New Politics. Wie eine amerikanische Kommune den Finanzmärkten Contra gibt

Richmond, Kalifornien hat sich entschieden. Die Finanzmärkte haben gezockt, jetzt müssen sie bluten. Wenn die Stadt jetzt mit Zwangsenteignungen drohen, weil sie Massenzwangsräumungen befürchten, ist das eine gute Idee, diejenigen bluten zu lassen, die das Deseaster angerichtet haben. Es geht darum, die Definitionsmacht der Finanzmarktakrobaten zu brechen.

Gut gemacht! Eine intelligente Idee, wie man Finanzinstitute mit den eigenen Mitteln schlägt.

Eine Stadt enteignet Hypothekeninvestoren

Richmond in Kalifornien nutzt ein umstrittenes Konzept, angeblich um verschuldete Immobilienkäufer zu schützen. Das Beispiel könnte Schule machen.

Astrid Dörner | New York | Mittwoch, 31. Juli 2013, 18:25 Uhr

Es ist ein kleiner Ort in Kalifornien, der die Finanzwelt derzeit in Rage bringt. Richmond, eine 100 000-Einwohner-Stadt nordöstlich von San Francisco, hat gewagt, was sich bislang keine andere Gemeinde in Amerika getraut hat: Sie will Investoren zwingen, mehr als 600 Problemhypotheken zu verkaufen – mit einem kräftigen Abschlag auf den derzeitigen Marktpreis.

Die Kredite werden dann zu günstigeren Konditionen restrukturiert, damit die Hausbesitzer in ihren Häusern bleiben können. Wenn sich die Investoren weigern, werden sie zwangsenteignet – eine Revolution für den noch immer angeschlagenen US-Immobilienmarkt.

„Eminent Domain“ heißt die Gesetzesgrundlage, die bislang oft zur Enteignung von Hausbesitzern genutzt wurde, etwa wenn ihre Häuser dem Bau einer großen Straße weichen mussten. 2012 kam die Idee auf, „Eminent Domain“ gegen Hypothekengläubiger einzusetzen, um die Rechte der Hauskäufer zu stärken und hoch verschuldete Kommunen zu entlasten. Nun ist das Projekt nach mehreren Anläufen Realität und viele andere krisengeschüttelte Städte könnten dem Beispiel von Richmond folgen.

Für deutsche Banken könnte das teuer werden, da viele dieser Hypotheken vor der Krise verbrieft und nicht nur an US-Pensionsfonds sondern auch an Institute wie die WestLB und andere Landesbanken verkauft wurden. Branchenschätzungen zufolge halten die Deutschen Papiere, die einst rund 200 Milliarden Dollar wert waren. „Die Verlustquoten in den Verbriefungen könnten weiter steigen“, sagt Sven Petersen von der Finanzberatung Sachsen Asset Management.

Das Rechenmodell für Richmond sieht so aus: Ein Haus, das vor der Krise 400.000 Dollar gekostet hat, und auf dem eine lediglich mit Zinsen bediente und nicht getilgte Hypothek lastet, ist nur noch 200.000 Dollar wert. Die Stadt wird den Investoren die Hypothek für 80 Prozent des Marktwertes, sprich 160.000 Dollar, abkaufen und dem Hausbesitzer einen neuen Kredit über 190.000 Dollar anbieten. Damit hätte dieser auf einen Schlag 210.000 Dollar weniger Schulden. Die Differenz zwischen den 160.000 Dollar, die die Stadt dem bisherigen Gläubiger der Hypothek zahlt und den 190.000 Dollar, mit dem der Hauskäufer belastet wird, geht an die Stadt, Investoren und den Dienstleister MRP, der die modifizierten Kredite zu neuen Wertpapieren verpackt und an Investoren wie Hedgefonds verkauft.

Richmond will so verhindern, dass immer mehr Hausbesitzer ihre Immobilienkredite nicht mehr bedienen können und ganze Stadtteile verwaisen. „In den USA gibt es immer noch neun Millionen Häuser, deren Kredite deutlich höher sind als der eigentliche Wert des Hauses. Die Auswirkungen davon auf Kommunen hat man ja zuletzt bei der Pleite von Detroit gesehen“, sagt Dan Alpert von der New Yorker Investmentbank Westwood Capital.

Die Wall-Street-Lobby Sifma läuft Sturm. „Dies zerstört nicht nur die vertraglichen Rechte von Investoren, sondern auch das Vertrauen in die Kapitalmärkte“, wettert Sifma-Lobbyist Timothy Cameron. Doch andere Städte in New Jersey und Ohio stehen bereits in den Startlöchern, und die Politik verfolgt die Situation aufmerksam. Wenn Richmond Erfolg hat, dürften sie folgen.

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Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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