Gesellschaftliche Veränderungen, so Winfried Kretschmann, finden im Spannungsfeld von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft statt. Im Umkehrschluss: Um bei realen gesellschaftlichen Themen substanzielle Veränderungen zu erreichen, braucht es ein Bündnis von Unternehmen, Staat und Zivilgesellschaft (in diesem Falle einer mutigen Journalistin).
Wer sich umhört in logististisch orientierten Internetunternehmen, der weiss, dass Mitarbeiter dort einfach nur Rädchen sein sollen. Umso wichtiger ist es, dass die Unternehmen, die unter dem Kostendruck der neuen Wettbewerber leiden, sich mit ihren Mitarbeitern, der Politik, NGOs und Medien zusammenschließen, um der hemmungslosen und kalten Rücksichtslosigkeit, die diese Unternehmen oft entwickeln, vorzugehen.
Was ich sagen will: Es geht im globalen Kapitalismus nicht mehr um Wirtschaft gegen Arbeit, sondern oftmals um eine Verteidigung menschenwürdiger Verhältnisse im Arbeitsalltag gegen übermächtige, mit Abwanderung drohenden und rücksichtslosen Konzerne, gerade der Internetwirtschaft.
Es geht darum, Menschen in den entwickelten Ländern des Westens faire Lebensbedingungen zu erhalten, auch wenn mehr Wettbewerb und mehr Globalisierung verschärfte Bedingungen ergeben.
Der Beitrag aus dem Handelsblatt
Zalando-Klage gegen Journalistin alarmiert Datentschützer
Die RTL-Journalistin deckte Arbeitsbedingungen auf, die Datenschützer auf den Plan gerufen haben.
dpa | Berlin/Erfurt | Donnerstag, 17. April 2014, 06:00 Uhr
Nach verdeckten Recherchen beim Online-Modehändler Zalando hat die Erfurter Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts auf Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gegen eine RTL-Reporterin aufgenommen. Die Journalistin hatte drei Monate im Erfurter Zalando-Logistikzentrum gearbeitet.
Thüringer Datenschützer wollen nun den Umgang mit Mitarbeitern in dem Zalando-Logistikzentrum überprüfen. Es solle herausgefunden werden, wer beim Unternehmen auf welche Daten Zugriff habe und wofür diese Informationen genutzt würden, sagte der Thüringer Datenschutzbeauftragte Lutz Hasse der „Thüringischen Landeszeitung“.
Gegen die Journalistin werde nach einer entsprechenden Anzeige von Zalando ermittelt, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Mittwoch auf Anfrage. Das Verfahren stehe noch am Anfang. Ein RTL-Sprecher sagte, juristischen Schritten sehe sein Sender gelassen entgegen. Zuvor hatte bereits Handelsblatt Online über die Recherche der RTL-Reporterin berichtet.
Die Reporterin warf Zalando in der Sendung „Extra“ vor, Angestellte massiv unter Druck gesetzt und gegen das Arbeitsrecht verstoßen zu haben. Mitarbeiter sollen überwacht und bis an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit gebracht worden sein. Anhand der Informationen aus dem Waren-Scanner, der sie durch die riesige Lagerhalle steuerte, war die Reporterin ermahnt worden, weil sie 37 Minuten lang keinen Artikel geholt habe.
Eine Zalando-Sprecherin wies die Vorwürfe zurück. Die Darstellung des Berichts entspreche in keiner Weise der Unternehmenskultur und Mitarbeiterstimmung an den Zalando-Logistikstandorten.
Laut der Unternehmenssprecherin hat die Journalistin drei Monate lang im Logistikzentrum in Erfurt Filmmaterial interner Prozesse gesammelt. Zalando habe vor dem Fernsehbericht keine Chance zur Stellungnahme bekommen. „Unsere Reporter werden weiter verfolgen, ob die von Zalando angekündigten Überprüfungen zu Veränderungen geführt haben“, sagte der RTL-Sprecher. „Darüber berichten wir weiter.“
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