Parteien, Partizipation, Direkte Demokratie. Wer hat teil am öffentlichen Leben?

Heute aufgewacht mit der Frage, was heißt eigentlich Partizipation? Wie stellen wir Zustimmung zu unserer Gesellschaftsordnung her? Und was sind die Voraussetzungen, um sich am öffentlichen Leben zu beteiligen?

Ich selber kann ja gut nachvollziehen, dass es viele Menschen gibt, die keinen Spaß am öffentlichen Leben, das ja in vielen Fällen in Deutschland parteiliches Leben ist, haben. Tröge Veranstaltungen, in denen, jedenfalls im grünen Umfeld, Konzepte für den Sankt Nimmerleinstag entwickelt werden, oftmals in Hinterzimmern, rauchig inzwischen nicht mehr, aber schön, angenehm noch nicht. Hinzu kommt, dass Parteipolitik oft von Menschen gemacht wird, die a) entweder Karriere machen wollen, b) Lehrer sind und deswegen immer recht haben (die Kinder in der Schule bestätigen es einem jeden Tag und die Welt anderswo kennt man nicht oder c) sich in der Partei engagieren, um zu zeigen, dass sie sich irgendwo durchsetzen können. Und weil diejenigen, die sich in einer Partei engagieren, das oftmals jahrzehntelang tun, sind die Wunden, die man sich gegenseitig geschlagen hat, tief, weil sie, gerade vernarbt, immer wieder aufgerissen werden.

Wer also soll Lust haben, sich in so einem Umfeld zu engagieren. Und wieso kommen handelnde Politiker, aber auch die politische Wissenschaft, zu dem Schluß, dies sei die Keimzelle der Demokratie?

Das ist nicht so. Parteien wirken am politischen Leben der Bundesrepublik mit, so oder ähnlich steht das im Grundgesetz. Nie war die Rede davon, dass die Parteien das Geschäft der Meinungsbildung oligopolisieren sollen.

Man muss schon eine besondere Grundausstattung haben, um Parteipolitik zu machen. Kommunalpolitiker sind ja anders, da geht es um Verantwortung, um das sich Arrangieren mit anderen, um Abwägung, ob es tatsächlich ein Schwimmbad sein soll oder ein Spielplatz oder die Sanierung der Strassen oder oder oder. Kann man immerhin alles sehen nach kurzer Zeit.

Die Macht in den Parteien haben diejenigen, die Parteikarriere machen, die die Worthülsen jonglieren können, die Netzwerke schaffen, sich gegenseitig promoten, sich gegenseitig gut oder schlecht finden, sich miteinander arrangieren. Das ist das Risiko einer Parteiendemokratie. Dass die Parteien und die sie dominierenden Politikertypen die Verständigung suchen. Und keiner mehr hört, was an den Stammtischen los ist.

Parteien sind also nicht die Keinzellen der Demokratie, sie sind die Gralshüter derselben.

Deshalb ist jetzt zurecht von mehr Partizipation die Rede. Und von direkter Demokratie. Und es werden aufwändige Beteiligungsverfahren initiiert, in denen Menschen wie Du und ich, also Menschen, die gerne mal ihre Meinung sagen, sich auch mal gerne tiefergründige Gedanken machen, aber keine Bedürfnisse haben, das in Halbsätzen und Spiegelstrichprogrammen einzubringen, sich einbringen können.

Angefangen hat das ja mit den ganzen Agendaprozessen, jetzt kann man es überall machen, das Volk soll keine Schrebergärten mehr bestellen oder Sport machen oder sonst was, es soll partizipieren.

Ich werde den Verdacht nicht los, dass diese Partizipationsprozesse nichts anderes sind als die Doppelung der Strukturen, die schon vielen Menschen verleitet, sich in Parteien zu engagieren. Weil man alles begründen muss, weil man nicht einfach seine Meinung sagen kann, sondern das Ganze einordnen muss, es mit dem Appell verbunden ist, sich zu engagieren (denn das muss man befürchten: der erste, der den Mund aufmacht, der muss auch gleich eine Rolle übernehmen). Ist das Partizipation? Und braucht man dazu dann wieder mehr öffentliche Mittel, damit das gerecht wird? Ich habe da meine Zweifel.

Es könnte sein, dass diese Doppelung der Strukturen davon getrieben ist, dass diejenigen, die in einer der Parteien keine Pöstchen ergattert haben, sich auf diesen Wegen retten. Dass es aber dieselben Soziographien sind, die sich dort engagieren, akademisch gebildete Sozial, Politikwissenschaftler, Psycho-, Soziologen und Pädagogen.

Wenn man davon ausgeht, dass Politik und der öffentliche Raum dem Austausch dienen, dass die Parteien gut sind, die es schaffen, Stimmungen aufzunehmen, wenn die Parteien es ernst meinen, aus den schnellen, medial erzeugten Stimmungen diejenigen zu identifizieren, die wirklich an den Stammtischen oder Kaffeetischen besprochen werden, ja dann wäre das gut. Dann hätte Politik seinen Zweck erreicht, dass sie die Gedanken der Bürgerinnen und Bürger aufgreift und in Politik einbringt.

Direkte Demokratie ist für mich deshalb kein Allheilmittel, sondern einfach ein Weg, die Monopolisierung der öffentlichen Meinung durch Parteien aufzubrechen.

Letztlich kann man also sagen: Mehr Partizipation, das sollte bedeuten, weniger Parteipolitik, Öffnung der Parteien, mehr Austausch des politischen Personals und mehr Austausch zwischen dem politischen Personal.

Da braucht man dann keine neuen Institutionen und finanziell abgesicherten Instanzenwege. Und die Menschen können sich dann wieder dem zuwenden, was ihnen Spaß macht. Dem Schrebergarten, der Hobbywerkstatt, der Oma, der Nachbarn oder was auch immer. Das ist gesellschaftliches Leben. Und nicht immer mehr abstrakte und abgehobene politischen Prozesse, gemacht für die sozialwissenschaftlichen Akademiker dieser Welt. Gemacht für diejenigen, die andere machen lassen. Und klug darüber her reden.

Und noch eine Erkenntnis. Ich saß vor einigen Tagen mit einem Freund, einem politischen Journalisten und machte mich, gefangen in meiner eigenen Welt, lustig über die mangelnden konzeptionellen Kompetenzen der CDU. Papiere schreiben, das können die ja gar nicht. Meinte er, bei der CDU wäre das ja auch ganz anders, da wären ja die meisten Abgeordneten als Wahlkreiskandidaten gewählt, nicht über Parteilisten. Schlagartig war mir klar, dass schon dieses Moment alles ganz anders macht. Durch diese Partei fließen die Wünsche gesellschaftlicher Gruppen, konkreter Menschen, sprich Unternehmer, einfach so durch. Formal derselbe Prozess, faktisch ein ganz anderer Schnack.

Sehr interessant, wie eine Bemerkung ein ganzes Bild beeinflußen kann. Recht hat er! Die CDU ist das, was ich fordere, jeder nimmt die Stimmungen im Wahlkreis auf, die ihm habhaft werden, deshalb braucht er auch keine Konzepte. Er weiß, wer ihn wählt. Insofern ist diese Art von Volkspartei das Gegenteil von der Konzeptpartei, in deren Reihen ich Mitglied bin. Die Frage ist nur, für welche Milieus ist die Partei offen. Über weitere Konsequenzen muss ich erst mal nachdenken.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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