Overstressing Politics -7 Prozesse

Politik ist wie eine Taschenlampe. Man beleuchtet einen Aspekt. Dann ein Geräusch, und schon geht das Licht woanders hin. Da kann schon mal was übersehen werden. Eine politische Agenda definiert sich nach der Sichtbarkeit. Ein neues Ereignis, wumm, schon kommt der Scheinwerfer drauf. Kampagnenprofis wissen, in der Regel hält sich ein Thema sechs Wochen ganz oben auf der Agenda, dann wird es wieder vergessen.

In einhundert Jahren wird man sich einmal fragen, wie das war, wenn in Katastrophengebieten, zum Beispiel, mehr Journalisten als Retter einfallen und dann auf die Retter warten, die dann erklären, was sie retten, obwohl sie die Rettungsobjekte noch gar nicht gesehen haben. Reality TV, aber welche Realität sehen wir da eigentlich?

Im Grunde führen wir uns unser Gutmenschentum vor. Die Welt ist in Not, -yes, we come! Der Westen rettet sich zu Tode. Dann gehen die Fernsehkameras wieder weg und alles bleibt, wie es ist. Nur ein bißchen mehr Korruption wird bleiben. Kulturzunami durch westliches Geld.

Die Erregungsdemokratie ist eine Gefahr. Prozesse, Entwicklungen, die sich lange aufbauen, werden überdeckt. Nehmen wir zum Beispiel Wahlen. alle reden über die Ausschläge, wer besser gepunktet hat, wer weniger, ob Radikale drin sind, etc.

Dass seit Jahren der Politikverdruss wächst und die Wahlbeteiligung sinkt, das ist kein Thema. Ist ein schleichender Prozess und man kann auch nicht mit dem Finger auf die anderen Parteien zeigen. Man muss die Frage vielmehr an sich selber stellen. Und wer tut das schon gerne?

Jetzt redet die Politik über die beiden Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl und wie wichtig das gewesen ist, dass man, auch Habermas glaubt das ganz ernsthaft, das erste mal echte Wahlen hatte, weil echte Spitzenkandidaten.

Aber was genau machen diese Spitzenkandidaten eigentlich dann so oder so, wenn sie im Amt wären?

Sie würden genau dasselbe machen wie der andere. Also, warum springt ein renommierter Sozialforscher auf den Hoffnungsfunken, der ihm die beiden Spitzenkandidaten (der eine ist ja gar nicht plakatiert worden in Deutschland, der andere hat damit geworben, dass er Deutsche ist) scheinen?

Weil der Wunsch größer ist als die Wirklichkeit. Weil die Idee eines europäischen Sozialstaats, der auf höherer Ebene regelt, eine nette Idee ist. bloß, wie ich behaupte, dass man da auch eine europäische Öffentlichkeit bräuchte. Und die entsteht in, sagen wir mal, 40 Jahren. Wenn es gut geht. Und bis dahin? Enttäuschte Erwartungen.

Manche Dinge muss man reifen lassen. Das ist etwas, was Politiker nicht verstehen. Sie brauchen die Zuspitzung, Inszenierung. Deswegen bleiben die meisten Dinge liegen, bis sie buchstäblich ex- oder implodieren. Ohne Tschernobyl keinen Atomausstieg, ohne Fukushima keine Umsetzung des Atomausstiegs. Politik ist eigentlich getrieben, wenn sie, wie Merkel, sich an die Spitze des Unausweichlichen setzt, hat sie schon gewonnen.

Ich bin mir nicht sicher, ob mehr Partizipation eine Lösung ist. DAS Volk weiss natürlich nicht alles besser. Aber die Selbstbezüglichkeit der Politik, die ja im Wesentlichen an dem Allmachtsanspruch der Parteien hängt, die wächst sich zum Problem aus. Sie wird zum Kastenwesen. Und klar macht man Politik, um Wahlen zu gewinnen. Aber wenn man erst guckt, wie man Wahlen gewinnen kann und danach seine Politik ausrichtet, beißt sich die Katze im den Schwanz. Dann sehen nämlich Politiker auch nur noch das, was alle sehen. Wo bleibt da dann eigentlich die Systemleistung? Wofür bezahlen wir dann eigentlich Politiker?

Vielleicht muss erst die AfD erstarken, damit die CDU nicht mehr diese Schlüsselfunktion hat, und alle Parteien (vorausgesetzt, die AfD kann ihren schmutzigbraunen Untergrund noch reinigen) eine Stufe nüchterner sein müssten, damit sie Koalitionen bilden können. Ja, vielleicht wäre das eine Lösung…… Aber das braucht halt Zeit!

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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