglichkeit der Flucht ins Ausland besteht, nicht wirklich so einfach machbar, wenn es nicht gelingt, die Menschen, und zwar auch die Besitzenden, von zusehenden Nörglern zu Mitmachern zu machen.

Freiherr von Guttenberg, als James Dean optisch stilisiert, der sich mit Star Wars Sätzen in der Rücktrittsrede als Inszenierungskünstler manifestiert hat, ist eine Kampfansage an das alternde Nachkriegsdeutschland. Die politische Klasse hat noch nicht begriffen, dass in der Causa KT ein weit fundamentalere Herausforderung besteht als sie bisher ahnt. Die CDU/CSU wird sich, wenn Championsleaque-Populist KT mit seinem Bundesliga-Counterpart Söder die Nachfolgefrage des Populistenvaters Seehofers gemeinsam bestreitet, in einem Identitätsstreit wieder finden, der dem der SPD und der Abspaltung der Linkspartei nichts nachsteht. Mit einer Ausnahme allerdings: Eine Partei bräuchte man für den Rechtspopulismus nicht mehr gründen, die CSU als bundesweite Partei des kleinen Mannes und des Rechtspopulismus stände dafür zur Verfügung, während die CDU als konservatives Auffangbecken der bildungsbürgerlichen Konservativen die Tradition des Nachkriegsdeutschlands bilden würden.

Es geht nicht darum, ob uns das gefällt oder nicht. Es geht darum, erst einmal wahr zu nehmen, was sich abzeichnet, wenn KT auf der Woge der Begeisterung den Schritt zurück in die Politiik machen würde. Eine Debatte lebt von Verdichtungen und Zuspitzungen. Und nur, wer das ganze Spielfeld kennt, kann die richtige Strategie entwickeln, um auf diesem Spielfeld erfolgreich agieren zu können.

It’s our Choice! It’s our country!

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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