Die Gesundheitspolitik erstickt in Studien. Was der IS ihre Kalaschnikow, ist dem Gesundheitssystem die Studie. Dauerfeuer im eigenen Interesse. Ziel: Den Gegner im System unter Druck setzen. Gesundheitspolitik, das ist Stellungskrieg mit regelmässigen Feldgottestdiensten. Aber was würde tatsächlich etwas ändern?
Gesunder Menschenverstand.
Die Bertelsmann-Stiftung hat wieder mal ne Studie veröffentlicht. In der ist wieder mal beschreiben, dass mancherorts mehr operiert wird als anderswo und man aber nicht genau sagen kann, woran das liegt. Und ob es gut oder schlecht ist.
So kann man es auch machen, wenn man als Stiftung seinen Namen in der Zeitung lesen will. So braucht man es nicht machen, wenn einem an einem besseren Gesundheitswesen gelegen ist. Dann nämlich wüsste man, dass es zu viele Kliniken gibt, die auf Teufel komm raus operieren (nur die DKG bestreitet das, aber na ja), weil alle Geld verdienen müssen, um nicht unter dem Drittel der Klinken zu sein, die defizitär sind. Im Süden gibt es übrigens mehr Kliniken als im Norden, weil es da mehr Geld gibt, die können es sich halt leisten, die Defizite noch weiter wachsen zu lassen.
Wenn man jetzt die lange bekannte Tatsache, dass es zu viele Kliniken gibt, beseitigen wollte, stellt sich die Frage, wer muss was tun, damit das passiert.
Antwort: Die Landespolitik muss sich warm anziehen und dann eine Versorgungsplanung machen, die nicht nur so heisst und den Zustand fortschreibt, sondern Entscheidungen trifft. Sie müsste die Kreise und Gemeinden vorbereiten und zwar nicht mit Gesundheitskonferenzen, in der sich alle das Blaue vom Himmel wünschen (und mehr Geld fordern, -von wem eigentlich?), sondern in denen das Unvermeidliche getan wird. Flexible Strukturen, beispielsweise Kleinkrankenhäuser (oder entsprechend geführte Ambulatorien mit niedergelassenen Ärzten) mit Belegbetten oder Gesundheitszentren oder oder oder. Die konkrete Entscheidung muss man vor Ort treffen. Wie viele Ärzte gibt es vor Ort? Wann gehen sie in Pension? Wo befinden sich welche Kliniken? Ist man zufrieden mit ihnen? Die konkrete Planung hängt von der konkreten Situation ab, von der Bevölkerungs(struktur)entwicklung, nicht von abstrakten Gesundheitszielen. Klar ist auch, dass die Bürgerinnen und Bürger Angst davor haben, keine Klinik mehr vor Ort zu haben, darauf sollte man tunlichst Rücksicht nehmen.
Und dann könnten die Ärzte und Klinikträger vor Ort entscheiden, ob und wie sie fusionieren, effektivieren, Ambulatorien, MVZs errichten oder sich zurückziehen. Unternehmerische Entscheidung, da bräuchten die Gesundheitsplaner gar kein Geld, für die Krankenhäuser würde es Sinn machen, zügig Entscheidungen zu treffen. Weil klar ist, dass keiner dann mehr die Kosten übernimmt.
Ist eigentlich ziemlich einfach. Ja, klar, da werden einige vor Gericht ziehen, aber bis die Gerichte entscheiden, haben die Patienten schon mit den Füssen abgestimmt. Normative Kraft des Faktischen.
Für das alles braucht man keine weiteren Studien. Sondern nur den Mut, das endlich mal anzupacken.
Der Artikel, auf den sich das Ganze bezieht.
MEINUNG
Süddeutsche Zeitung, 13. September 2014
Krankenhäuser
Der Wohnort entscheidet
von guido bohsem
Man weiß nicht genau, wo man lieber wohnen möchte: in einer Gegend, wo es deutlich weniger Operationen gibt als im Durchschnitt. Oder in einer, in der die Klinikärzte wesentlich häufiger zum Skalpell greifen. Womöglich deutet die niedrige Zahl darauf hin, dass die Patienten nicht die notwendige Behandlung erhalten. Womöglich. Die hohen Zahlen in manchen Regionen könnten hingegen darauf hindeuten, dass dort operiert wird, obwohl es nicht wirklich notwendig ist. Könnten.
Die jetzt veröffentlichten Daten der OECD und der Bertelsmann-Stiftung über die regionale Verteilung von Behandlungen zeigen das Phänomen der Unterschiede sehr deutlich auf. Sie lassen aber keine eindeutige Interpretation der Ursachen zu. Klar ist nur, rein medizinisch sind solche Abweichungen nicht zu erklären. Man hört also den Alarm laut und durchdringend, weiß aber noch nicht so recht, warum er losgegangen ist.
Weil die Sirenen nun schon seit Jahren heulen, muss die Sache nun angefasst werden. Dazu sollten die zuständigen medizinischen Einrichtungen, die Politik und die Kassen zunächst die vielfältigen Ursachen der regionalen Unterschiede ergründen und dann für eine einheitlich gute Behandlung sorgen. Geschieht das, muss man sich auf dem Operationstisch auch keine Gedanken mehr darüber machen, ob man nun in der richtigen Gegend wohnt oder nicht.