Neu auf der Resterampe: Das Elektroauto

Audi hat die Entwicklung des Elektroautos eingestellt. Daimler klagt über den schleppenden Absatz von Elektroautos. BMW ist noch tapfer dabei. Aber die Elektromobilitäts-Initiative der Bundesregierung scheint am Ende, bevor sie wirklich begonnen hat.

Ein weiteres Mal „gut gemeint, aber nicht gut gemacht“. (Die Energiewende droht ein anderes Beispiel für die Überforderung der Politik durch die Realität zu werden).

Aber bleiben wir mal bei der Elektromobilität. Die Nationale Plattform Elektromobilität von Bundesregierung und Automobilindustrie hat das Ziel definiert, bis 2020 Eine Million Elektrofahrzeuge auf den Markt zu bringen und damit Deutschland zu einem Leitmarkt für Elektromobilität zu machen.

Klingt ganz nach dem Ehrgeiz des Modells Energiewende.

Jetzt zeigt sich, dass aktuell noch niemand diese Autos kaufen will. Warum auch, die Politik ist nicht der Markt, das hat auch schon der baden-württembergische Ministerpräsident so zu Protokoll gegeben. Und das Geld, sich ein Elektroauto, weil es schick ist, in die Garage zu stellen, hat auch nicht jeder. In Kalifornien, dem Labor der Trendwende, stellte man sich erst den extrem hässlichen Toyota Prius in die Garage, dieses nach Kunststoff stinkenden Hybidfahrzeug. Geht doch. Und so wird hässlich schön. Und billig. In der nächsten Runde muss es jetzt der Tesla sein, der sieht gut aus, wird aber erheblich teuerer. Apropos: Wie geht es dem eigentlich?

Wir lernen: Politik kann Impulse setzen, ob diese sich auf dem Markt bewähren, muss sich noch zeigen. Matthias Wissmann, der Cheflobbyist der deutschen Automacher, formuliert das mit der Elektromobilität übrigens realistischer statt die Vollmundpolitik. Die Zielzahlen könnten mehr kaputt machen, weil dem Aufmerksamkeitshype in den Medien in der zweiten Phase das Absturzloch droht.

Politik kann darauf reagieren, indem sie sich, geschichts- und verantwortungsblind, davon lossagt. Automobilindustrie kann das nicht. Und, wenn wir die Welt dann mal aus der Sicht der Automanager sehen, sieht diese so aus:

Wenn ich französischer oder italienischer Hersteller bin, habe ich schon verloren. Außer, ich war Renault und habe mich im Billigbilllig-Segment etabliert mit der Marke Dacia und schaufle mir selber ein Teilgrab. Oder ich, FIAT, habe zufällig diese Dinosaurierfirma Chrysler übernommen, als sie günstig war und jetzt, da in USA alles wieder auf Anfang und spritfressende Dickmobile steht, der einstige Sanierungsfall Chrysler saniert dem unsanierbaren FIAT Konzern mit seinen smarten, verbrauchsreduzierten Kleinwagen, die leider vor allem im Westeuropa verkauft werden, die Bilanzen.

Wie lange, wird man sehen. Auf jeden Fall müssen die ökologischen Kleinwagenhersteller mit Fokus auf Europa bald in erheblichem Umfang dichtmachen. Ganz oben auf der Liste: Peugeot-Citroen und der GM-Ableger Opel, die jetzt, Absurdistan real, auch noch beim Absaufen kooperieren.

Es bleiben aus Europa nur die dickschiffproduzierenden deutschen Premiumhersteller, Daimler, BMW und der VW-Konzern, dessen atemberaubenden Turn-around vom staatsdominierten Volkswagenhersteller zum weltweit führenden Automobilhersteller noch niemand so wirklich verarbeitet hat. Mental, meine ich. Weil es vielleicht auch die Geschichte sein kann, wie ein über Leichen gehender Einzelgänger, Ferdinand Piech, im Alleingang und einer treuen, aber produkt- und kundenfixierten Soldateska einen Vorzeigekonzern geschmiedet hat.

