Politik? oder Was!
Wir schwierig es heutzutage ist, politische Kalküle nachzuzeichnen, sei an der aktuellen Situation erläutert.
War es für Angela Merkel richtig, mit einer massiven Zweitstimmenkampagne die FDP unter die Wasseroberfläche zu drücken?
Kommt drauf an. Folgende Merkelbilder stehen zur Verfügung:
Die Aufrichtige: Angela Merkel hatte einfach die Nase voll von einer FDP, die, rein handwerklich, das Regierung nicht beherrscht. Da hatte sie es mit der großen Koalition besser. Die SPD Minister konnten regieren.
Die Selbstkritische: Angela Merkel weiss, dass sie nur dann gut ist, wenn sie moderieren kann. Aber dazu braucht sie Konflikte, die auf den Tisch kommen und inszenierbar sind. Zwischen Seehofer und Gabriel ist da der Bedarf größer –
Die Euro-Merkel: Angela Merkel weiss, das sie die Austeritätsnummer nicht weiter fahren kann. Nicht dass sie falsch gewesen wäre. Aber man kann im ersten Schritt zwar Druck ausüben, damit die jeweiligen Länder mehr Verantwortung für ihre Belange übernehmen. Die Konjunktur springt aber erst dann an, wenn es einen Kick dazu gibt. Der Kurswechsel kann also geräuschlos vollzogen werden, weil die SPD mit ans Ruder kommt. Mit der FDP wäre das ganz schwierig geworden. Denn die ist neoliberal-gläubig.
Die Verschuldungsgrenzen-Merkel: Es gibt eine Tendenz in der Politik und die heisst: „Wir wollen an Euer Geld.“ (Euer ist unser, das Geld der Bürgerinnen und Bürger). Das geht folgendermassen: Politik verkauft sich nur dann gut, wenn sie Wohltaten verteilen kann. Diese Wohltaten kosten Geld, die Verschuldungsgrenze, die vor einigen Jahren in einem Akt politischen Übermuts (da waren noch ein Stoiber und ein Koch mit an Bord) beschlossen hat, rückt näher, also ist es politiksystemlogisch sinnvoll, die Einnahmenseite schnell und geräuschlos zu erhöhen. Das hat Angela Merkel schon einmal gemacht, als 2005 Null Prozent CDU plus Zwei Prozent SPD drei Prozent große Koalition ergibt.
Eines ist Angela Merkel nun tatsächlich nicht: Die Berechenbarkeits-Merkel. Es gibt niemand, der schneller Konsequenzen aus den Vorkommnissen zieht, die ihm gegen den Strich gehen. Weshalb das so ist, darüber kann weiter lustig spekuliert werden. Unwahrscheinlich, dass der Physikerin Merkel erst nach Fukushima aufgegangen ist, dass Restrisiko nicht nur eine theoretische Größe ist. Aber es lässt sich auch vorstellen, dass die Selbstgefälligkeit von RWE Großmann und Co ihr einfach gegen den Strich gegangen ist. Auch der Professor Kirchhoff mit seiner Bierdeckelsteuererklärung: Nette Idee, aber am Ende hat sie Merkel fast die Macht gekostet.
Na ja, dann bleibt noch die Bauchgefühl-Merkel. Als Ostdeutsche weiss sie, wie es ist, wenn ein Weltbild ein Halbweltsystem einfach implodiert. Dann geht man mit dem nächsten Perspektivwechsel unkomplizierter um.
Und es git die „Statt entweder oder sowohl als auch“ Denke. Es ist die Summe von Argumenten und Eindrücken, die sich zu einem Gesamtbild verdichten.
Es sind halt Menschen, die Geschichte machen.