Friedrich Merz hat, zumindest für deutsche Politikverhältnisse, ein überraschendes Kabinett zusammengestellt. Drei Minister ohne Abgeordnetenmandat, das bedeutet hohes Risiko für den Kanzler. Eine Ersteinschätzung der CDU Ministermannschaft.
Kann Friedrich Merz Kanzler? Wir wollen es mal hoffen. Jedenfalls beweist er Mut. Die Ministerliste hat doch einige Überraschungen bereit. Ich wage mal erste Prognosen.
Wofür könnte eine Merz-Regierung stehen?
Dringend notwendig ist eine stärkere außenpolitische Orientierung. Da war die Ampel, hier Baerbock die Regelbasierungsrednerin, dort Scholz, der wegduckende Arbeitsrechtler, ein echter Ausfall. Mit Wadephul hat sich Merz einen Außenminister geholt, der nicht unbedingt nochh die große Karriere machen will, aber Schulter an Schulter Merz-Politik vor- und nachbereiten kann.
Überraschung Karsten Wildberger
Das Beste dieser Ministerauswahl besteht darin, dass mit Digitalminister Karsten Wildberger ein echter Wirtschaftsmann zum Zuge kommt. Klar wird das ein Aufwallen aller Transparency und Lobbycontrol Funktionäre zur Folge haben. Damit wird Merz leben können, “viel Feind, viel Ehr”. Wer Wildberger nur als Mediamarkt Manager betrachtet, täuscht sich. Er hat eine ausgewiesene Wirtschaftskarriere, Unternehmensberatung, Energiewirtschaft, Telekommunikation und eben Sanierung eines durch seine Binnenverhältnisse sehr schwierigen Handelsunternehmen im digitalen Übergang. Wir können gespannt sein.
Mit Katherina Reiche die Chance auf Expertise
Auch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche wird man bescheinigen können, dass sie die “Untiefen” der Energiewende operativ kennt und so das Notwendige, nämlich eine unter ökonomischen Gesichtspunkten notwendige Korrektur der Energiewende, vornehmen kann.
Intellektuelle Impulse mit Kulturstaatsminister Wolfram Weimer
Interessant finde ich auch Kulturstaatsminister Wolfram Weimer. Der “linke” Zeitgeist braucht einen intellektuell satisfaktionsfähigen Widerpart. Zudem hat Weimer auch eine unternehmerische Biographie, das lässt ebenfalls hoffen.
Neugier auf Gesundheitsministerin Nina Warken
Als gesundheitspolitisch interessierter Beobachter bin ich überrascht über die kommende Gesundheitsministerin Nina Warken. Keiner der CDU Gesundheitspolitiker auf Bundesebene hat den Eindruck hinterlassen, er wäre engagiert genug, sich gegen die zahlreich auf Selbsterhaltung, “Weiter So” und “Augen zu” getrimmten Lobbyistinnen und Lobbyisten durchzusetzen. Rückblickend wissen wir, dass ein Arzt und Gesundheitsökonom nicht der Weisheit letzter Schluß ist. Wir können nur hoffen, dass Frau Warken als eine der jüngeren die Zukunftsthemen besser adressiert, die Krankenhausreform muss ohnehin “konsolidierend” fortgeführt werden, des weiteren werden sich große finanzielle Löcher auftun, die von ihr, hoffentlich sinnvoll und perspektivisch geschlossen werden.
Gute Entscheidung: Bildungsministerin Karin Prien
Als hoffnungsvoll betrachte ich auch Karin Prien, wenngleich vor allem, weil sie in ihrem öffentlichen Auftreten ein sehr nüchternes und auf Ergebnisse bezogenes Bild abgegeben hat: Keine Blasenproduzentin! Regierungserfahrung hat sie, über wirkliche Gestaltungskompetenz verfügt das Bildungsministerium ohnehin nicht, als ehemalige Landesministerin kennt sie die Kolleginnen und Kollegen, also gute Voraussetzungen.
Auch überraschend: Verkehrsminister Patrick Schnieder
Auch zu Verkehrsminister Patrick Schnieder wird man sich erst später ein Bild machen können.
Die Achse des Vertrauens: Kanzleramtsminister Thorsten Frei
Kanzleramtsminister Thorsten Frei galt ja als gesetzt.
Imagewechsel gelungen, aber jetzt muss er liefern: Innenminister Dobrinth
Die CSU Minister sind wenig überraschend. Alexander Dobrinth galt spätestens seit dem öffentlich vollzogenen Imagewechsel zum Vermittler als gesetzt, Dorothee Bär soll Söders “Bavaria One” vom Himmel der Ideen auf die Erde bringen, jedenfalls repräsentiert sie den Raumfahrtstandort Bayern, der jetzt angesichts der europäischen Autonomie- und Verteidigungsinteressen stärker gefragt ist. By the way: Mit klassisch grünem Hintergrund hielt ich diese Raumfahrtfixierung von Söder etwas lächerlich, also Asche aufs Haupt. On the long run lag er richtig. Landwirtschaftsminister Alois Rainer, Ausbildung Metzger, beweist auf jeden Fall, dass Söder ein Händchen dafür hat, nicht nur “das übliche Akademikerpersonal” zu berufen.
Der CDUCSU Aufschlag wirkt für mich erstmal sehr hoffnungsvoll. Entscheidend wird aber sein, ob die SPD ihre Aufgabe darin sehen wird, die “Mehr Politik ist immer besser” Haltung, von der man sagen kann, dass sie die SPD erstmal in das Tal der Tränen geführt hat, in die Koalition einzubringen. Oder ob es ihr gelingt, den Blick von der politischen Bühne zu lösen und sich auch stärker danach auszurichten, was denn bei den Bürgerinnen und Bürger als neuer “Mindset” ankommt.
Ach ja, spannend finde ich auch Jens Spahn als Fraktionsvorsitzenden. Auch hier wird deutlich, dass Friedrich Merz Mut beweist. Spahn, so ist zu hoffen, kann ein konservatives Profil dieser Regierung auch kommunikativ mit ausgestalten; – und das durchaus auch auf eigene Rechnung. Und insgesamt kann man Friedrich Merz bescheinigen, dass er den Mut hat, Menschen, denen er vertraut, auf Positionen zu setzen.
Die enge Begrenzung “rot-grüner” Politik, die Gesellschaft “steuern” will, dazu auf immer mehr politischen Eingriffe setzt und immer mehr Geld dafür einfordert, hat gezeigt, dass sie an ihre Grenzen kommt. Die “geistig moralische Wende”, die Helmut Kohl 1982 gefordert, aber nie geliefert hat, könnte jetzt, über 40 Jahre später, doch Raum greifen. Soviel zu politischen Konjunkturen.
Ich bleibe gespannt!
P.S. Mehrere Podcasts erzählen ja die Geschichte Friedrich Merz. Gut finde ich den einschlägigen Podcast der Zeit