Die Dickschiffkonzerne stehen jetzt vor verschiedenen Problemen: Erfolgreich sind sie, weil sie die Sargnägel der Klimakatastrophe produzieren, Großautos, die eigentlich nicht vernünftig sind, aber aus Repräsentationsgründen gerne gekauft werden. Überall dort, wo es Wachstumsraten gibt: China, Indien, Russland, Brasilien, auch noch in den USA. Auch in Westeuropa, aber da müssen, mit den CO2-Werten vor allem Abwehrkämpfe geführt werden. Kleinwagenhersteller können natürlich schneller kleine CO2-Werte erreichen als 2 Tonnen schwere SUVs mit Spitzengeschwindigkeiten von über 250 km/h. Deshalb wollen sie unterschiedliche Zielwerte durchsetzen gegen den Widerstand der vor allem Deutschen NGOs.

Postmaterialistische Absurditäten im deutschen Wunderland.

Aber noch einen Schritt weiter. Die deutschen Autokonzerne, die den Trend zum Hybrid total verschlafen haben (sagen die NGOs, ich weiß es nicht besser, aber man könnte natürlich, wenn man den Hybrid nur als eine technische Antriebsvariante und nicht als neuen Kult betrachtet, auch durchaus verwerfen, weil dem Gewichtszuwachs nur eine greinge Energieeinsparung im Nahverkehrseinsatz gegenübersteht), haben verstanden: Neue Mobilitätskonzepte, neue Antriebskonzepte, das fordern Politik und Öffentlichkeit.

Die da sind: Gasbetriebene Fahrzeuge, Biotreibstoffe, verschiedene Formen, mal als Beimischung, mal in Reinform, Brennstoffzellenfahrzeuge, natürlich Hybridkonzepte, Elektro-Autos, vor dieser Entscheidung steht die Industrie. Und vor einer Herausforderung: Diese Fragen werden national, europäisch und global unterschiedlich betrachtet und entschieden. Globale Konzerne, fragmentierte Märkte und Marktzugänge.

Und jedes dieser Konzepte erfordert eine andere Kraftstoffinfrastruktur. Und jede dieser Technologien, das unterscheidet diese Frage etwas von der Strominfrastrukturfrage, erfordert die aktive Entscheidung eines Endkunden. Und die ist tatsächlich ganz schwierig voraus zu sehen.

Was heißt das alles?

Zum Ersten: Zukunft ist ungewiss. Und welche Option sich letztlich wann durchsetzt, ist vorab nicht zu sagen.

Zum Zweiten: Hoch gesteckte Ziele können, auch wenn sie in die richtige Richtung weisen, zum Bumerang werden. Konsequenz: Den Korridor benennen, aber auch die Risiken. Damit die Enttäuschung nicht überhand nimmt.

Zum Dritten: Wirtschaft und Politik benötigen einen ernsthaften Dialog. Einen, der die Rolle des jeweils anderen anerkennt. Wirtschaft macht wettbewerbsfähige Produkte, Politik analysiert und definiert den Rahmen, in dem diese Produkte entstehen und abgesetzt werden können (aber beim Absatz eben schon längst nicht mehr wesentlich, solange sie national oder, im Autofall europäisch agiert. Deshalb redet Wissman als professioneller Lobbyist nicht mehr über Tempolimit, weil das für den Absatz seiner meisten Produkte egal ist, die fahren ohnehin anderswo, sondern über Handelsfreiheit. Er hat begriffen, wo die Hauptkampflinien der deutschen Autounternehmen sind). Politik und Wirtschaft und im übrigens auch NGOs als Stellvertreter der Zivilgesellschaft, sollten in einem Dialog auch Verantwortung für die Dialogergebnisse übernehmen. Politik setzt dabei Rahmen durch Gesetze und Verordnungen, NGOs schaffen gesellschaftliche Akzeptanz und Unternehmen produzieren einfach die Güter, die nachgefragt werden. Ohne sie bliebt alles andere irrelevant. Dialog findet nicht um des Dialogs willen statt, sondern um die Alltagsrealität, hier Autos und Mobilität, zu gestalten.

Zum Vierten: Wir sollten lernen, dabei mit Widersprüchen zu leben. Und ohne Schaum vor dem Mund. Der Widerspruch sitzt im übrigen auch nicht zwischen Unternehmen und NGOs, nein, er sitzt in jedem von uns. Die vielzitierte SUV-Fahrerin, die ihre Kinder damit sicher, aber blödsinnig, in die Schule bringt und konsequent gutfühlend im Biomarkt einkauft, ist nur eine Ikone unserer alltäglichen Widersprüchlichkeit.

Zum Fünften: Es geht darum, neue, verlässliche Wege für gesellschaftliche Entscheidungen zu finden. Für die Medienrezipienten, die ja auch Staatsbürger, Verbraucher und Wähler (und natürlich auch die -innen) sind, stellt sich ja fast jedes politisch angegangene Thema als Enttäuschung heraus. Eine Million Elektro-Autos: Fehlschlag. Energiewende: Fehlschlag. Von den albernen Kleinbaustellen dieser Regierung gar nicht zu reden. Und von der Elbphilharmonie, Stuttgart 21 und dem Berliner Flughafen schon gar nicht.

Wir sind, meine ich, über die Phase eklatanten Elitenversagens schon hinaus. Jeder zeigt sich inzwischen selbstreflexiv inszeniert, der Deutsche Bank Chef, (den Mut, den sie beim Handel mit Lebensmittel-Futures haben, mal ausgenommen), der die Bonis und die Zockermentalität der Investmentvergangenheit abstreifen will. Es geht jetzt nicht nur um Enttäuschungsmanagement, wie es allerorten gepflegt wird. Es gut um Zukunftsmanagement. Selbstreflektiv, mit den Begrenzungen der eigenen Rolle und der Notwendigkeit, Politik heute auch über Medien als Issue Management zu betreiben.

Die Großtäuschung der deutschen Öffentlichkeit, und insbesondere auch der Medien in diesem Zusammenhang, ist die Idee, es gäbe einen breiten Wunsch, politisch mit zu bestimmen. Tut es eben nicht, die Piraten sind da ein Beispiel. Die Piraten, das ist RTL2 in Politik, Big Brother, Politik live im Container. Einschließlich der BeschimpfungsSMS. In der Bevölkerung gibt es den Wunsch, eine Meinung zu haben, seine Meinung zu sagen, „No“ zu sagen, wenn was ganz arg schiefgeht. Ansonsten hat sich über NGOs inzwischen eine Empörungsindustrie etabliert (und dieser Begriff ist beschreibend, nicht bewertend), die jedes Thema nach ihrem Skandalgehalt auslotet, dabei manches auf den Tisch unserer Gesellschaft bringt, was sonst nur unter dem Tisch verhandelt wird. Am aktuellen Beispiel Pferdefleisch wird man das wieder sehr gut studieren können. Wie sonst bekommt man vorgeführt, wer alles an einem Pferd, das Kuh werden musste, verdient und verdienen kann. Wie viele Zwischenhändler mitmischen. Aus wie vielen Ländern. Volksaufklärung durch Skandal, NGO-Verstärkung, politischer Parteienrummel, es verändert sich auch mit jedem Skandal etwas im Verbraucherverhalten. Das ist gut so. Kampagnen ermöglichen Verhaltensänderungen, so oder so. Aber eben nicht zu 100 Prozent.

Was Politik und Unternehmen lernen müssen, ist, erzeugte Medienhyps ernst zu nehmen, die Kraft der Thematisierung zu nutzen und sich den Freiraum zu verschaffen, wirkliche Lösungen zu finden (in Umkehrung des Kissinger Spruchs, früher hätten ihn Politiker gefragt, was er darüber denke, heute würden sie nur noch fragen, was sie dazu sagen sollen). Darauf sollten sich Politik und Unternehmen vorbereiten: Lösungen zu haben und auch darüber nachdenken, wie man darüber reden kann.

Zum Sechsten und Letzten: Politik und Unternehmen werden sich aus der Gefangenschaft ihrer Rollen nur dann befreien können, wenn sie die Regelkonformität und die „machen wir auch so, weil es schon immer oder in dem und dem Fall so funktioniert hat“ Tipps ihrer Berater links oder rechts liegen lassen.

Führung zu übernehmen, und hier trifft sich die Situation für Manager und Politiker, heißt in Vorleistung zu gehen, Risiken zu übernehmen und diese Risiken auch für sich selbst zu tragen. Eine Gesellschaft, in der sich politische und wirtschaftliche Entscheider mit vielfachen finanziellen Rückversicherungen ausgestattet und somit jedes Risiko beseitigt haben, zeigt, der Fisch stinkt vom Kopf. Da ist es „von unten betrachtet“, auch egal, ob das Kanzlerinnengehalt relativ zu niedrig ist oder nicht.

Und so lange dieser Eindruck weiter vorherrscht, die da oben, machen ohnehin alles so, wie es ihnen passt und wie sie Konflikten aus dem Weg gehen können, wird auch die Empörungsindustrie weiter Wachstumschancen haben. Und das zu Recht!

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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